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Diskriminierung bei Bewerbungen
Unentdeckte Talente

Wer einen ausländisch klingenden Namen hat, dessen Bewerbung wird bei kleinen Unternehmen oft direkt aussortiert. Viele Firmen befürchten, dass es durch unterschiedliche Kulturen zu Konflikten kommen könnte.

Von Simone Miller |
    Zwei vietnamesische Arbeiter bei ihrer Ausbildung zu Mechatronikern in Chemnitz - Deutschland bleibt bei Zuwanderern beliebt.
    Mitarbeiter in einem DHL Paketzentrum (dpa / picture-alliance / Hendrik Schmidt)
    In den Verladehallen von DHL Freight im Kölner Norden kreuzen sich die Wege von unzähligen Bestellungen. Gabelstapler fahren hin und her, sortieren Pakettürme nach Ankunftsort, machen Sie startklar für ihren Weg ans Ziel.
    Hinter dieser logistischen Leistung steckt eine Menge Arbeit – DHL Freight, der Speditionsbetrieb des DHL Konzerns, hat 4.000 Beschäftigte. Und damit das auch so bleibt, braucht es Nachwuchs.
    Über 400 Auszubildende sind es gerade, je zur Hälfte Männer und Frauen, ungefähr ein Viertel von Ihnen hat einen Migrationshintergrund. Eine von ihnen ist Regina Leis. Anfang zwanzig, einen Fachhochschulabschluss hat sie in der Tasche, eine Migrationsgeschichte im Gepäck und in zwei Sprachen ist sie zuhause.
    "Bei meiner Einstellung wurde ich gefragt, wie ich in Russisch in schriftlich und mündlich bin, eben deshalb, weil die Kommunikation ja sehr wichtig ist in so einem großen Unternehmen und ja ich denke mal, dass das positiv aufgenommen wurde, dass das irgendwo weiterhelfen kann."
    Erzählt die junge Frau, die ihre ersten Lebensjahre in Kasachstan verbracht hat. Wer wie Regina Leis gut ausgebildet ist und dann auch noch zusätzliche sprachliche und kulturelle Kompetenzen mitbringt, der oder die rangiert ganz weit oben im Suchprofil eines international agierenden Unternehmens, wie DHL Freight.
    Ganz andere Erfahrungen macht da Rachid El Jerari. Auch er hat einen Migrationshintergrund – in seinem Fall Marokko. Auch er spricht zwei Sprachen fließend – deutsch und arabisch. Und auch er möchte gerne eine Ausbildung machen, am liebsten eine im Einzelhandel. Zwischen 200 und 300 Bewerbungen hat der 25-jährige schon geschrieben – doch im Moment geht er wieder zur Schule:
    "Zu 80 Prozent habe ich immer nur Absagen bekommen, obwohl ich eigentlich ziemlich gute Noten auf dem Neuner-Abschluss habe, also auf dem Hauptschulabschluss und ja dann dachte ich, versuch es mal so, wenn das so nicht klappt, dann weiß ich auch nicht mehr weiter, ehrlich gesagt."
    Wahrscheinlich ist gerade der Bildungsgrad der entscheidende Unterschied zwischen Regina Leis und Rachid El Jerari. Denn die Absagen kamen beinahe immer als Antwort auf die schriftliche Bewerbung, erzählt der junge Marokaner - in der überwiegenden Mehrheit der Fälle wurde er also nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen.
    Unternehmen fürchten kulturelle Spannungen und Sprachbarrieren
    "Ist halt immer schwer, seine Fähigkeiten zu zeigen, ich weiß ja, was ich kann, vielleicht ist es auf theoretischer Basis halt nicht so perfekt oder so, aber in praktischer Weise bin ich eigentlich ziemlich gut in dem, was ich tue."
    Mit seinen Erfahrungen erlebt Rachid El Jerari genau das, was die Bertelsman Stiftung in einer repräsentativen Umfrage kürzlich herausgefunden hat. Dass nämlich derzeit nur etwa 15 Prozent der ausbildungsaktiven Betriebe junge Menschen mit Migrationshintergrund in der Lehre haben.
    Als Hauptgrund nennen die Betriebe fehlende Bewerbungen, von rund einem Drittel der Unternehmen werden aber auch Bedenken geäußert. Diese beziehen sich meist auf eventuelle Sprachbarrieren und kulturelle Unterschiede. Die könnten sich, so die Furcht, negativ auf das Betriebsklima auswirken.
    Könnte hier als ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren Abhilfe schaffen? Ein wirksames Mittel gegen unbegründete Vorbehalte sein?
    Gregor Berghausen, Leiter der Aus- und Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer Köln, sieht das Hauptproblem etwas anders gelagert. Auf Unternehmerseite habe man oft zu anspruchsvolle Bewerbungsprofile, auf Bewerberseite hätten Suchende mit Migrationshintergrund häufiger einen nur geringen Bildungsgrad:
    "Diese Problematik können Sie nur dadurch lösen, dass Sie die anderen Faktoren, die Jugendliche mit Migrationshintergrund mitbringen, viel stärker in die Profile mit hineinnehmen, wo Sie einfach dann sagen als Unternehmen: Also ich brauche jemand, der eine hohe interkulturelle Kompetenz hat, der Schulabschluss ist mir dann im Zweifelsfall egal."
    Ganz aktuell sehen das aber noch die wenigsten Unternehmen so, fügt Gregor Berghausen noch hinzu. Und so lange Angebot und Nachfrage hier nur auf den zweiten Blick zusammen passen, finden Rachid El Jerari und auch Regina Leis, die anonyme Bewerbung eine vielversprechende Idee.
    Rachid: "Ich glaube, dass das sinnvoll ist – um sich zu zeigen, dass man halt Gas gibt, dass man ihn von seiner eigenen Persönlichkeit überzeugen kann, ich meine, dazu kommt es ja nicht, wenn man immer die Absage kriegt, schon im Voraus."
    Regina: "Klar gibt es immer noch Unternehmen, die dagegen sind, Ausländer einzustellen, und vielleicht würde das dem ein oder anderen die Chance geben, wirklich die Zukunft aufzubauen."