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Diskussion um Ehrentitel
Bitte keinen Doktor Dankeschön

Ihren Doktortitel ist Annette Schavan los. Ein neuer erwartet sie aus Lübeck: eine Ehrenpromotion. Dies habe "ein Geschmäckle", sagte Hochschulverbandschef Michael Hartmer im DLF. Die Universität handle wohl auch aus einem "gewissen Dankesreflex" heraus.

Michael Hartmer, Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes, im Gespräch mit Manfred Götzke. |
    Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) steht am 09.02.2013 im Bundeskanzleramt in Berlin bei einem Pressestatement, um den Rücktritt als Bildungsministerin bekanntzugeben.
    Exbundesumweltministerin Annette Schavan soll von der Uni Lübeck, für ihre Verdienste um die Wissenschaft, den Ehrendoktor erhalten. (Michael Kappeler, dpa picture-alliance)
    Manfred Götzke: Wer keinen Doktortitel hat oder keinen mehr hat, der kann sich immer noch mit einem Doktor h. c. – Doktor honorae causa ((eigentlich: honoris causa)) - schmücken, so er denn mit einem solchen Titel geehrt wird. Bei zwei prominenten Persönlichkeiten ist das sehr bald der Fall. Gestern hat die Universität Rostock entschieden, dass NSA-Enthüller Edward Snowden die Ehrendoktorwürde der Uni Rostock bekommen soll, und morgen wird die Ex-Doktorin und Exbundesbildungsministerin Schavan mit diesem Titel ausgezeichnet von der Uni Lübeck. Beide Entscheidungen sind umstritten, aus ganz unterschiedlichen Gründen. Michael Hartmer ist ordentlicher Doktor und Geschäftsführer des Deutschen Hochschulverbandes. Herr Hartmer, drei Wochen nachdem Richter den Entzug von Schavans Doktortitel wegen Plagiaten bestätigt haben, soll sie von der Uni Lübeck für ihre Verdienste um die Wissenschaft geehrt werden! – Für so manchen klingt das wie ein schlechter Scherz!
    Michael Hartmer: Ja, das kann man so sehen, ist auch sicher eine sehr umstrittene Ehrung. Aber man muss da, glaube ich, zwei Dinge auseinanderhalten. Das eine ist die Sicht der Betroffenen, der Universität Lübeck, die in ihren Positionen, in ihrer wissenschaftlichen Arbeit vielleicht gar nicht mehr vorhanden wäre, wenn es die damalige Entscheidung der damaligen Bundesbildungsministerin nicht gegeben hätte, und einen gewissen Dankesreflex. Der ist menschlich, der ist normal und der ist auch verständlich. Auf der anderen Seite wird man auch in diesem Fall sagen müssen: Es handelt sich um einen akademischen Titel, um eine Ehrenpromotion, und das Verfahren an der Universität Düsseldorf vom Verwaltungsgericht Düsseldorf ist noch nicht abgeschlossen, noch nicht rechtskräftig, wir haben gerade erlebt, dass Frau Schavan in München aus dem Hochschulrat hinauskomplimentiert wurde. Die Sache hat natürlich, wenn man das von einer überregionalen Warte aus sieht, schon Geschmäckle.
    Götzke: Vielleicht müssen wir das noch mal ganz kurz aufdröseln: Der Uni-Präsident begründet die Verleihung ja tatsächlich unter anderem damit, dass Schavan ein Institut an der Uni Lübeck gerettet hat mit Geld vom Bund. Ist das denn überhaupt ein guter Grund, also Dankeschön für Geld?
    Hartmer: Ja, das ist genau die Frage. Man kann natürlich sich auf den Standpunkt stellen und sagen, Frau Schavan hat in ihrer amtlichen Tätigkeit eine Entscheidung getroffen, und warum ist die durch die Universität mit einer Ehrenpromotion zu würdigen? Das ist unter juristischen Gesichtspunkten sicher immer die Frage, ob man einem Amtsträger für irgendeine amtliche Tätigkeit irgendetwas zukommen lassen darf. Und da sind wir schnell natürlich im Bereich der Korruptionsdelikte. Aber es gibt natürlich auch eine menschliche, eine persönliche Seite, sodass man sagen muss, es wird sich wohl um eine Grauzone handeln.
    Götzke: Nach welchen Kriterien, wenn man das überhaupt sagen kann, wird ein Ehrendoktor jemandem zugesprochen?
    Hartmer: Ja, wir haben da zwei Kulturen und auch zwei Richtungen: Die eine Richtung ist vollkommen klar, da geht es darum, dass der zu Ehrende mit der Ehrenpromotion in Anerkennung eigener wissenschaftlicher Leistungen diese Würdigung erhält. Die zweite, mehr angelsächsisch geprägte Tradition ist die, dass man auch allgemein für Leistungen für die Universität, für das Fach geehrt werden kann mit einer Ehrenpromotion. Und diese angelsächsische Tradition hat sich jetzt auch in Deutschland zunehmend eingebürgert. Es gibt viele Promotionsordnungen, die beides vorsehen oder sogar nur das eine und das andere. Man wird sicher sagen, man kommt nicht so sehr in Schwierigkeiten und auch nicht in den Geruch einer Dankesehrenpromotion, wenn man die Ehrenpromotion nur dann verleiht, wenn sie für eigene wissenschaftliche Leistungen zuerkannt wird.
    Götzke: Da sollten wir jetzt vielleicht mal über den NSA-Enthüller Snowden sprechen! Die Uni Rostock hat gestern entschieden, auch ihn mit einem Doktor h. c. zu ehren. Und zwar habe er - ich zitiere mal wieder - einen substanziellen Beitrag zu einem neuen globalen Diskurs über Freiheit, Demokratie und die Rechte des Individuums beigetragen, er sei ein bedeutender Aufklärer unserer Zeit. Ja, und die enthüllten Informationen seien auch von wissenschaftlichem Wert. Entspricht das eher den Kriterien, möglicherweise auch den wissenschaftlichen Kriterien für die Ehrendoktorwürde?
    Hartmer: Die Fakultät hat in Ansehung ihrer eigenen Promotionsordnung natürlich - in Anführungszeichen - das Problem, dass sie die hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen in eigener Person begründen muss. Das hat sie gesehen, hat sieben Gutachten, die ich nicht kenne, eingeholt, und in diesen Gutachten soll ja begründet worden sein, und zwar überzeugend, dass es eigene wissenschaftliche Leistung von Herrn Snowden gibt. Das ist eine Entscheidung der philosophischen Fakultät der Universität Rostock, das ist respektabel, da gibt es dann gute Gründe für. Aber das müsste man erst mal lesen. Also, wie man über diese Klippe hinwegkommt, das muss man erst mal sich genau angucken. Aber wenn das der Fall ist, dann ist das eine respektable Entscheidung.
    Götzke: Da stellt sich ja insgesamt die Frage: Ist der Ehrendoktor überhaupt noch zeitgemäß? Wir haben herausgearbeitet, dass der Titel Doktor h. c. wissenschaftliche Meriten zumindest suggeriert, die nicht immer gegeben sind!
    Hartmer: Ich finde, er ist noch zeitgemäß, wenn man sich darauf besinnen würde, ihn wirklich für eigene wissenschaftliche Leistungen zu vergeben. Er ist sicher infrage zu stellen auch im Vergleich zu anderen möglichen Ehrungen, zum Beispiel Ehrensenatorenschaft oder eine Verdienstmedaille der Universität, wenn es nicht um eigene wissenschaftliche Leistungen geht, wenn es eben ein Doktor Dankeschön ist. Das fängt dann, an für eine Universität, die nur der Wahrheit verpflichtet ist, anrüchig zu werden.
    Götzke: Bitte keinen Doktor Dankeschön, sagt Michael Hartmer vom Deutschen Hochschulverband.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.