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Dini: Vorschlag Montis könnte den Ländern helfen

Italiens Premierminister Mario Monti hat vorgeschlagen, dass die EZB für den Rettungsfonds Staatsanleihen kaufen soll. Sein Amtsvorgänger Lamberto Dini sagt, dass damit Schulden gemessen am Inlandsprodukt schrittweise verringert werden könnten. Ob das Zinsniveau für Deutschland dadurch steige, "bleibt abzuwarten", sagt Dini.

Lamberto Dini im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: In Rom findet heute der Vorgipfel zum Eurogipfel in der kommenden Woche statt. Mario Monti hat Angela Merkel und seine Kollegen Francois Hollande und Mariano Rajoy eingeladen und vorab schon einmal die Tagesordnung verlängert. Der italienische Ministerpräsident hat nämlich vorgeschlagen, die Rettungsfonds EFSF und ESM sollten künftig Staatsanleihen der Länder kaufen, deren Zinssätze zu hoch sind, wie zum Beispiel Spanien oder Italien. EU-Währungskommissar Olli Rehn hat diesen Vorschlag als "finanzielles Paracetamol" bezeichnet - lindert die Schmerzen, bekämpft aber nicht die Ursachen.
    Lamberto Dini ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des italienischen Senats und er hat fast alle wichtigen Funktionen bekleidet, die das politische und italienische Rom zu vergeben hat - Generaldirektor der Italienischen Zentralbank, Ministerpräsident, Außenminister, Finanzminister, Justizminister. Ich habe Lamberto Dini vor dieser Sendung gefragt, wie er Mario Montis Vorschlag bewertet.

    Lamberto Dini: Das ist ein Vorschlag, der, wenn er angenommen würde, den Ländern helfen könnte, die unter der Spekulation der Finanzmärkte gegen ihre Anleihen leiden, wie etwa Spanien und Italien. Diese Spekulation könnte sich übrigens auch auf solche Länder ausweiten, die wir gegenwärtig für sehr solide halten.

    Heinemann: Aber mit Paracetamol kann man keine schwere Krankheit heilen ...

    Dini: Ja, das verstehe ich, es könnte ja auch eine nur vorübergehende und keine dauerhafte Maßnahme sein. Die Krankheit, von der EU-Währungskommissar Rehn spricht, besteht in zu hohen Schulden. Diese müssen verringert werden, so wie das nach den europäischen Regeln vorgesehen ist.

    Heinemann: Also der einzig wirksame Schutzschild gegen die Zinsaufschläge ist eine Politik der Sanierung der öffentlichen Haushalte?

    Dini: Ja, das habe ich ja gerade gesagt. Aber der G20-Gipfel hat auch Beschlüsse für eine Wachstumspolitik gefasst. Und auf diesem Weg können die Schulden gemessen am Inlandsprodukt schrittweise verringert werden.

    Heinemann: Sind die hohen Zinsen Ergebnis von Spekulation, oder spiegeln sie den Zustand von Ländern wie Italien oder Spanien wider?

    Dini: Nein, sie geben nicht den Zustand wieder. Ich lese täglich die angelsächsische Presse: "Wall Street Journal", "Financial Times", "Herald Tribune", und da erscheint immer mindestens ein Artikel, der den Euro als unvollständiges Konstrukt beschreibt, dem keine Dauerhaftigkeit beschieden ist und der verschwinden wird. Ist doch klar, dass auf dieses Weise Investoren vorsichtshalber sagen, wenn der Euro keine Zukunft hat, dann verkaufe ich die Europapiere, die ich habe. Das könnte morgen übrigens auch mit Deutschland passieren.

    Heinemann: Die Schuld tragen doch nicht Journalisten, sondern die Schuldenpolitik der vergangenen Jahre.

    Dini: Keine Frage. Deshalb werden wir bald den Fiskalpakt ratifizieren. In Italien haben wir übrigens schon die Verfassungsbestimmung verabschiedet, die einen ausgeglichenen Haushalt vorschreibt. Dadurch soll verhindert werden, dass künftig Schulden gemacht werden.

    Heinemann: Mario Monti hat vorgeschlagen, dass Ausgaben für bestimmte Investitionen nicht mehr auf das Defizit angerechnet werden sollen. Könnte dies nicht abermals das Vertrauen der Märkte erschüttern, wenn die den Eindruck bekommen, dass da getrickst wird?

    Dini: Nicht unbedingt, wenn diese Ausgaben etwa in die Infrastruktur investiert werden und damit das Wirtschaftswachstum unserer Länder erhöht wird. Das Problem der Wirtschaft in den europäischen Ländern - und das gilt nicht nur für Italien und Spanien - ist das fehlende Wachstum. Deutschland verfügt über Wachstum als Folge der Reformen der Regierung unter Bundeskanzler Schröder. Davon profitiert die Regierung heute. Die anderen Länder haben nicht angepackt, was Deutschland in der Vergangenheit geleistet hat. Die müssen es jetzt tun.

    Heinemann: Welche wären denn für Italien konkrete Maßnahmen, mit denen das Wachstum gefördert werden könnte?

    Dini: Vor allem wäre da eine Liberalisierung besonders bei den Dienstleistungen. Eine andere Maßnahme der Regierung zielt auf die Verringerung der Verschuldung durch Privatisierungen, durch Verkauf von Staatsbesitz.

    Heinemann: Bei den Verhandlungen über die Kündigungsregelungen des Arbeiterstatuts haben die italienischen Gewerkschaften alles abgelehnt. Gibt es tatsächlich einen tiefen Reformwillen in Italien - auch etwa für eine Reform des Arbeitsmarktes?

    Dini: Die Regierung hat eine Reform vorgeschlagen, die nicht vorsieht, dass der Kündigungsschutz vollständig abgebaut wird. Das gibt es auch nicht in Deutschland. Geplant ist mehr Flexibilität. Und ich nehme an, dass der Gesetzentwurf sehr bald vom italienischen Parlament verabschiedet wird.

    Heinemann: Warum beantragt die italienische Regierung nicht offiziell Hilfen des Eurorettungsschirms?

    Dini: Weil es dafür keinen Bedarf gibt. Wir sind davon überzeugt, dass die Politik der Regierung und die Beschlüsse des EU-Gipfels am 28. und 29. Juni eine Erholung der italienischen Wirtschaft erleichtern werden. Und die Märkte können überzeugt werden, dass Italien über die Ressourcen verfügt - unter anderem über eine überdurchschnittlich hohe private Sparquote -, um die Schulden zu bewältigen.

    Heinemann: Die Bundesregierung lehnt Eurobonds ab - zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Ist diese Ablehnung gerechtfertigt?

    Dini: Ich glaube, dass es sowohl Italien als auch Deutschland beim Fiskalpakt und dem ESM perspektivisch um eine Entwicklung zu einer politischen Union geht. Das hat Kanzlerin Merkel gesagt, und das teilen wir. Der Moment für Eurobonds ist vielleicht noch nicht gekommen. Dies wäre eine teilweise Vergemeinschaftung der Schulden der Euroländer. Vorher sollten wir aber mit der Sanierung der öffentlichen Haushalte fortfahren. Dann könnte man vielleicht den zweiten Schritt gehen und Eurobonds auf den Weg bringen.

    Heinemann: Wie sollte denn die Bundesregierung oder Regierungen anderer Euroländer ihren Bürgern erklären, dass sie die Schulden der Staaten zahlen müssen, deren Haushalte außer Kontrolle geraten sind?

    Dini: Was heißt zahlen? Wenn ein Teil der Schulden vergemeinschaftet wird, werden diese nicht zur Belastung für die anderen Länder, solange diese Schulden zurückgezahlt werden.

    Heinemann: Aber das Zinsniveau stiege doch für Deutschland?

    Dini: Das bliebe abzuwarten, vielleicht ja, vielleicht auch nicht.

    Heinemann: Sind Sie mit Blick auf den Euro optimistisch oder pessimistisch?

    Dini: Ich bin von der Dauerhaftigkeit des Euro überzeugt. Wenn diese Krise überwunden ist, und unterstütz durch die Beschlüsse der Regierungen des Gipfels am 28. und 29. Juni wird der Euro seinen Wert und sein Ansehen in der Welt wiedererlangen.