Eigentlich wollten Susannah Maidment und Sergio Bertazzo nur ein bisschen herumprobieren, sich unter dem Mikroskop anschauen, wie die Struktur von Dinosaurierknochen im Nanomaßstab aussieht. Als sie beim Naturkundemuseum in London um Fossilien anfragten, mussten sie sich deshalb mit eher drittklassige Proben zufriedengeben, sagt Susannah Maidment.
"Es war schwierig, Museumskuratoren dazu zu bringen, uns Stücke von ihren Dinosaurierfossilien abbrechen zu lassen. Wir haben lediglich Bruchstücke von Knochen bekommen, an denen wir keinen großen Schaden anrichten konnten."
Die Fragmente von acht Sauriern aus der Kreidezeit, die die Kuratoren herausrückten, hatten Archäologen vor rund 100 Jahren in der kanadischen Provinz Alberta ausgegraben. Seitdem hatten sie in einer Schublade im Museum gelegen. Die Paläontologin und der Materialwissenschaftler vom Imperial College in London untersuchten kleine Stücke der Knochen unter dem Rasterelektronenmikroskop. Die Strukturen, die sie eigentlich suchten, hatten die lange Zeit nicht überstanden. Dafür fanden sie etwas völlig unerwartetes: Strukturen, die wie rote Blutkörperchen aussahen, sagt Sergio Bertazzo.
Mit einem Ionenstrahl schnitt der Forscher Scheiben von gerade einmal hundert Nanometern Dicke von den Knochen ab, sodass er sie in einem Transmissions-Elektronenmikroskop betrachten konnte. Diese Technik ermöglicht noch stärkere Vergrößerungen als ein Elektronenrastermikroskop. Und da konnte ich Fasern mit einer Bandstruktur sehen. Wenn man sich moderne Knochen unter dem Transmissions-Elektronenmikroskop anschaut, sieht man ebenfalls Fasern mit solchen Querstreifen. Sie gehören zum Kollagen im Knochen.
Evolutionäre Rätsel lösen
Die Forscher fanden also Anzeichen für Reste von Blut und Bindegewebe. Dabei herrschte bislang Einigkeit darüber, dass die Proteine, aus denen all diese Weichteile bestehen, nach spätestens vier Millionen Jahren zu zerfallen beginnen. Die Knochen, die Susannah Maidment und Sergio Bertazzo untersucht haben, sind aber rund 75 Millionen Jahre alt.
Die überraschenden Funde können den Forschern helfen, ein evolutionäres Rätsel zu lösen, sagt Susannah Maidment.
Die überraschenden Funde können den Forschern helfen, ein evolutionäres Rätsel zu lösen, sagt Susannah Maidment.
"Sie können uns etwas über die Stoffwechselrate erzählen, also ob ein Tier warm- oder kaltblütig war. Es gibt in allen Wirbeltieren einen bestens bekannten Zusammenhang: Je kleiner die roten Blutkörperchen sind, desto schneller ist der Stoffwechsel. Und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Tier warmblütig ist."
Krokodile etwa sind Verwandte der Dinosaurier – und sie sind kaltblütig. Beide hatten vor rund 300 Millionen einen gemeinsamen Vorfahren. Vögel wiederum stammen direkt von den Dinosauriern ab, doch sie sind warmblütig. Irgendwo zwischen dem Saurierahnen und der Entstehung der Vögel müssen Dinosaurier warmblütig geworden sein.
Reichhaltige Informationen aus dürftigen Fossilien
"Dieser Zeitpunkt ist sehr schwierig zu bestimmen. Denn Warmblütigkeit hinterlässt keine eindeutigen Spuren auf den Knochen, und bislang konnten wir lediglich solche Spuren untersuchen. Wenn wir also in vielen Saurierfossilien rote Blutkörperchen fänden, könnten wir uns ansehen, wie sich die Größe dieser Zellen verändert hat und wann im Laufe der Evolution die Saurier warmblütig geworden sind."
Dass sie diese Informationen aus so dürftigen Fossilien gewonnen haben, mache ihre Funde außergewöhnlich interessant, sagt Susannah Maidment.
"Denn das legt nahe: Dieser Erhaltungsgrad ist nicht etwa unglaublich selten, sondern die Norm. Vielleicht finden wir solche Zellen sogar in allen Saurierfossilien, wir müssen nur an der richtigen Stelle danach suchen."