So hört es sich an, wenn man auf Island der Atmosphäre im großen Stil CO2 entzieht, um damit das Weltklima zu retten. Was von vorne aussieht wie ein Sammelsurium gigantischer Riesentoaster, sind in Wirklichkeit hocheffektive CO2-Luftfiltersysteme. Ihr technischer Name: Direct Air Capture-Anlagen oder kurz DACs.
Diese Methode könnte ein wichtiges Werkzeug sein, um die globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Dr. Oliver Geden, Politikforscher bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, beschäftigt sich intensiv mit klimapolitischen Fragen zu den Methoden der CO2-Entnahme. Der Leitautor des neusten Weltklimaberichts, erklärt: „Der IPCC hat jetzt nochmal deutlich gemacht im April, dass CO2-removal, die CO2-Entnahme notwendig ist, um Klimaziele zu erreichen, die wir uns alle gesetzt haben. Und Direct Air Capture ist eine Technologie, die sicherlich in Zukunft eine wichtige Rolle spielt.“
Mit einem überdimensionalen Staubsauger vergleichbar
Stark vereinfacht ist das DAC-Prinzip mit überdimensionalen Staubsaugern vergleichbar. Der Unterschied: Große Luftmengen durchströmen eine Kammer mit einem CO2-Filter. Ist der Filter mit CO2 gesättigt, schließt sich die Kammer und wird erhitzt. Durch einen chemischen Prozess scheidet sich das konzentrierte Kohlendioxid ab und wird separiert. Anschließend kann man es beispielsweise in Böden zu Carbonat verpressen, in Gewächshäusern nutzen oder in kohlensäurehaltigen Getränken verwenden.
Climeworks ist eines der wenigen Unternehmen weltweit, das diese Technologie entwickelt. Die Zukunftsvision des Unternehmens beschreibt Dr. Carlos Härtel, Chief Technology Officer bei Climeworks, so: „Die Zukunft muss vor allen Dingen die Hochskalierung der Technologie bringen. Ich glaube, dass es eine realistische Chance gibt, im Bereich von einer Milliarde plus minus Tonnen im Jahr 2050 zu sein. Ich denke, dass wir da im Bereich von hunderten Millionen zehn Jahre früher sein müssen. Und um das Jahr 2030 herum, zumindest einige Millionen Tonnen weltweit als Kapazität aufgebaut haben müssen. Das ist machbar.“
Technik noch nicht ausgereift
Zum Vergleich: Die Weltbevölkerung emittiert jährlich rund 36 Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Machbar sind die Unternehmensziele vielleicht schon. Aber die Entwicklung der Technologie ist noch nicht vollständig abgeschlossen und vergleichbar mit ersten Prototypen von Autos. Deshalb sind die Entwicklerinnen und Entwickler heute noch weit von ihren 2050er-Zielvorgaben entfernt.
In Hellisheidi auf Island steht Orca, die erste kommerziell nutzbare Anlage des Unternehmens. Versorgt wird sie mit Thermalenergie, direkt aus dem Untergrund. Orca ist der größte DAC-Komplex weltweit und entzieht der Luft 4.000 Tonnen CO2 pro Jahr. In zwei Jahren wird Mammoth ein neues DAC-Zeitalter einläuten. Im Vergleich zu Orca ist Mammoth in der Lage, der Atmosphäre pro Jahr rund neunmal mehr Tonnen Kohlendioxid zu entziehen. Doch schon Orca ist ein Durchbruch, denn sie beweist: Technisch ist die Entnahme großer Mengen CO2 aus der Atmosphäre möglich. Ein Meilenstein, der hilft, Investoren, Politiker und Unternehmen von dieser Technologie zu überzeugen.
Dr. Eli Larson vom britischen Think-Tank Carbon Gap in Oxford sieht Parallelen zwischen der Entwicklung von Solarzellen in den 1990ern und DACs heute. „Je mehr wir davon bauen, desto geringer werden die Kosten. Aber natürlich müssen die Regierungen eingreifen und dabei helfen, das in Gang zu bringen. Und in Europa haben wir eine große Tradition darin. Die Deutschen mit der Energiewende. Das war wirklich ein Geschenk, das sie der Welt machten und dazu beitrugen, Solarenergie so viel billiger zu machen.“
"Was ist der richtige Anteil dieser Technologien?"
Entzieht man der Luft CO2 mit Hilfe der DAC kostet die Tonne rund 800 bis 1000 Euro. Das ist im Vergleich zum klassischen Carbon Off-Setting, mit dem Unternehmen und Privatperson ihre eigenen Emissionen neutralisieren können, heute noch extrem teuer. Um die Technologie langfristig günstig zu machen, muss die CO2-Entnahme erst zu einem etablierten Teilbereich der internationalen Klimapolitik werden. Bedeutet: Wann welche Methoden als klimapolitische Instrumente in welchem Umfang genutzt werden sollen, ist noch nicht geklärt.
„Also, was ist der richtige Anteil dieser Technologien? Welche Methoden für CO2-removal, es gibt ja auch noch zehn andere, sollten wir bevorzugt bearbeiten? Wie integrieren wir das in unsere Regulierung? Zum Beispiel packt man das in das Emissionshandelssystem, das wir schon haben, oder machen wir Vorgaben, wie viel von bestimmten Methoden genutzt werden muss?“
Die klimapolitischen Antworten zu diesen Fragen dürften auch Investoren brennend interessieren. Hinzu kommt: Insbesondere das Aufheizen der Filter auf 80 bis 100 Grad Celsius, um CO2 abzuscheiden, ist besonders energieintensiv. Folge: Die Ökobilanzen von DACs sind nur dann positiv, wenn sie regenerative Energiequellen nutzen.
„Direct Air Capture erfordert derzeit noch immens viel Energie. Daher müssen wir natürlich unsere Produktion sauberer Energie massiv steigern, um dies mit Direct Air Capture zu kombinieren, um tatsächlich mehr Kohlenstoff zu entfernen.“
Heutige Grenzen und zukünftige Potenziale
Die Ergebnisse einer Nature-Studie bringen ein weiteres Problem auf den Punkt: Heute wären 3.683 DAC-Anlagen mit einer CO2-Entnahmeleistung von 100.000 Tonnen pro Jahr nötig, um der Atmosphäre gerade mal ein Prozent der jährlichen CO2-Emissionen zu entziehen. Das ist kontraproduktiv, denn der Strombedarf der DAC-Systeme würde damit das globale Stromangebot überschreiten.
Ein Problem, an dem Ingenieure auf Hochtouren arbeiten. Die Studie kommt aber zu dem Gesamtergebnis, dass die DAC-Technologie schon heute einen guten Weg aufweist, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu holen. Man darf nicht vergessen, dass die Technologieentwicklung zwar noch in den Anfängen steckt, aber riesige Potenziale offenbart.