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Disko-Design im Museum
Night Fever in den Tiefen der Clubgeschichte

Popkultur ist ohne Diskotheken und Nachtclubs nicht zu denken. Hier wurden gesellschaftliche Normen in Frage gestellt und neue Wirklichkeiten ausprobiert. Das Vitra Design Museum schickt seine Besucher auf eine Reise durch Subkulturen und Glitzerwelten - auf der Suche nach der endlosen Nacht.

Von Werner Bloch |
    Drei Besucher stehen in einem Raum des Vitra-Designmuseums inmitten pinker und blauer Neonröhren, die ein violettes Licht machen. Kopfhörer hängen von der Decke.
    Die Ausstellung "Night Fever: Design und Clubkultur 1960 - heute" im Vitra Design Museum (Vitra Design Museum / Mark Niedermann)
    "Burn, baby, burn!" Ja, die Hütte muss brennen, am besten gleich der ganze Club. Der lub, früher Disko genannt, ist ein Ort erhöhter Körpertemperatur. Er ist ein Gefühlskompressor, eine Wunschmaschine. Doch in Wirklichkeit steckt hinter dem anarchischen Wogen der Körper Kalkül. Der Club ist ein Kunstraum, ein präzises Ensemble von Tanzflächen, Projektoren, silbernen Diskokugeln und Multimedia. Ein Gesamtkunstwerk, meint der Direktor des Vitra Design Museums, Matteo Kries:
    "Es geht ja um die Herstellung und Gestaltung dieser Energie. Und wo noch stellt sich für einen Designer sonst noch diese Aufgabe? Und wie interessant ist die? Also, dass ich nicht nur nachdenke: Also, ich gestalte nicht nur diese Wand rot oder grün, aus rein formalen Überlegungen. Ich gestalte all das, weil ich mich am Ende frage: Was erleben die Menschen da drin?"
    Neue soziale Räume
    Der Designer als Schöpfer und Modulator von Energien. Die Folgen sind jetzt in Weil am Rhein zu besichtigen, in einer wirklich umwerfenden Schau: "Night Fever". Wir gleiten durch die unterschiedlichen Musikstile und Epochen. Wir sehen die ersten Clubs überhaupt, an Modellen, Plänen und Möbeln. Sie wurden in den sechziger Jahren durch junge Architekten in Italien entwickelt, die neue soziale Räume schaffen wollten.
    In den siebziger Jahren wurde New York zum Weltzentrum der Clubszene, mit Clubs wie dem "Area" oder dem "Cerebrum".
    "Dieser Bereich hier ist dem 'All at onceness', also der Allgleichzeitigkeit gewidmet, der Gedanke, dass alle Sinneseindrücke gleichzeitig bedient werden, so dass hier in dem 'Cerebrum' verschiedene Gerüche aus den eingelassenen Bodenplatten kamen und man sich, bevor man da reingegangen ist, in weiße Gewänder gehüllt hat. Also, wenn zum Beispiel das Motto Schneesturm war, dann wurde ein heißer Grog servier.", erläutert Maike Wolfschlag, die Assistenzkuratorin.
    Matteo Kries:"'Studio 54', dort kam dann auf einmal dieser Celebrity-Faktor dazu. Warhol ging oft hin, da gingen wichtige Leute hin, da will ich auch dazugehören, also geh ich da auch hin. Und das passt natürlich zu Warhols Ausspruch, dass eben jeder für 5 Minuten ein Star sein kann." Grace Jones war hier. Ein Foto zeigt, wie sie mit kantiger Brille in Unterwäsche an der Bar steht.
    Dem Club gehört die Zukunft
    Night Fever bereist multimedial Clubs in Ibiza, wo House industrialisiert und völlig kommerzialisiert wurde, als Massenerlebnis. In Beirut wird im Club "BO18" unter einer halb geöffneten Glaskuppel auf stilisierten Särgen getanzt.
    Disko ist Weltmacht geworden, es geht aber auch um das Clubsterben in Berlin, wo Clubs wie die berühmte "Bar 25" zumachen mussten, weil sie von Investoren und Eigentümern verdrängt wurden. Das sei eben so, meint Matteo Kries, ein Club könne nicht mehr als ein paar Jahrzehnte überstehen. Aber um das Überleben der Gattung müsse man sich keine Sorgen machen – gerade im Zeitalter der Digitalisierung und der Vereinzelung, wo jeder für sich Musik nur noch auf dem Smartphone hört, gehöre dem Club die Zukunft.
    "Man will wieder in dem Moment sein. Und ich glaube, das Im-Moment-sein-Wollen ist so in uns verankert, dass wir nach Gelegenheiten suchen, das zu tun. Und wo, wenn nicht im Club, ist das so."