Jörg Biesler: Der Bologna-Prozess der Harmonisierung der europäischen Hochschulsysteme ist längst noch nicht abgeschlossen. Es geht darum, in ganz Europa vergleichbare Studienstrukturen und Abschlüsse zu schaffen, um den internationalen Austausch zu fördern. Die neuen Abschlüsse, die seit zehn Jahren sukzessive eingeführt werden, heißen Bachelor und Master. Gestern aber hat sich die Bundesbildungsministerin Annette Schavan dafür ausgesprochen, künftig wieder Diplomabschlüsse zu vergeben, jedenfalls an den Technischen Hochschulen. Und zwar gerade mit dem Argument, das sei in Abgrenzung zu ausländischen Abschlüssen ein Qualitätssiegel. Birger Hendriks ist Abteilungsleiter Wissenschaft im schleswig-holsteinischen Wissenschaftsministerium und Bologna-Beauftragter der Kultusministerkonferenz. Tag, Herr Hendriks!
Birger Hendriks: Guten Tag, Herr Biesler!
Biesler: Die Argumentation gestern war ja sowohl von den Technischen Hochschulen als auch aus dem Bundesbildungsministerium, man wolle jetzt nicht Bachelor und Master zurücknehmen oder daran was verändern, an der Studienstruktur, sondern nur einen zusätzlichen Titel wieder einführen. Sehen Sie da dennoch eine Abgrenzung vom harmonisierten europäischen Bildungssystem, vielleicht sogar den Beginn einer Abkehr?
Hendriks: Also, ich würde schon eine Abgrenzung sehen. Was die Bundesbildungsministerin angesprochen hat, ist ja anscheinend das Thema Profilierung. Und ich denke, wenn wir uns profilieren, dann sollten wir uns im Sinne unseres Nachwuchses, hoch qualifizierten Nachwuchses – und gerade die Ingenieure bekommen ja eine sehr gute Ausbildung – um Inhalte und um inhaltliche Abgrenzung oder Profilierung kümmern und nicht um Titel. Was wir in Deutschland, aber was wir insbesondere auch in Europa erreichen wollen, ist mithilfe von Transparenz zu wissen, was sind denn Qualitäten und die Kompetenzen, die Abschlüsse aus anderen Ländern oder auch von uns mitbringen? Jeder Arbeitgeber in Europa auch international soll wissen, was der betreffende Absolvent an Kompetenzen aufweisen kann, und dafür ist eine vereinheitlichte Abschlusskultur wichtig. Das wird aus Asien so gesehen, das wird auch aus Amerika so gesehen. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit von chinesischen Vertretern gehört, dass das deutsche Bildungssystem, was die Hochschulen angeht, ja jetzt attraktiver sei, weil es eben nicht mehr Diplome vergibt, sondern Bachelor und Master, und damit das System transparenter und mehr akzeptiert im Ausland wird.
Biesler: Das heißt, mit Blick ins Ausland würden Sie sagen, Bachelor und Master sind im Ausland viel besser zu vermitteln – das war ja auch der Ansatz der Bologna-Reform – als ein deutscher Diplomabschluss oder vielleicht ein deutscher Magister oder welche Abschlüsse da noch zu denken sind. Die TU9, der Verbund der Technischen Hochschulen, sagt ja genau das Gegenteil und auch die Bundesbildungsministerin. Die sagt, das Diplom hat im Ausland einen so guten Ruf, dass wir es als Qualitätsmerkmal ganz gut brauchen können, damit unsere Ingenieure im Ausland besser angesehen sind.
Hendriks: Wenn Sie ins Ausland gehen – beispielsweise nach Amerika – und in dortige Unternehmen gehen, was ich gemacht habe, und fragen, wie schätzen Sie denn den Diplomingenieur ein, dann ist dieser Abschluss unbekannt, weithin unbekannt. Wenn Sie in Asien fragen, akademisch bewanderte Leute in Asien, dann kennen die zwar das Diplomsystem, aber sie sagen, wir sind froh darüber, dass es eben Bachelor- und Masterabschlüsse gibt. Also, ich kann überhaupt nicht nachvollziehen und es entspricht überhaupt nicht meiner Erfahrung, dass im Ausland der Diplomingenieur oder das Diplom, der Diplomabschluss und andere Abschlüsse wie Magister bekannter geworden wären. Im Gegenteil, Master und Bachelor sind eigentlich die Abschlüsse, mit denen unser System jetzt gut aufwartet, sich gut aufstellt. Und wenn Sie heute zum Beispiel in die Zeitung gucken, dann sehen Sie, dass die Arbeitsmärkte sozusagen von Tag zu Tag internationaler werden. In einer Zeitung wird heute berichtet darüber, dass es einen Mangel an Ingenieuren gibt, und die Unternehmen sagen, wir besorgen uns das irgendwo im Ausland. Das heißt, hier geht es gar nicht mehr um Diplomingenieure oder um Gradbezeichnungen irgendwelcher speziellen Art, sondern hier geht es darum, dass wir Bachelor und Master für die Internationalität brauchen, dass wir mit unseren Ingenieuren, aber auch mit anderen Abschlüssen sehr gut aufgestellt sein müssen von der Qualität her. Und das sind die wichtigen Punkte für unseren Nachwuchs.
Biesler: Ernst Schmachtenberg, der Präsident des Hochschulverbundes der Technischen Universitäten, hat sich ja gestern hier bei uns bei "Campus und Karriere" dafür ausgesprochen, auch den Übergang von Bachelor zu Master zu erleichtern. Also, auch im Gegensatz zu den Ideen von Bologna den auf den Bachelor folgenden Master im Grunde zum Regelfall zu machen. Das wäre ja dann doch fast wieder ein Diplomstudiengang mit einem Vordiplom, das Bachelor heißt, und einem Diplom, das Master heißt. Meinen Sie, in diese Richtung zielt vielleicht der Vorstoß, dass man jetzt zunächst mal den Diplomtitel wieder einführt, um dann letztlich auch wieder zu den alten Studienstrukturen zurückzukehren?
Hendriks: Das kann ich nicht sagen, das kann ich auch nicht ausschließen, aber es ist jedenfalls in Teilen so, dass die Masterstudiengänge bisher deswegen noch nicht sehr breit nachgefragt werden, weil eben viele Absolventen mit dem Bachelor schon in die Wirtschaft gehen. Wir können sehen, dass von daher die Kapazität der Masterstudiengänge nicht immer ausgelastet ist. Auf der anderen Seite: Selbst wenn das ein Motiv sein sollte, dass ich also einen besseren Anreiz für einen Masterstudiengang schaffe, dann muss man das auf eine auch zukunftsorientierte Art tun, nämlich dadurch, dass man zum Beispiel berufsbegleitende Masterstudiengänge anbietet, dass man Masterstudiengänge anbietet, die eine internationale Orientierung haben und dergleichen mehr. Ich kann das nicht mit einem schlichten Titel, mit einem Etikett erreichen – der oder die macht einen Masterstudiengang, damit die Betreffenden hinterher mehr Geld verdienen, eine bessere Karrierechance haben und so weiter –, und das sind die Dinge, um die wir uns kümmern müssen.
Biesler: Birger Hendriks, Bologna-Beauftragter der Kultusministerkonferenz zum Wunsch nach Wiedereinführung des Diplomabschlusses.
Birger Hendriks: Guten Tag, Herr Biesler!
Biesler: Die Argumentation gestern war ja sowohl von den Technischen Hochschulen als auch aus dem Bundesbildungsministerium, man wolle jetzt nicht Bachelor und Master zurücknehmen oder daran was verändern, an der Studienstruktur, sondern nur einen zusätzlichen Titel wieder einführen. Sehen Sie da dennoch eine Abgrenzung vom harmonisierten europäischen Bildungssystem, vielleicht sogar den Beginn einer Abkehr?
Hendriks: Also, ich würde schon eine Abgrenzung sehen. Was die Bundesbildungsministerin angesprochen hat, ist ja anscheinend das Thema Profilierung. Und ich denke, wenn wir uns profilieren, dann sollten wir uns im Sinne unseres Nachwuchses, hoch qualifizierten Nachwuchses – und gerade die Ingenieure bekommen ja eine sehr gute Ausbildung – um Inhalte und um inhaltliche Abgrenzung oder Profilierung kümmern und nicht um Titel. Was wir in Deutschland, aber was wir insbesondere auch in Europa erreichen wollen, ist mithilfe von Transparenz zu wissen, was sind denn Qualitäten und die Kompetenzen, die Abschlüsse aus anderen Ländern oder auch von uns mitbringen? Jeder Arbeitgeber in Europa auch international soll wissen, was der betreffende Absolvent an Kompetenzen aufweisen kann, und dafür ist eine vereinheitlichte Abschlusskultur wichtig. Das wird aus Asien so gesehen, das wird auch aus Amerika so gesehen. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit von chinesischen Vertretern gehört, dass das deutsche Bildungssystem, was die Hochschulen angeht, ja jetzt attraktiver sei, weil es eben nicht mehr Diplome vergibt, sondern Bachelor und Master, und damit das System transparenter und mehr akzeptiert im Ausland wird.
Biesler: Das heißt, mit Blick ins Ausland würden Sie sagen, Bachelor und Master sind im Ausland viel besser zu vermitteln – das war ja auch der Ansatz der Bologna-Reform – als ein deutscher Diplomabschluss oder vielleicht ein deutscher Magister oder welche Abschlüsse da noch zu denken sind. Die TU9, der Verbund der Technischen Hochschulen, sagt ja genau das Gegenteil und auch die Bundesbildungsministerin. Die sagt, das Diplom hat im Ausland einen so guten Ruf, dass wir es als Qualitätsmerkmal ganz gut brauchen können, damit unsere Ingenieure im Ausland besser angesehen sind.
Hendriks: Wenn Sie ins Ausland gehen – beispielsweise nach Amerika – und in dortige Unternehmen gehen, was ich gemacht habe, und fragen, wie schätzen Sie denn den Diplomingenieur ein, dann ist dieser Abschluss unbekannt, weithin unbekannt. Wenn Sie in Asien fragen, akademisch bewanderte Leute in Asien, dann kennen die zwar das Diplomsystem, aber sie sagen, wir sind froh darüber, dass es eben Bachelor- und Masterabschlüsse gibt. Also, ich kann überhaupt nicht nachvollziehen und es entspricht überhaupt nicht meiner Erfahrung, dass im Ausland der Diplomingenieur oder das Diplom, der Diplomabschluss und andere Abschlüsse wie Magister bekannter geworden wären. Im Gegenteil, Master und Bachelor sind eigentlich die Abschlüsse, mit denen unser System jetzt gut aufwartet, sich gut aufstellt. Und wenn Sie heute zum Beispiel in die Zeitung gucken, dann sehen Sie, dass die Arbeitsmärkte sozusagen von Tag zu Tag internationaler werden. In einer Zeitung wird heute berichtet darüber, dass es einen Mangel an Ingenieuren gibt, und die Unternehmen sagen, wir besorgen uns das irgendwo im Ausland. Das heißt, hier geht es gar nicht mehr um Diplomingenieure oder um Gradbezeichnungen irgendwelcher speziellen Art, sondern hier geht es darum, dass wir Bachelor und Master für die Internationalität brauchen, dass wir mit unseren Ingenieuren, aber auch mit anderen Abschlüssen sehr gut aufgestellt sein müssen von der Qualität her. Und das sind die wichtigen Punkte für unseren Nachwuchs.
Biesler: Ernst Schmachtenberg, der Präsident des Hochschulverbundes der Technischen Universitäten, hat sich ja gestern hier bei uns bei "Campus und Karriere" dafür ausgesprochen, auch den Übergang von Bachelor zu Master zu erleichtern. Also, auch im Gegensatz zu den Ideen von Bologna den auf den Bachelor folgenden Master im Grunde zum Regelfall zu machen. Das wäre ja dann doch fast wieder ein Diplomstudiengang mit einem Vordiplom, das Bachelor heißt, und einem Diplom, das Master heißt. Meinen Sie, in diese Richtung zielt vielleicht der Vorstoß, dass man jetzt zunächst mal den Diplomtitel wieder einführt, um dann letztlich auch wieder zu den alten Studienstrukturen zurückzukehren?
Hendriks: Das kann ich nicht sagen, das kann ich auch nicht ausschließen, aber es ist jedenfalls in Teilen so, dass die Masterstudiengänge bisher deswegen noch nicht sehr breit nachgefragt werden, weil eben viele Absolventen mit dem Bachelor schon in die Wirtschaft gehen. Wir können sehen, dass von daher die Kapazität der Masterstudiengänge nicht immer ausgelastet ist. Auf der anderen Seite: Selbst wenn das ein Motiv sein sollte, dass ich also einen besseren Anreiz für einen Masterstudiengang schaffe, dann muss man das auf eine auch zukunftsorientierte Art tun, nämlich dadurch, dass man zum Beispiel berufsbegleitende Masterstudiengänge anbietet, dass man Masterstudiengänge anbietet, die eine internationale Orientierung haben und dergleichen mehr. Ich kann das nicht mit einem schlichten Titel, mit einem Etikett erreichen – der oder die macht einen Masterstudiengang, damit die Betreffenden hinterher mehr Geld verdienen, eine bessere Karrierechance haben und so weiter –, und das sind die Dinge, um die wir uns kümmern müssen.
Biesler: Birger Hendriks, Bologna-Beauftragter der Kultusministerkonferenz zum Wunsch nach Wiedereinführung des Diplomabschlusses.