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Dirigent unter der Haut

Medizin. – Dieses Jahr feiert der Herzschrittmacher seinen 50. Geburtstag. Dennoch bleibt Ingenieuren und Ärzten immer noch Spielraum für Verbesserungen. So wurde in Berlin ein Herzschrittmacher implantiert, der sich an Belastungssituationen anpasst und sogar mit dem Arzt kommuniziert.

Von Volkart Wildermuth |
    Aus der Brust von Monique Pchalek piept es. Gerade hat ihr Arzt ihren brandneuen Herzschrittmacher getestet. Würde dieser Alarmton außerhalb der Untersuchung ertönen, dann wüsste die 30jährige Brandenburgerin, es ist höchste Zeit eine Klinik aufzusuchen. Sie leidet an einem angeborenen Herzfehler, vor zwölf Jahren bekam sie ihren ersten Herzschrittmacher, doch nach der Geburt ihrer Tochter gerieten die beiden Herzkammer außer Takt. Ihr Herz wurde schwächer:

    „Körperliche Einschränkungen zum Beispiel beim Fahrradfahrern, wenn ich weitere Strecken laufe, schwerer Luft.“

    Dr. Björn Peters vom Deutschen Herzzentrum entschied sich, ihr den modernsten aller Herzschrittmacher einzusetzen. Er stammt aus den USA und wurde gerade vor zwei Wochen zugelassen. Monique Pchalek hat ihn als weltweit erste Patientin erhalten. Das Gerät ist so groß wie ein Päckchen Spielkarten und sitzt zwischen Haut und Brustmuskel. Drei feine Drähte hat der Kardiologe unter Röntgenkontrolle durch die große Hohlvene Richtung Herz vorgeschoben.

    „Die Elektroden werden in die rechte Herzkammer, in den rechten Vorhof und über den Koronarsinus, das ist eine Vene, die das blaue Blut aus den Herzkranzgefäßen abtransportiert, in die linke Herzkammer gelegt. Es werden also drei Elektroden implantiert, die stimulieren und dort auch Signale ableiten können.“

    Das Gerät übernimmt viele Aufgaben. Zunächst bringt es die beiden Herzkammern wieder in denselben Takt. Während alte Schrittmacher mit der Monotonie eines Uhrwerks ticken, reagiert die moderne Variante Sekunde für Sekunde auf die Herztätigkeit. Schlägt es zu langsam, hilft ein Impuls dem Herzen auf die Sprünge. Zusätzlich erkennt der kleine Computer auch das gefährliche Herzflimmern.

    „Das ist ein ganz wichtiger Punkt, diese Patienten können einen plötzlichen Herztod erleiden durch diese schnellen Rhythmusstörungen und das kann durchaus sein, das wissen wir aus verschiedenen Studien, dass die erste Rhythmusstörung eine tödliche sein kann und diese Gerät kann diese Rhythmusstörung erkennen und kann sie behandeln.“

    In dem es einen zwar schmerzhaften, aber lebensrettenden Stromschlag auslöst. Der besonders Clou des neuen Herzschrittmachers ist, dass er die Herzfunktion nicht nur überwacht, sondern auch aufzeichnet. Mit einer Art Fernbedienung kann Monique Pchalek die Daten auslesen und per Modem an die Ärzte übertragen.

    „Wir sehen hier bei einer Abfrage auf dem ersten Bild die wichtigsten Messwerte, die der Schrittmacher erhoben hat, ob er irgendwelche Schocks abgegeben hat, ob er stimulieren musste. Und wir können jetzt in Echtzeit ein EKG ableiten. Sie sehen also die elektrische Herztätigkeit der Patientin, ohne dass wir ein EKG an die Patienten aufkleben mussten, das können wir über die Funkübertragung erhalten.“

    So lässt sich aus der Ferne eine mögliche Verschlechterung der Herzfunktion diagnostizieren, die Monique Pchalek vielleicht noch gar keine Beschwerden verursacht. Björn Peters kann dann frühzeitig mit Medikamenten gegensteuern und so schwerwiegenderen Problemen vorbeugen. Das ist gut für Monique Pchalek und gut für die Krankenkassen, denn auf lange Sicht ist es möglich, dass die höhere Investition in den rundum sorglos Herzschrittmacher sich auch finanziell über eingesparte Krankenhausaufenthalte rechnet.

    Aus Monique Pchalek Brust ertönt ein neuer Ton. Entwarnung, ihr Herz schlägt Dank des künstlichen Dirigenten im richtigen Takt. So kann es sich stabilisieren, in den nächsten Monaten vielleicht sogar stärken. Schließlich will die Bürokauffrau bald wieder Arbeiten und sich um ihre Tochter kümmern. Sie hofft,

    „dass ich schnell gesund werde, dass es nicht dazu kommt, dass ich ein Spenderherz brauche.“