Nicht viele Werke in dieser Ausstellung reichen an die Ausdruckskraft der kleinen, etruskischen Bronzestatue aus dem 4. Jahrhundert vor Christus heran, die aus der Münchner Glyptotkek geliehen worden ist. Ein alter Silen kniet vor dem Betrachter, in der einen Hand ein Messer, in der anderen eine Schlange. Die gereizte Anspannung in seinem Gesicht und seiner ganzen Haltung hat so gar nichts mit dem Klischee des feisten, trinkfesten Chaoten zu tun, das die Ikonografie über Jahrtausende von den ständigen Begleitern des Dionysos geprägt hat.
Darstellungen, die wie diese das ehern vorgeprägte Schema des Dionysos-Themas sprengen, sind eher selten anzutreffen im Bucerius Kunstforum, man würde sich in dieser Ausstellung mehr davon wünschen. Wenn hier eine These erhärtet wird, dann ist es die, dass das Dionysos-Motiv eher in der stilistischen Variation des jeweiligen Zeitgeistes variiert, während es sich inhaltlich und motivisch in einer erstaunlichen Wiederkehr des Immergleichen gefangen hat - egal ob Renaissance oder Romantik, Spätantike oder Barock.
Zahlreiche Beispiele dafür reihen sich aneinander, nicht alle gelangen über zeitgenössische Gefälligkeiten hinaus. Die künstlerische Handschrift macht in aller Regel den Unterschied: Caravaggio beispielsweise ragt heraus, wenn er zweitausend Jahre nach den frühesten antiken Werken in dieser Ausstellung den jungen Bacchus zwar noch immer traditionsgemäß als jugendlichen Rebensaft-Süchtigen malt, der nur noch liegend seine Hände nach den Trauben ausstrecken kann.
Aber Caravaggio gelingt in seinem späten Werk dabei auch eine aus typischen Hell-Dunkel-Gegensätzen erzeugte Dämonie, die nichts Heiter-Sinnliches der Jugend mehr verkörpert, sondern eine morbide Verfallenheit kurz vor dem Wahnsinn. Nur einige Jahrzehnte danach erscheint Dionysos-Bacchus bei Jusepe de Ribera als beeindruckendes Halbportrait eines alten, ebenso verbitterten wie weisen Mannes mit einer Krone aus Weinlaub.
Annibale Carracci zeigt den Bacchus-Jüngling wiederum aus einer fast bedrohlich anmutenden leichten Untersicht, die dem Betrachter selbst das Gefühl gibt, berauscht auf dem Boden zu liegen und von der geisterhaften Erscheinung seines Trink-Gottes ins Auge gefasst zu werden.
Die historische Spanne, die diese Ausstellung absteckt, reicht dann noch bis über Lovis Corinth hinaus, der am Ende des 19. Jahrhunderts den alten Silen nach dem Klischee des feisten alkoholisierten Schwerenöters malt, der einem der angeschickerten, splitternackten Partyweiber in seinem Gefolge an die Brust fasst und ein anderes, das kaum noch laufen kann, im Schlepptau hinter sich herzieht.
Rausch, Ekstase, Anarchie, Chaos, Sinnenfreuden und die rasenden, bisweilen tödlichen Leidenschaften der geilen Satyrn und Bacchusweiber aus der Party-Kommune - immer wieder beschwören die Wandtexte stereotyp die Dionysos-Themen. Ganz ähnlich dem Konzept vor fünf Jahren, als Kurator Michael Philipp schon das Motiv der "Versuchung des Heiligen Antonius" einmal durch die abendländische Kunstgeschichte hindurch dekliniert hat, mag auch bei diesem neuen kunsthistorischen Rundumschlag die Versuchung darin bestanden zu haben, im Verlauf der Recherchen immer mehr Werke aufzutreiben und nicht mehr aufhören zu können; immer mehr zusammenzuleihen, bis die Räume nichts mehr fassen, auch wenn sich damit eigentlich keine neuen Aspekte herstellen lassen – und dies zumal, wenn manche Ausleihen relativ leicht zu haben sind.
Die Kunstsammlungen Dresden, mit denen das Bucerius Kunstforum seit Jahren kooperiert, hat auch diesmal seine Schatzkammern geöffnet und zu gefühlten fünfzig Prozent der hochklassigen Exponate beigetragen. Der kuratorische Stolz des Herzeigens, der selten gesehenen Kombinationen bestimmter Werke, des intensiven Leihverkehrs überlagert dabei die inhaltliche Schärfung des Projekts. Es spult sein Riesenprogramm gleichermaßen humanistisch gelehrt wie ikonografisch zugeknöpft herunter, mit vielen Prachtbildern zweifellos. Doch das eigentlich Reizvolle, das in einer Kunstgeschichte des Rausches, der Subversion, der Anarchie bestehen könnte, fällt dabei hintenüber, wie ein leeres Versprechen.
bucerius kunstforum hamburg
Darstellungen, die wie diese das ehern vorgeprägte Schema des Dionysos-Themas sprengen, sind eher selten anzutreffen im Bucerius Kunstforum, man würde sich in dieser Ausstellung mehr davon wünschen. Wenn hier eine These erhärtet wird, dann ist es die, dass das Dionysos-Motiv eher in der stilistischen Variation des jeweiligen Zeitgeistes variiert, während es sich inhaltlich und motivisch in einer erstaunlichen Wiederkehr des Immergleichen gefangen hat - egal ob Renaissance oder Romantik, Spätantike oder Barock.
Zahlreiche Beispiele dafür reihen sich aneinander, nicht alle gelangen über zeitgenössische Gefälligkeiten hinaus. Die künstlerische Handschrift macht in aller Regel den Unterschied: Caravaggio beispielsweise ragt heraus, wenn er zweitausend Jahre nach den frühesten antiken Werken in dieser Ausstellung den jungen Bacchus zwar noch immer traditionsgemäß als jugendlichen Rebensaft-Süchtigen malt, der nur noch liegend seine Hände nach den Trauben ausstrecken kann.
Aber Caravaggio gelingt in seinem späten Werk dabei auch eine aus typischen Hell-Dunkel-Gegensätzen erzeugte Dämonie, die nichts Heiter-Sinnliches der Jugend mehr verkörpert, sondern eine morbide Verfallenheit kurz vor dem Wahnsinn. Nur einige Jahrzehnte danach erscheint Dionysos-Bacchus bei Jusepe de Ribera als beeindruckendes Halbportrait eines alten, ebenso verbitterten wie weisen Mannes mit einer Krone aus Weinlaub.
Annibale Carracci zeigt den Bacchus-Jüngling wiederum aus einer fast bedrohlich anmutenden leichten Untersicht, die dem Betrachter selbst das Gefühl gibt, berauscht auf dem Boden zu liegen und von der geisterhaften Erscheinung seines Trink-Gottes ins Auge gefasst zu werden.
Die historische Spanne, die diese Ausstellung absteckt, reicht dann noch bis über Lovis Corinth hinaus, der am Ende des 19. Jahrhunderts den alten Silen nach dem Klischee des feisten alkoholisierten Schwerenöters malt, der einem der angeschickerten, splitternackten Partyweiber in seinem Gefolge an die Brust fasst und ein anderes, das kaum noch laufen kann, im Schlepptau hinter sich herzieht.
Rausch, Ekstase, Anarchie, Chaos, Sinnenfreuden und die rasenden, bisweilen tödlichen Leidenschaften der geilen Satyrn und Bacchusweiber aus der Party-Kommune - immer wieder beschwören die Wandtexte stereotyp die Dionysos-Themen. Ganz ähnlich dem Konzept vor fünf Jahren, als Kurator Michael Philipp schon das Motiv der "Versuchung des Heiligen Antonius" einmal durch die abendländische Kunstgeschichte hindurch dekliniert hat, mag auch bei diesem neuen kunsthistorischen Rundumschlag die Versuchung darin bestanden zu haben, im Verlauf der Recherchen immer mehr Werke aufzutreiben und nicht mehr aufhören zu können; immer mehr zusammenzuleihen, bis die Räume nichts mehr fassen, auch wenn sich damit eigentlich keine neuen Aspekte herstellen lassen – und dies zumal, wenn manche Ausleihen relativ leicht zu haben sind.
Die Kunstsammlungen Dresden, mit denen das Bucerius Kunstforum seit Jahren kooperiert, hat auch diesmal seine Schatzkammern geöffnet und zu gefühlten fünfzig Prozent der hochklassigen Exponate beigetragen. Der kuratorische Stolz des Herzeigens, der selten gesehenen Kombinationen bestimmter Werke, des intensiven Leihverkehrs überlagert dabei die inhaltliche Schärfung des Projekts. Es spult sein Riesenprogramm gleichermaßen humanistisch gelehrt wie ikonografisch zugeknöpft herunter, mit vielen Prachtbildern zweifellos. Doch das eigentlich Reizvolle, das in einer Kunstgeschichte des Rausches, der Subversion, der Anarchie bestehen könnte, fällt dabei hintenüber, wie ein leeres Versprechen.
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