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Diskussion um Asylrecht
"Wir planen keinen Rechtsruck als CDU"

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) betonte im Dlf, dass das Recht auf Asyl nicht verhandelbar sei - auch aufgrund unserer historischen Verantwortung. Parteiinterne Diskussionen - etwa um eine gesamteuropäische Lösung halte er dennoch für legitim.

Holger Stahlknecht im Gespräch mit Christine Heuer |
    Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht hält in Wanzleben (Sachsen-Anhalt) einen symbolischen Staffelstab in den Händen. Er übernimmt den Vorsitz der Innenministerkonferenz.
    Es müsse gestattet sein über gewisse Dinge zu reden, sagte Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht im Dlf: "Und ob die AfD da applaudiert oder nicht, das sollte uns nicht beeindrucken" (dpa / picture alliance / Ronny Hartmann)
    Christine Heuer: Die Kandidatenkür für den CDU-Vorsitz nimmt Fahrt auf. Vorgestern hat Friedrich Merz in Thüringen für Wirbel gesorgt mit der Anregung, endlich mal offen über das Grundrecht auf Asyl in unserer Verfassung zu sprechen; da blinkt ein möglicher Parteivorsitzender ziemlich deutlich nach rechts, sagen seine Kritiker, und von denen gab es gestern viele.
    Am Abend dann wieder ein Dreiertreffen vor der CDU-Basis: Friedrich Merz, Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn, diesmal in Halle an der Saale.
    Mit dabei war Holger Stahlknecht, CDU-Vorsitzender und Innenminister in Sachsen-Anhalt. Er ist jetzt am Telefon. Guten Morgen, Herr Stahlknecht.
    Holger Stahlknecht: Ja, guten Morgen. Ich grüße Sie.
    Heuer: Sie saßen gestern in der ersten Reihe und ich gehe mal davon aus, dass Sie einer von 1001 Delegierten beim CDU-Parteitag in Hamburg sein werden. Für wen haben Sie sich denn entschieden? Haben Sie sich schon entschieden, wen Sie da wählen?
    Stahlknecht: Nein. Ich fand das gestern eine sehr gute Veranstaltung und ich hatte am Anfang zur Begrüßung gesagt, dass die drei so gut sein sollten, dass die Wahl zur Qual wird, und ich glaube, das ist den Kandidaten gestern gut gelungen. Jeder hatte seine Stärken. Und es ist ja eben auch gesagt worden, alle haben gleichmäßig verteilt einen Applaus gekriegt, und es war eine gute Darstellung ihrer politischen Expertisen und Zukunftsvorstellungen.
    Heuer: Friedrich Merz will über das Grundrecht auf Asyl reden. Das ist gerade der politische Aufreger in der Republik. Wollen Sie das auch? Oder gehen Sie sogar so weit, dass Sie sagen, da muss man ran, das muss eigentlich gestrichen werden?
    Stahlknecht: Nein. Wir haben aufgrund unserer historischen Verantwortung und auch aus einem humanitären Gebot überhaupt keinen Grund, über den Artikel 16a überhaupt nur nachzudenken, ihn in Frage zu stellen. Das ist unverhandelbar für mich. Ich habe mich dazu geäußert, nicht zum Artikel 16a, sondern zum Sozialstaatsprinzip im Zusammenhang mit dem Migrationspakt, der ja auch ein Thema ist, was jetzt erst mal angefangen worden ist zu diskutieren, nachdem zwei Jahre darüber nahezu gar nicht geredet worden ist. Aber das Recht auf Asyl in Frage zu stellen, das ist unverhandelbar, das kommt überhaupt nicht in Frage.
    Heuer: Also hat Friedrich Merz da was Falsches gesagt oder angeregt?
    Stahlknecht: Ich war den Abend nicht dabei, als diese Äußerung gefallen ist. Ich habe ihn gestern Abend so verstanden, dass er das in einem europäischen Kontext sehen will, und das sind Dinge, über die man reden kann. Aber wie gesagt, den Artikel 16a in Frage zu stellen, das ist ausgeschlossen. Im Übrigen ist das auch nicht das Thema, was uns bewegt. Die meisten Menschen, die bei uns hier Schutz suchen, sind aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention bei uns und nur sehr wenige nehmen das Recht nach Artikel 16a in Anspruch. Das ist ja gar nicht das, was uns im Augenblick, sage ich mal, wenn ich das mal in Anführungsstrichen formulieren darf, in der Menge bewegt.
    "Der Migrationspakt ist ein Diskussionspunkt"
    Heuer: Haben Sie das Friedrich Merz gestern vielleicht auch noch mal erklärt?
    Stahlknecht: Wir haben da gestern drüber gesprochen, auch im Zusammenhang mit dem Migrationspakt. Ich habe auch gesagt, wir haben zwei Themen, die die strategische Entscheidung die nächsten Jahre über die Tagespolitik beschäftigen werden. Das ist der Klimawandel auf der einen Seite und die Migrationsbewegung, die Flüchtlingsbewegung. 60 Millionen Menschen sind auf der Flucht und wir reden ja gerade auch bei dem Migrationspakt über Fluchtursachen, die nicht mit politischer Verfolgung zu tun haben. Insofern ist es gut, dass dieser Migrationspakt kommt, aber es gibt gewisse Dinge, über die man reden muss, und da sage ich auch, wenn es um den Zugang in die Grundsicherungssysteme geht, dann haben wir in Deutschland die höchsten Standards, weil wir in der Verfassung verankert haben ein Sozialstaatsprinzip. Das ist dann noch mal geschärft worden durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Und es kann dann nur nicht so sein, dass wir die höchsten Standards haben in Europa und vielleicht auch in der Welt und dass das zu einem Pull-Effekt wird. Insofern braucht man auch eine zunächst mal gesamteuropäische Lösung. Das sind Dinge, über die wir jetzt ernsthaft reden müssen, und da hätte man schon viel eher offen drüber reden müssen. Und es ist ja eben auch gesagt worden: Dieses Migrationsthema, auch mit den Erfahrungen aus 2015, bewegt die Menschen nach wie vor und da müssen wir Vertrauen schaffen.
    Heuer: Aber, Herr Stahlknecht, man kann nun nicht im Ernst sagen, dass im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik und der Migration nicht ständig über den europäischen Kontext gesprochen würde. Das passiert doch alles längst. Warum wird dann dieses Fass aufgemacht? Versucht Friedrich Merz, da Wähler zurückzuholen, die nach rechts abgewandert sind?
    Stahlknecht: Das über das im europäischen Kontext geredet wird, das ist ja unstreitig, und wir haben ja auch sehr intensiv (auch nach 2015) mit unseren europäischen Nachbarn darüber gesprochen, wie die Verteilung auszusehen hat. Aber ein Diskussionspunkt ist der Migrationspakt, eine UN-Resolution, und da ist der Eindruck entstanden bei der Bevölkerung, dass dort etwas in Berlin vorbereitet und am Ende beschlossen werden soll, was nicht offensiv genug transparent gemacht worden ist.
    Dieser Kritik schließe ich mich übrigens an. Aber ich sage es noch mal: Unsere Verfassung zur Disposition zu stellen, das findet nicht statt. Das findet auch mit meiner Partei hier in Sachsen-Anhalt nicht statt und dafür haben wir auch keine Notwendigkeit.
    Heuer: Herr Stahlknecht, geht die CDU nicht der AfD auf den Leim, wenn sie jetzt wieder die Themen beackert, die die AfD oktroyiert oder setzt, den Migrationspakt, über den Sie jetzt mehrfach gesprochen haben, oder auch das Grundrecht auf Asyl? Das sind ja auch Reizwörter in der politischen Debatte.
    Stahlknecht: Ich sage noch mal: Das Grundrecht auf Asyl ist nicht in Frage gestellt.
    Heuer: Aber es wird ja darüber gesprochen. Das Thema ist ja gesetzt, und zwar jetzt von der CDU, von Friedrich Merz gesetzt.
    Stahlknecht: Ja, gut. Dann ist darüber gesprochen worden, aber auch mit dem klaren Ergebnis – und das hat ja Herr Merz gestern auch noch mal gesagt -, dass es nicht darum geht, den Artikel 16a im Grundgesetz in Frage zu stellen. Natürlich wird es Themen geben, bei denen die AfD applaudiert. Das kann uns aber auch nicht davon abhalten, dass wir Themen bereden. Das würde ja bedeuten, immer dann, wenn die AfD mal versucht zu applaudieren, dass diese Themen Tabu sind und man nicht darüber reden darf. Ich habe für meinen Teil hier auch als Landesvorsitzender klar in meiner Bewerbungsrede vor etwas über einer Woche gesagt, mit mir wird es zu keiner Zeit eine Koalition mit der AfD geben, und ich bin ein entschiedener Gegner der Politik der AfD.
    Aber es muss doch unsere Aufgabe sein, dort auch Wähler wieder zurückgewinnen, und auch über gewisse Dinge zu reden darf gestattet sein. Und ob die AfD da applaudiert oder nicht, das sollte uns nicht beeindrucken. Wir planen auch keinen Rechtsruck als CDU, sondern wir werden nur die Breite, die wir haben, mehr ausspielen als bislang.
    Recht auf Asyl: "Auch aufgrund unserer historischen Verantwortung nicht verhandelbar"
    Heuer: Herr Stahlknecht, Friedrich Merz sagt, man muss über diesen Grundrechtsartikel auf Asyl sprechen. Man muss ihn vielleicht ergänzen um einen Gesetzesvorbehalt. Er problematisiert das Thema. Darüber freut sich Herr Gauland und Michael Brand, der menschenrechtspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, sagt daraufhin, man gewinnt kein Vertrauen zurück durch taktische Scheindebatten und dadurch, dass man den Populisten auch noch Futter gibt. Das ist Kritik aus den eigenen Reihen. Wie reagieren Sie darauf? Ist Ihnen das denn egal?
    Stahlknecht: Ich habe ja noch mal gesagt, da wiederhole ich mich jetzt, wir werden diesen Artikel 16a nicht in Frage stellen. Und ich habe Herrn Merz auch so verstanden, dass er das nicht vorhat, sondern dass er das in einer gesamteuropäischen Lösung diskutiert haben möchte. Das ist dann am Ende, wenn Sie so wollen, eine Frage, ob Sie noch einen juristischen Gesetzesvorbehalt dort einpflegen. Da brauchen Sie im Übrigen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. Und ob das jetzt im Augenblick wirklich die Notwendigkeit ist, das müsste dann, wenn, vertieft besprochen werden. Aber das sind jetzt auch nicht die Themen, die entscheidend sind. Noch mal: Die Verfassung und auch das Recht auf Asyl, auch aufgrund unserer historischen Verantwortung – und da rede ich jetzt auch als Landesvorsitzender meines Verbandes – ist nicht verhandelbar.
    Heuer: Wir reden über etwas, was Sie nicht für verhandelbar halten, was Friedrich Merz irgendwie auch schon wieder halb zurückgezogen hat. Aber wir reden trotzdem darüber?
    Stahlknecht: Ja! Das ist ja auch in einer pluralen Gesellschaft gestattet. Das macht unsere Freiheit aus.
    Heuer: Holger Stahlknecht, CDU-Vorsitzender und Innenminister ist er in Sachsen-Anhalt. Vielen Dank fürs Gespräch, Herr Stahlknecht.
    Stahlknecht: Danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.