Hinter den mächtigen Mauern des Theresianums nahe dem Wiener Karlsplatz verbirgt sich die Diplomatische Akademie. Rund 700 Interessenten aus aller Welt bewerben sich jährlich auf die 100 angebotenen Studienplätze. Auf Master-, Doktorats- und Diplomstudiengänge in Internationalen Beziehungen und Umwelttechnologie. Nach Wien kommen aber traditionell auch Diplomaten und leitende Beamte aus Osteuropa, um sich an der Akademie weiterzubilden.
Emil Brix, gelernter Historiker und früher unter anderem Österreichs Botschafter in London und Moskau, leitet die Hochschule seit 2017: "Ich war ja selbst Student hier. Damals hatte man noch den Eindruck, das ist eine Einrichtung, wo man schwer hineinkommt, aber auch selten hinaus geht. Wenn ich als Student damals mit Anderen gesprochen habe, dann haben sie mich bewundernd, aber skeptisch angesehen. Vermutlich haben sie immer so ein Champagnerglas in meiner Hand gesehen und vielleicht den Frack dazu. Das hat sich absolut geändert. Auch die Zusammensetzung der Studenten ist eine breite, was die Geschlechter betrifft, was die Nationen betrifft, was die soziale Herkunft betrifft. Weil sich eben auch die Aufgaben geändert haben."
Kommunikation und emotionale Intelligenz gefragt
Emil Brix geht es seit seinem Amtsantritt nicht zuletzt darum, die Arbeit der Akademie hinter der imposanten Fassade transparenter zu machen. 1754 gegründet, um Kultur und Sprachen des Orients vermitteln, was sich bis heute im Wappen der Akademie mit den persischen Schriftzeichen widerspiegelt, sind heute in der Akademie Kommunikation und emotionale Intelligenz gefragt, sagt Emil Brix.
"Wir legen Wert auf Menschenbildung. Bei uns ist es erstens einmal Voraussetzung, interdisziplinär sich unterrichten zu lassen, das heißt, wir verlangen von unseren Studenten, dass sie von der Wirtschaft über Politik, über Recht bis zu den psychologischen Fächern alles bereit sind aufzunehmen. Und zweitens geht's uns darum, dass hier wirklich Menschen unterschiedlicher Kulturen gemeinsam auch leben und arbeiten. Das heißt, dass man zusammen wächst, dass man so etwas wie eine soziale Empathie, eine emotionale Intelligenz auch entwickeln kann. Das ist ein ganz wesentlicher Teil. Und ich kenne wenige Einrichtungen auf der Welt, wo das vergleichbar angeboten wird."
Dafür müssen die aufgenommenen Bewerber bezahlen: 26.200 Euro betragen die Studiengebühren für das zweijährige "MAIS"-Programm, das Masterstudium Internationale Beziehungen. Ähnlich teuer ist der Master in Umwelttechnologie, der gemeinsam mit der Technischen Universität Wien, einen Katzensprung entfernt, angeboten wird. Auf Wunsch kann man in der Akademie auch wohnen: Zimmer mit Frühstück kosten 400 Euro monatlich.
Eine besondere Herausforderung für die DA war die gerade angebrochene EU-Ratspräsidentschaft Österreichs. Bereits 1.500 heimische Beamte wurden in Hinblick auf Protokoll- und Stil-Fragen, Sitzungsführung und Logistik trainiert. Brix und sein internationales Team wollen die EU-Maschinerie auf speziell österreichische Art geschmeidig und effizient machen.
Beitrag zur Verösterreicherung der Welt
"Vielleicht gibt es tatsächlich so etwas Österreichisches, das den Dialog in den Vordergrund stellt, das eine Erfahrung hat, wie man mit Unwägbarkeiten umgeht. Das ein bissel sagt: Der Möglichkeitssinn ist mindestens so wichtig wie der Wirklichkeitssinn. Sie kennen das vielleicht von Robert Musil. Da ist schon was dran. Ein bisschen glaube ich, diese Akademie ist ein Beitrag zur Verösterreicherung der Welt."
Gemeint ist freilich keine "Verösterreicherung" im Sinne der schwarz-blauen Regierungskoalition aus bürgerlicher ÖVP und europaskeptischer, rechter FPÖ. Brix gehört zum progressiven Flügel der Volkspartei, ein überzeugter Europäer, der sich viele Sorgen um das Abdriften der Welt hinter Wien nach rechts macht. Nationalistische Kräfte werden im Osten auch deshalb immer stärker, weil der Blick des Westens auf die Slowakei, Ungarn oder Polen immer noch oft genug herablassend sei, betont der 62-Jährige selbstkritisch. Es fehlen echte Gespräche auf Augenhöhe.
Freilich tapp auch die Diplomatische Akademie bei der Ausbildung künftiger Diplomaten, führenden Wirtschaftsleuten oder Geschäftsführern von NGOs weitgehend im Dunkeln, wie Brix zugibt. Zu unsicher sei die politische Gemengelage, zu oft sei auf diplomatischem Wege mühsam erworbenes Vertrauen durch rücksichtslose Regierungsentscheidungen im Handumdrehen verspielt worden.
"Wo das Problem liegt, das ist eigentlich (lacht), ich könnt's kurz machen und sagen, das Problem hat vier (sic!) Buchstaben, es heißt Trump. (…) Die Folge ist, wir müssen breit vorbereiten, wir dürfen nicht zum Beispiel das multilaterale Denken völlig aufgeben, aber wir können uns nicht darauf reduzieren! Wir müssen das transaktionäre Denken der Diplomatie, das die jetzige amerikanische Administration hat, mit berücksichtigen. Wir wissen nicht, wie stark die Rolle Chinas sein wird. Wir wissen nicht (…), ob die Europäische Union eine gemeinsame Rolle spielen wird in diesem Konzert der Großen. Wir wissen nicht, wie aggressiv Russland nach Putin sein wird. (…) Und daher sind auch Studenten verunsichert."
Die Studierenden, räumt Brix ein, fragen indes immer öfter gleich nach ihren Karrierechancen an der Akademie. Die kann er ihnen bieten, sagt der weltläufige Diplomat Emil Brix nicht ohne Stolz: "Was ja das Schöne ist an der Diplomatie, das ist eine Maschinerie, die im Grunde sehr viele Konstanten hat. Weil, es geht ja immer - wie ich gesagt habe - um Kommunikation, um den Dialog und um friedliche Lösungen. Das hat mein Vorgänger auch in den Vordergrund gestellt. Da ändert sich bei mir überhaupt nix. Auch wenn sich die Zeiten ändern."