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Discos gegen GEMA

Ob in Discos bei Stadtfesten oder beim Karneval - überall wird Musik gespielt. Für die Nutzung der Musik müssen Gebühren an die GEMA gezahlt werden. Deren neue Tarife könnten für viele Clubs und Discos den wirtschaftlichen Ruin bedeuten.

Roman Rackwitz |
    Sonntag, drei Uhr morgens: Auf der Tanzfläche der Distillery im Süden von Leipzig drängt sich das Partyvolk. Seit 20 Jahren wird hier getanzt und gefeiert, die Distillery zählt zu den ältesten und einflussreichsten Techno-Klubs in Deutschland. Doch nach Feiern ist Steffen Kache, der Betreiber des Clubs, momentan nicht zumute. Die GEMA, die Verwerungsgesellschaft der Komponisten und Textdichter hat Tariferhöhungen angekündigt und die seien für ihn existenzgefährdend.

    "Im Moment beträgt die monatliche GEMA-Gebühr die wir zahlen müssen ca 600 €, sie steigt dann, dass haben wir ausgerechnet, auf umgerechnet 87.000€ im Jahr, d. h., das sind ungefähr 8000 Euro im Monat."

    Eine Tarifsteigerung um mehr das Zehnfache. Kein Einzelfall, viele weitere Musikkneipen und Diskotheken werden ab dem kommenden Jahr ähnliche Kostensteigerungen hinnehmen müssen. Der Grund: Die GEMA möchte dann jede Veranstaltung einzeln abrechnen - und zwar abhängig von der Größe des Clubs und dem Eintrittspreis. Jürgen Baier, Tarif-Beauftragter der GEMA erläutert bei der Verleihung des Musikautorenpreises in Berlin, warum die bisher bestehenden Pauschaltarife abgeschafft gehören.

    "Diese Pauschaltarife, die sahen vor z. B. bis zu 16 Veranstaltungstage im Monat bei einem sehr niedrigen Tarifsatz, unabhängig von Frage ob Club ein oder. 16 Tage offen hat, war der gleiche Preis. Im neuen Tarif wird jeder Spieltag gesondert abgerechnet, was selbstverständlich auch gerechter wird."

    Zehn Prozent aller Ticketeinahmen fordert die GEMA von den Diskotheken ab dem kommenden Jahr. Ein Gebührenanstieg, den Steffen Kache von der Distillery in Leipzig hinnehmen würde, wenn auch zähneknirschend. Doch bei ihm wie auch bei vielen anderen Klubbetreibern greift eine Zusatzklausel im neuen Tarifwerk: Bei Veranstaltungen mit einer Dauer von mehr als fünf Stunden wird aller drei Stunden ein 50-prozentiger Aufschlag fällig. Doch das ist noch nicht alles: Neben der Verwertungsgesellschaft der Komponisten und Texter möchte auch Verwertungsgesellschaft der Musikinterpreten, die GVL ein größeres Stück vom Kuchen.
    Dadurch muss Steffen Kache zukünftig bis zu einem Drittel seiner Ticketeinnahmen an die Verwertungsgesellschaften abführen. Um da noch wirtschaftlich arbeiten zu können, müsste er den Eintrittspreis deutlich erhöhen – auf 14 Euro. Doch bei solchen Preisen befürchtet er, bleibe das Publikum aus.

    "Wenn die Tarifstruktur so kommt, wie das geplant ist, heisst das klipp und klar: Ende der Veranstaltung. Mit den neuen GEMA-Gebühren werden letztendlich bestimmte Arten, Veranstaltungen zu organisieren, Clubs zu organisieren, nicht mehr möglich."

    Szenenwechsel: Glauchau, eine typische Kleinstadt im Südwesten von Sachsen. Günter Steinert sitzt im Elferratszimmer des städtischen Theaters, an den Wänden hängen zahllose Bilder-Höhepunkte aus letzten Jahrzehnten Karnevalkultur in der Stadt. Günther Steinert ist Präsident des Glauchaer Carneval Club. Trotz knapper Budgets stellt der Verein jedes Jahr fünf Karnvevals-Veranstaltungen für insgesamt 2000 Zuschauer auf die Beine.

    Bisher führt der Glauchaer Carneval Club zwölf Prozent seines Budgets an die Verwertungsgesellschaften ab. Ähnlich wie bei der Distillery in Leipzig würde sich dieser Betrag im kommenden Jahr auf 30 Prozent des Gesamtbudgets erhöhen. Mehr Geld für die Verwertungsgesellschaften bedeutet also weniger Geld für die Veranstaltung. Und so überlegt Günther Steinert krampfhaft, an welchen Ecken und Enden er nächstes Jahr sparen soll. Die Karnevalsveranstaltungen im nächsten stehen damit auf der Kippe.

    "Ich würde mir französische Verhältnisse wünschen, da wäre schon lange ein Generalstreik da, da würde keiner der Veranstaltung der GEMA was bezahlen, dann könnten die Tausende Gerichtsverfahren machen bei der Schnelle der Justiz und ausnutzen aller Instanzen ist die GEMA pleite und nicht wir."

    Die Veranstalterszene in heller Aufregung. Auch Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutsche Hotel und Gaststättenverbandes, kurz DEHOGA ist alarmiert. Der Verband vertritt im Tarifstreit mit der GEMA die meisten Musikveranstalter. Normalerweise reden DEHOGA und GEMA miteinander, wenn es um die Ausgestaltung neuer Tarifmodelle geht, doch in diesem Frühjahr sah sich die Dehoga gezwungen, die Verhandlungen mit der GEMA abzubrechen. Zu groß seien die Differenzen gewesen. Grundsätzlich befürwortet die DEHOGA Abgaben an die Verwertungsgesellschaften, doch nicht zu den von der GEMA festgelegten Konditionen.

    "Hier mit diesem Vorschlag ist ja mit keinster Weise die Angemessenheit gewahrt und die ganze Vorgehensweise ohne konstruktive Verhandlungen so eine Tarifreform als vollendet vorzustellen, ist für uns völlig inakzeptabel."

    Die DEHOGA befürchtet, dass sich mit den neuen Tarifen die GEMA-Abgaben für die Mehrzahl aller Veranstalter signifikant verteuert und dadurch einige Betriebe vor dem Aus stünden. Die GEMA dagegen behauptet, dass sie ab dem kommenden Jahr 60 Prozent der Musikveranstalter entlasten. Eine Bedrohung seien die neuen Tarife für die deutsche Club- und Vereinswelt also nicht, so Jürgen Baier von der GEMA.

    "Ein Club mit 300 Quadratmetern und ohne Eintritt bezahlt zukünftig insgesamt an dem Abend 66€. Und wenn ein Club 66 Euro nicht mehr bezahlen kann, dann liegt es nicht an der Urheberrechtsvergütung. Ich schließe ein Klubsterben definitiv aus durch unsere Tariforderungen."

    Diese Aussage gilt aber nur für kleine Clubs mit geringen Eintrittspreisen und wenigen kurzen Veranstaltungen pro Monat. Alle anderen Diskotheken zahlen zukünftig ein Vielfaches mehr, vor allem durch den Wegfall der bisher bestehenden Pauschaltarife und durch Zeitzuschläge ab der sechsten Veranstaltungsstunde.

    Die GEMA hat inzwischen ein Schiedsstellenverfahren beim Deutschen Marken- und Patentamt beantragt. Dort könnten die geplanten Tarife binnen eines Jahres bestätigt werden. GEMA und DEHOGA werden danach ihre Auseinandersetzung wohl vor Gericht weiterführen. Der neue, von der GEMA festgelegte Tarif für Musikveranstalter gilt zunächst ab Januar 2013 bis zur endgültigen richterlichen Entscheidung – und die kann Jahre dauern.

    Abmoderationsvorschlag
    Inzwischen ist das Thema auch in der Politik angekommen. Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat sich vergangene Woche mit großer Mehrheit gegen die geplanten Tarifanhebungen ausgesprochen.