Die freikirchliche Pfingstgemeinde "Alpha und Omega"in Hamburg. Hier hat der 24-jährige Iraner Moustafa eine neue geistliche Heimat gefunden. Vor zwei Monaten hat sich der ehemalige Muslim taufen lassen. Als im Flüchtlingsheim bekannt wurde, dass er und weitere Iraner zum Christentum konvertieren wollen, bekamen sie Ärger mit anderen muslimischen Flüchtlingen:
Nach wochenlangem Mobbing kam es dann zu einem gewaltsamen Übergriff, erzählt Moustafa, ein schlaksiger junger Mann, der seine langen schwarzen Haare zum Zopf zusammengebunden hat:
"Morgens um vier standen sie neben unseren Betten und fingen an, laut den Koran zu rezitieren. Ich war eigentlich wegen des Islam aus dem Iran geflohen und jetzt wurde ich wieder damit konfrontiert. Als sie gesehen haben, dass wir ein Kreuz trugen, haben sie auf den Boden gespuckt und uns als Verräter bezeichnet. Wir standen in der Schlange an, um zu essen und sind dann nach draußen gedrängt worden. Dort haben afghanische Muslime einen von uns attackiert, der Herzprobleme hatte. Dann wollten wir ihn – wir waren zu viert – schützen, aber es kamen noch 20, 30 andere Muslime, die uns geschlagen haben."
Von ähnlichen Vorfällen in einem anderen Hamburger Flüchtlingsheim berichtet der 30-jährige Nasira, der während seiner Flucht in Griechenland zum Christentum gefunden habe.
"Ich bin nicht nur beleidigt, sondern auch geschlagen worden. Das waren meine afghanischen Landsleute. Einer hat mir den Mund zugehalten, damit ich nicht schreien konnte."
Taufen haben Konjunktur
Mitarbeiter der Hamburger Pfingstgemeinde, die Farsi sprechen, gehen in die Flüchtlingsheime und unterstützen vor allem afghanische Flüchtlinge. Missionieren sei im Heim nicht erlaubt, betont Albert Babajan. Der gebürtige Armenier ist Pfarrer der Hamburger Pfingstgemeinde.
"Der Grund, warum die Leute zu uns in die Gemeinde kommen, ist, dass sie voneinander von uns erfahren und sich gegenseitig einladen."
Der Zulauf ist enorm. Sonntags sind unter den 350 Gottesdienstbesuchern rund 250 Flüchtlinge – und jede Woche kommen neue dazu. Im Februar habe er 116 ehemalige Muslime getauft, berichtet Albert Babajan. Im Mai werden es noch einmal über 100 sein.
"Die meisten sind eigentlich von dem Islam enttäuscht, und dadurch, dass sie ein gottgläubiges Volk sind, sind sie offen für andere Religionen. Einige hören davon, dass das ihre Chancen, ein Aufenthaltsrecht zu bekommen, erleichtert, wenn sie zum Christentum konvertieren. Es gibt verschiedene Motivationen."
Übergriffe wegen Konversionen
Doch die Konversionen, die im Islam eigentlich verboten sind, führen zu Unruhen bis hin zu gewalttätigen Übergriffen in Flüchtlingsheimen. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder hat das Thema immer wieder angesprochen.
"Allein die Tatsache, dass Christen und auch Aleviten beispielsweise in Einrichtungen sich nicht mehr sicher fühlen, ist für unser Land kein akzeptabler Zustand", erklärte Volker Kauder in dieser Woche auf einer Fachtagung seiner Fraktion mit dem Titel: "Religiöse Minderheiten in Flüchtlingsheimen besser schützen".
"Es soll überhaupt nicht Stimmung gemacht werden, aber es geht auch nicht, dass Dinge nicht offen angesprochen werden sollen, die einfach einmal da sind."
Verlässliche Zahlen fehlen
Das Problem: Es fehlen belastbare Zahlen, wie viele Übergriffe es gegeben hat, wie gewalttätig diese waren und vor allem: welche Rolle die Religion bei diesen Übergriffen spielt. Gerit Probst ist Koordinatorin in einer Berliner Erstaufnahmeeinrichtung. Sie berichtet über Mobbing gegenüber Minderheiten unter den Flüchtlingen. Allerdings:
"Wir hatten auch Fälle, wo Christen auf uns zugekommen sind und gemeint hatten, wir werden diskriminiert aufgrund der Tatsache, dass wir Christen sind und wenn man das dann näher betrachtet, waren die Vorwürfe haltlos, weil die Menschen so traumatisiert waren, so überängstlich aufgrund ihrer Geschichte."
Der Berliner Erzbischof Heiner Koch warnt davor, die Übergriffe zu dramatisieren:
"Wir haben – Caritas und Malteser – bislang in den Unterkünften nicht erlebt, dass die Verfolgung von Christen ein Massenphänomen ist. Es zeigt sich, dass die Konflikte zwischen Bewohnern schnell entstehen wegen gruppendynamischer Prozesse, die eine eigene Dynamik entwickeln."
Konflikte häufig Folge der Wohnsituation
Caritas und Diakonie betonen, dass es in ihren Einrichtungen zu keinen religiös motivierten Übergriffen gekommen sei. So erklärt die Pressesprecherin der Diakonie:
"Zwar gibt es immer wieder Konflikte, Anfeindungen, Beleidigungen und vereinzelt auch Tätlichkeiten. Diese sind jedoch – so wird mehrfach und nachdrücklich betont – Folge der Wohnsituation in den Unterkünften und nicht religiös motiviert."
Und auch Ender Cetin, der Geschäftsführer der Berlin Sehetlik-Moschee, betont:
"Religion ist nicht der Grund bei den Konflikten. Es geht in der Regel um soziale Probleme. Das ist zu einfach, wenn man das nur auf die religiöse oder die ethnische Schiene schieben will."
Keine Kapitulation
Das sieht Gottfried Martens anders. Er ist Pfarrer der Selk, der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche und betreut viele konvertierte Flüchtlinge. Er fordert einen verbesserten Schutz für diese christlichen Flüchtlinge:
"Wenn das Haus brennt, dann können wir natürlich Grundsatzdiskussionen über Brandschutzmaßnahmen führen. Aber mir geht es jetzt erst mal darum, die Leute aus dem brennenden Haus rauszuholen. Ich möchte, dass es Schutzräume gibt, in die solche Leute kommen können, wenn sie Probleme haben."
Beim Fachgespräch der Unions-Fraktion befürwortet Martens ein nach Religionen getrennte Unterbringung von Flüchtlingen. Das lehnt der Berliner Erzbischof Heiner Koch allerdings ab:
"Wir leben in einem christlich geprägten Land mit Religionsfreiheit, alle müssen das respektieren. Es kann kein Weg sein, vor intolerantem Verhalten gegenüber Christen zu kapitulieren, indem man eigene Unterkünfte für sie einrichtet."
Unbehagen an der Debatte über die Übergriffe auf christliche Flüchtlinge besteht vor allem unter Muslimen. So befürchtet Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Einzelfälle könnten politisch instrumentalisiert werden und Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten sein: "Ich sehe nicht die Religionen als Urheber des Problems, sondern soziale Spannungen, die zum Teil durch Lagerkoller und ähnliches entstehen. Wir sollten tunlichst vermeiden, die Religionen zu instrumentalisieren für politische Botschaften – in welche Richtung auch immer."