Frecher weißblonder Kurzhaarschnitt, sportlicher Rolli, darüber eine Perlenkette - so sitzt die 58-jährige Petra Zais, Landtagsabgeordnete der sächsischen Grünen am großen Konferenztisch im Fraktionszimmer.
Neben ihr hat Manfred Höntsch Platz genommen. Sein grau-weißer Vollbart verleiht ihm einen gutmütigen Ausdruck. Ein verlegenes Lächeln huscht über sein Gesicht. Die beiden sind alte Bekannte, denn Höntsch ist kein Wutbürger, der nicht reden will. Nein, er ist politikinteressiert und hat in der Vergangenheit gemeinsam mit Petra Zais für eine bessere Finanzierung der Freien Schulen in Sachsen gekämpft. Als die Politikerin den Mann auf einer Pegida-Demonstration entdeckte, hat sie ihn zu sich in den Landtag eingeladen.
Zais: "Was stellen Sie sich vor, wie das weitergehen soll. Deswegen wollte ich ja auch wirklich mit Ihnen reden. Wo soll das hinführen? Es muss ja irgendwo einen Lösungsansatz geben. Für mich kann das nicht nur die Straße sein."
Höntsch: "Naja, das ist vielleicht ein bissel zu viel verlangt, Es muss doch zureichen, wenn man zunächst einmal sagt, passt mal auf ihr Politiker, es muss sich was verändern, und handeln muss jetzt nicht Pegida, sondern die, die gewählt sind."
Argumente mit Zahlen
Und Manfred Höntsch, der aus Bannwitz, einem Vorort von Dresden, stammt, räumt ein, dass er sich mit dem Thema Asylbewerber lange Zeit nicht beschäftigt hat, ganz einfach weil die Zahlen so gering waren Der Bannewitzer breitet auf dem Tisch Diagramme und Statistiken aus. Rund 10.000 Asylbewerber sind 2013 in Deutschland anerkannt worden, sagt er und zeigt er auf eine Tabelle.
Höntsch: "Da hätten vier Leute in Bannewitz auftauchen können."
Zais: "Das finde ich aber schon gut, wie Sie das runterrechnen."
Höntsch: "Nee, einer, einer war das. Einer war das voriges Jahr, und 2014 sind's dann 31.000 hier, und das heißt, da hätten vier kommen dürfen, wenn ..."
Zais: "Bei Ihnen auftauchen müssen im Durchschnitt..."
Höntsch: "... wenn das gleichmäßig verteilt ist. Also da habe ich mir dann immer gesagt, selbst wenn die vier gekommen wären, also die hätten wir vernünftig untergebracht und behandelt."
Obwohl die Zahlen schwarz auf weiß vor ihm liegen, sieht Manfred Höntsch keinen Widerspruch zu dem, was die Pegida-Wortführer auf den Montagsdemonstrationen gebetsmühlenartig skandieren, wenn sie vor ungezügelter Zuwanderung warnen.
Höntsch: "Also die haben ja auch aus dem Hauptstadtbrief von Buschkowsky vorgelesen oder so aus anderen Quellen. Das kann einen schon erschrecken. Und dass Leute hier in Sachsen, in Dresden, sagen, wir wollen das von vornherein nicht, dass irgendwann fifty/fifty ist oder so, also das kann ich verstehen."
Petra Zais zieht die schmalen Augenbrauen fragend hoch und kontert. Es gebe sehr wohl positive Beispiele in Deutschland, wo das Nebeneinander funktioniere.
Zais: "Aber in Sachsen kommen wir ja gar nicht dazu, dass wir überhaupt die Chance haben, zu prüfen, ob das bei uns gut oder schlecht funktionieren würde. Da sind Ängste, da sind Vorurteile, da ist auch mal Hass. Und dass finde ich sehr bedauerlich, dass diese Chance nicht diskutiert wird."
Höntsch: "Ja gut, das mögen jetzt auch tatsächlich unterschiedliche Pole sein."
Eine Ponton-Stadt im Mittelmeer
Die 58-Jährige argumentiert ruhig und sachlich, auch wenn man ihr deutlich ansieht, wie sie mit manchen Positionen ihres Gegenübers innerlich zu kämpfen hat Doch als die beiden auf das Thema Wirtschaftsflüchtlinge zu sprechen kommen, bringt der Bannewitzer die Grünen-Politikerin dann doch aus der Fassung.
Höntsch: "Der kühnste Gedanke jetzt war, dass man im Mittelmeer so ein riesige Ponton-Gebilde, so 'ne Stadt baut, wo man sagt ..."
Zais: "Im Mittelmeer?"
Höntsch: "Im Mittelmeer, dort können alle hin und dort können sie zur Schule gehen und lernen und eine Ausbildung machen und sagt, das bezahlt Europa ..."
Zais: "Damit sie nicht reinkommen?"
Höntsch: "Damit sie nicht reinkommen, ja. Da kann jeder mit einem Schlauchboot ran und auch wieder weg."
Zais: "Ach, das finde ich schon zynisch, also dieses Bild finde ich zynisch. Aber, Entschuldigung, das finde ich zynisch!"
Höntsch: "Naja, in den Ländern wird man's nicht machen können und die Alternative ist, ja, sie kommen alle her."
Für den ersten Moment verschlägt es der Grünen die Sprache - sie ist geschockt, mit welcher Kühle der intelligente Mann seine Gedanken formuliert. Die Arme auf dem Tisch verschränkt, den Oberköper leicht nach vorn gebeugt, schüttelt sie verständnislos den Kopf.
Zais: "Das kann ich einfach nicht nachvollziehen, wie man da so kühl jetzt sagen kann: Ja, die müssen doch nicht und da machen wir hier ... Wir lassen da Leute an den Stränden von Nordafrika patroullieren oder wie auch immer. Das macht mich ein bisschen sprachlos. Das muss ich erst verdauen."
Die temperamentvolle Frau lächelt gezwungen, sie reicht Manfred Höntsch zum Abschied die Hand - und wirkt dabei irgendwie kraftlos. Für die Politikerin ist an dieser Stelle die Grenze des Dialogs erreicht.
Zais: "Also, ich brauche hier niemanden, den ich überzeugen will von meiner Vorstellung von Humanität und einer solidarischen Gesellschaft, wo ich genau weiß, dass er das anders sieht. Da hat sich für mich dann auch der Dialog erübrigt. Muss man gucken, wer sich in der Gesellschaft durchsetzen kann. Ich hoffe, dass es nicht Pegida und Co ist."
So das Fazit der Grünen-Politikerin Petra Zais nach einer Bürgersprechstunde mit einem Pegida-Sympathisanten.