Emotionale Reaktionen löste der 1. FC Köln aus mit der Ankündigung, bald die 2G-Regel anzuwenden, also nur noch Geimpfte und Genesene ins Stadion zu lassen. Wie bei diesem Fan: "Dann stell ich mir schon die Frage, warum will ich Mitglied in einem Verein sein, wo ich dann nicht hingehen darf. Der andere Punkt ist: Will ich Mitglied in einem Verein sein, der mich ausgrenzt, der sagt: Es gibt einen Teil der Bevölkerung, den wollen wir nicht mehr dabei haben. Da muss ich dann einfach sagen, das ist dann nicht mehr mein Verein. Da fühle ich mich nicht mehr so wohl, wie ich das vom FC gerne hätte."
Insgesamt aber, beschwichtigt FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle im Deutschlandfunk, sei der übergroße Teil der Fans zufrieden mit dieser Entscheidung. "Bislang haben sich 71 dazu entscheiden, ihre Mitgliedschaft zu kündigen bzw. sie haben es angekündigt. In der Verhältnismäßigkeit bei 113.000 Mitgliedern: Wenn wir einen Trainer entlassen, dann haben wir immer zwischen 250 und 500 Kündigungen."
Kein Fall von Diskriminierung
Natürlich, das ist auch dem Verein bewusst, werden mit diesem Schritt viele Fans ausgeschlossen, auch die, die nicht geimpft werden können, aus medizinischen Gründen beispielsweise. Das ist aber rechtlich absolut zulässig, erklärt der Verfassungsrechtler Prof. Michael Brenner von der Universität Jena: "Ich kann jederzeit einen Vertag abschließen mit einer anderen Person oder eben den Vertragsabschluss auch ablehnen."
Solche Vertragsabschlüsse meine eben auch Besuche in Stadion oder in Gaststätten. "Ich bin ja als Gastronom nicht gezwungen, eine bestimmte Person zu bewirten, und auch als Fußballverein bin ich nicht gezwungen, eine bestimmte Person ins Stadion zu lassen."
Entscheidend sei nur, dass es keine Diskriminierung nach Artikel 3 des Grundgesetzes gebe, so Verfassungsrechtler Brenner. Ein Fußballverein dürfe nicht sagen: "Ich lasse nur Männer ins Stadion und Frauen nicht, das wäre eine unzulässige Differenzierung. Aber, wenn ich jetzt anknüpfe an den Schutz der Gesundheit mit dem Kriterium geimpft/genesen, dann ist das keine unzulässige Differenzierung und insoweit wird den Fußballvereinen auch eine gewisse Gestaltungsmöglichkeit an die Hand gegeben, wie das auch beim 1. FC Köln gemacht wird."
Montgomery: 2G-Regelung wird kommen
Dort will man jetzt den 2G-Weg gehen mit der Ausnahme, dass auch 1.000 Karten für aktuell negativ getestete Personen bereitgehalten werden, die sich nicht impfen lassen können. Auch unter ihnen seien viele Fußballfans, sagt Britta Dassler. Die FDP-Obfrau im Bundestags-Sportausschuss freut sich deshalb über diesen Weg:
"Mir würde so ein Mittelweg richtig gut passen, wo man sagt: Geimpfte, Getestete, Kinder unter 12, Schwangere, Leute, die sich nicht impfen lassen können, mit einem negativen Test ins Stadion zu lassen, weil die Ansteckungsgefahr im Außenbereich gering ist."
Über kurz oder lang werde man an einer 2G-Regelung nicht mehr vorbeikommen, und zwar in weiten Teilen des öffentlichen Lebens, nicht nur bei Kultur und Sport, sagte Welt-Ärzte-Präsident Frank Ulrich Montgomery im Deutschlandfunk.
"In jeder Infektion kann eine neue Mutation entstehen und der oberste Seuchenbekämpfer Amerikas, Professor Fauci, hat ja gerade davor gewarnt, dass wir mit neuen Varianten noch konfrontiert werden. Man mag gar nicht daran denken: Was wäre, wenn wir eine Variante bekämen, die so ansteckend wie Delta, aber so tödlich wie Ebola wäre."
Inzidenz plus Hospitalisierungsrate
"Wir wollen jetzt als Fußball auch nicht fordern, dass wir 2G und ein volles Haus haben, wenn dabei Intensivstationen überlaufen", ergänzt Kölns Geschäftsführer Alexander Wehrle. "Deshalb ist die Hospitalisierungsrate aus unserer Sicht ein ganz wichtiger Punkt."
Wehrle, der auch Mitglied im Präsidium der Deutschen Fußball-Liga ist, hofft, dass es bald andere Kennzahlen und Faktoren gibt und die Frage, ob und wieviele Fans kommen dürfen, nicht mehr nur an der Inzidenz festgemacht wird. Noch spiele der Wert eine wichtige Rolle, aber die Parameter hätten sich verschoben, so Montgomery. "Heute bedeutet eine Inzidenz von 100 nicht ein so Tod bringendes Geschehen, wie wir das noch im letzten Jahr hatten."
In den aktuellen Regeln der Liga heißt es: Steigt die Inzidenz sieben Tage lang am Stück über 35, wird die Zuschauerzahl auf 5.000 reduziert. Die kommunalen Behörden können aber Ausnahmen machen und tun das schon jetzt. Union Berlin durfte zum Saisonstart trotz eigentlich zu hoher Zahlen das Stadion an der Alten Försterei zur Hälfte füllen.
Darüber freut man sich bei Union, weiß aber auch, dass es noch weit weg ist vom "Stadionerlebnis" früherer Tage. "Die Leute, die zu uns kommen, wollen Kontakt haben, Bier abkriegen, springen, ein bisschen ausflippen, verrückt sein", schwärmt Vereinssprecher Christian Arbeit. Davon sei man noch weit entfernt – diese Teilöffnung aber ein erster Schritt.
Volle Auslastung in England, Frankreich, Schweiz
In anderen Ländern sieht es schon anders aus. In insgesamt neun europäischen Ligen durften und dürfen die Stadien bereits wieder komplett gefüllt werden, darunter England, Frankreich, Dänemark oder die Schweiz. Bis es dazu auch in der Bundesliga kommt, setzt man vor allem auf Impfungen – auch am Spieltag selbst vor oder im Stadion.
Denn: Für viele Vereine geht es auch um eine Rückkehr zur finanziellen Normalität. Dem eindringlichen Appell: "Lasst euch bitte impfen" von Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer bei Borussia Dortmund, folgte bei der Bilanzpressekonferenz vor einigen Tagen auch eine wirtschaftliche Erklärung: "Impfen ist der Schlüssel, dass wir irgendwann wieder mit großen Zuschauerzahlen spielen können, um dann irgendwann auch ein Geschäftsmodell zu haben, was schwarze Zahlen abwirft."
Gerade Borussia Dortmund ist davon betroffen, Spieltag für Spieltag geht eine Millionensumme verloren, wenn das mit über 81.000 Plätzen größte Stadion der Liga leer bleiben muss. Planungssicherheit ist das wichtige Stichwort für die Vereine. Der 1. FC Köln und Alexander Wehrle hoffen:
"Wenn 2G, also Genesene und Geimpfte, unter freiem Himmel mit Abstand, mit Hygienekonzept und der Nachvollziehbarkeit der Infektionsketten geht, dann muss es aus unserer Sicht auch möglich sein, perspektivisch wieder ein volles Haus zu haben."
Wann das aber soweit sein wird, das ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar.