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Diskussion um "Armutsmigration"
EU verweist auf klare Regeln bei Sozialleistungen

Die EU-Kommission hat klargestellt, dass es innerhalb der Europäischen Union für Migranten keinen generellen Anspruch auf Sozialleistungen vom ersten Tag an gibt. Sozialkommissar László Andor nannte die Debatten über die sogenannte Armutsmigration "manchmal übermäßig emotional".

13.01.2014
    László Andor am Montag (13.01.14) in Brüssel
    László Andor bemüht sich um Versachlichung der Migrationsdebatte (dpa / picture-alliance / Olivier Hoslet)
    Deutschland dürfe Bürgern aus anderen EU-Mitgliedsstaaten nicht pauschal Sozialleistungen verweigern, verlangt László Andor. Ein Antrag auf Hilfe müsse innerhalb der ersten drei Monate nach der Einreise zumindest geprüft werden. "Es ist aber absolut nicht der Fall, dass Brüssel darauf drängt, vom ersten Tag an soziale Unterstützung zu gewähren", sagte László Andor und reagierte damit auf entsprechende Medienberichte und kritische Stimmen deutscher und britischer Politiker. "Es gibt klare Schutzklauseln im EU-Recht, um Menschen am Missbrauch der Sozialsysteme in anderen EU-Staaten zu hindern." Um den Behörden die Entscheidung zu vereinfachen, legte Andor einen Leitfaden vor.
    "Gewöhnlicher Aufenthaltsort" ist entscheidend
    Andor erläuterte in dem Leitfaden, dass die EU-Staaten Aufenthaltsrecht und Sozialleistungen für Migranten aus anderen EU-Staaten von ihrem Erfolg bei der Arbeitssuche abhängig machen können. "Es gibt keinen Automatismus, dass jemand nach sechs Monaten ein Recht auf einen Wohnsitz erhält." Ein halbes Jahr sei eine angemessene Zeit, um zu ermitteln, ob jemand zumindest eine realistische Chance auf eine Arbeit habe.
    Zudem ist der "gewöhnliche Aufenthaltsort", also das Hauptwohnsitzland, von entscheidender Bedeutung: Dieses Land sei zuständig für Leistungen der sozialen Sicherheit. Generell sei der Aufenthalt in einem anderen EU-Land auf fünf Jahre begrenzt, wenn der Betroffene keine Arbeit gefunden habe und sich finanziell nicht selbst über Wasser halten könne, sagte Andor. Hat ein Sachbearbeiter Zweifel am tatsächlichen Wohnort eines Antragstellers, soll er etwa dessen familiäre Verhältnisse und Bindungen ebenso prüfen wie Dauer und Kontinuität des Aufenthalts, heißt es in dem Handbuch der EU-Kommission. Weitere Kriterien sind die Art und Dauer einer Erwerbstätigkeit, die Wohnsituation sowie die Frage, in welchem Land der Antragsteller seine Steuern zahlt.
    Andor betonte, dass die mehr als 14 Millionen EU-Bürger, die in anderen EU-Staaten leben, insgesamt wesentlich mehr Steuern bezahlten als dass sie Leistungen aus deren Sozialsystemen bekämen.
    Stellungnahme vor dem Europäischen Gerichtshof heftig diskutiert
    Auf die zuletzt heftig diskutierte Zuwanderung von arbeitslosen Menschen aus ärmeren EU-Ländern wie Bulgarien und Rumänien nach Deutschland oder Großbritannien geht der Leitfaden nicht ein. Die Kritik aus Deutschland hatte sich zuletzt um eine Stellungnahme der EU-Kommission für den Europäischen Gerichtshof gedreht, in der die Brüsseler Behörde den generellen Ausschluss arbeitsloser EU-Zuwanderer von Hartz-IV-Hilfen kritisierte. Erst wenn die Zuwanderer eine Beschäftigung aufnehmen, erwerben sie Ansprüche.
    CSU-Chef Horst Seehofer und Unions-Fraktionschef Volker Kauder hatten die Ausführungen der EU-Kommission als lebensfremd und "völlig inakzeptabel" kritisiert. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europa-Parlament, Rebecca Harms, nannte die Debatte populistisch und verfehlt. "EU-Gesetze machen den Missbrauch von Sozialsystemen nicht einfacher und Freizügigkeit muss für alle EU-Bürger gelten - egal aus welchem Land sie kommen." Bulgaren und Rumänen pauschal in die Ecke der Betrüger zu stellen, sei politisch unverantwortlich.