
Bernhard Haitink mache kein Aufhebens um seine Person, sagt Peter Hagmann, langjähriger Musikkritiker der Neuen Zürcher Zeitung. "Er hat einen sehr pragmatischen Zugang zu seinem Beruf. Er ist ein Musiker, der mit nichts Aufsehen erregt und gerade dadurch Aufsehen erregt."
1975 hat Peter Hagmann Haitink zum ersten Mal im Konzert erlebt, er stellte sich einen groß gewachsenen Mann mit breiten Schultern vor. Im Interview traf er dann aber einen "relativ kleinen, feinen Mann, der sehr leise gesprochen hat" und der jeden gesprochen Satz sogleich hinterfragte.
Ausgangspunkt ist die Partitur
Haitink war fast 30 Jahre lang Chefdirigent des Concertgebouw Orchester in Amsterdam. Dass er sich schon in jungen Jahren, mit Anfang 30, auf dieser Position so lange halten konnte, erklärt Hagmann mit Haitinks Loyalität der Institution gegenüber. Das Orchester habe sich hinter seinen Dirigenten gestellt, als ihm eisiger Widerstandswind ins Gesicht blies, weil er Sparmaßnahmen abgelehnt und abgewandt habe. Am Ende habe Bernhard Haintink aber nicht bemerkt, "was um ihn rum gespielt wurde", erklärt Hagmann und er sei über eine Intrige gestolpert. 1988 verließ Haitink das Concertgebouw Orchester und kehrte für fünf Jahre nicht an dieses Dirigentenpult zurück.
Peter Hagmann schätzt Haitink besonders dafür, dass er sein Ich nie über das musikalische Werk gestellt habe, so wie viele Dirigenten es heute täten. "Für ihn hat das Werk an sich eine derart hohe Kategorie, dass er sich dem immer und immer wieder unterwirft und ich bin sicher, dass man das einfach hört."
Peter Hagmann / Erich Singer
"Bernard Haitink – Dirigieren ist ein Rätsel"
Gespräche und Essays
Bärenreiter / Henschel, Kassel 2019
184 Seiten
24,95 Euro
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