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Diskussion um Exxon-Chef als US-Außenminister
"Zurück zur fossilen Außenpolitik"

Die Nominierung von Exxon-Chef Rex Tillerson als US-Außenminister ist für Stefan Liebich, Bundestagsabgeordneter der Linken, keine gute Nachricht. "Da soll jemand Außenminister werden, der gar keine politische Erfahrung hat ", sagte er im DLF. Wie schon bei den anderen Geschäftsleuten im Kabinett Trump, stehe auch hier die Frage des Interessenskonfliktes im Raum.

Stefan Liebich im Gespräch mit Sarah Zerback |
    Der Linken-Abgeordnete Stefan Liebich unterhält sich am 09.10.2013 während der Mittagspause vor einem Hotel in Bersteland (Brandenburg).
    Stefan Liebich ist Obmann der Linksfraktion im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages (dpa picture alliance / Hannibal Hanschke)
    Sarah Zerback: Nun sitzt also ein Immobilienmogul im Weißen Haus, ein Ölmanager mit besten Kontakten nach Russland im Außenministerium. Was heißt das für die künftige US-Außenpolitik und auch für das Verhältnis zur EU, zu Berlin? Darüber habe ich vor der Sendung gesprochen mit Stefan Liebich. Der Bundestagsabgeordnete sitzt für Die Linke im Auswärtigen Ausschuss und er ist Mitglied in der Atlantikbrücke. Mit einem weiteren politischen Newcomer in Washington auf einem so wichtigen Posten, kann das gut gehen?
    Stefan Liebich: Sie haben es selber schon gesagt. Da ist jemand Außenminister oder soll jemand Außenminister werden, der gar keine politische Erfahrung hat, der Chef eines Ölkonzerns ist. Da macht man sich natürlich Gedanken, ob künftig die Leitlinie der US-amerikanischen Außenpolitik sein wird, wo man Öl und Gas findet, also zurück zur fossilen Außenpolitik. Ich finde, das ist alles gar keine gute Nachricht.
    Zerback: Jetzt hat Tillerson, Sie haben es angesprochen, als Ölmanager ja auch einen direkten Draht in den Kreml. Das ist eins der wenigen Dinge, die wir über ihn wissen. Nachdem es in den vergangenen 70 Jahren ja quasi zur DNA der US-Außenpolitik gehört hat, das Verhältnis zu Russland einzudämmen, erwarten Sie da nun eine radikale Wende?
    Liebich: Ehrlich gesagt bin ich da sehr skeptisch. Er kann ja nicht alleine Außenpolitik machen. Die Republikaner im US-Kongress sind in den letzten Jahren nicht dadurch aufgefallen, dass sie eine entspanntere Politik zu Russland versucht haben, und es würde mich sehr wundern, wenn er das völlig umdrehen kann. Ich sage Ihnen aber auch: Bei aller Kritik, und mir ist Putin genauso fern wie Trump und ihr Agieren in verschiedenen Themenbereichen finde ich absurd, aber es wäre für die Welt schon richtig und sinnvoll, wenn die USA und Russland wieder zu einem entspannteren Verhältnis miteinander finden würden. Und wenn er dafür einen Beitrag leisten könnte, das wäre schon gut.
    Zerback: Gleichzeitig könnte es ja in Bezug auf Russland auch mögliche Interessenskonflikte geben mit einem Außenminister Tillerson. Er hat ja als Exxon-Chef zum Beispiel gegen Sanktionen sich ausgesprochen. Als Außenminister, da könnte er die nun tatsächlich aufweichen. Könnte das nicht zum Problem werden, dieser Interessenskonflikt?
    Liebich: Ja, das finde ich insgesamt bei diesem Kabinett ein schwieriges Thema. Trump selbst macht ja überall Geschäfte, in Bereichen, in denen er künftig Politik macht, und auch viele andere Minister, die er vorgeschlagen hat, zum Beispiel diverse Goldman Sachs Manager, obwohl er so sehr gegen Goldman Sachs im Wahlkampf gewettert hat, werden eigene wirtschaftliche Interessen haben. Da sind alte Kumpels, die ihn gerettet haben, finanziell vor seinen diversen Pleiten. Wenn man so Politik macht mit so einem Kabinett von Milliardären, die miteinander geschäftlich verwoben sind, dann kann man die Frage nach Interessenskonflikten aufwerfen und da wird man sehr, sehr aufmerksam sein müssen.
    "Das ist schon ein sehr, sehr schwieriges Kabinett"
    Zerback: Wie lässt sich das denn auflösen? Kann sowohl Trump als auch Tillerson, können die was machen, um da dieses Vertrauen jetzt nicht schon im Vorfeld zu verspielen?
    Liebich: Trump hat ja schon alles dafür getan, das geringe Vertrauen, was man ihm entgegengebracht hat, zu verspielen. Wie er völlig ohne Not einen Konflikt mit China vom Zaun gebrochen hat, der wirklich gefährlich ist, da reibt man sich schon verwundert die Augen. Und selbst wenn man jetzt, wie das ja Trump gemacht hat und wie das Herr Tillerson sicherlich auch tun könnte, wenn man jetzt sagt, ich ziehe mich aus meinen geschäftlichen Interessen zurück, dann wird es ja nicht so sein, dass diese Leute dann ihre Millionen oder Milliarden, die sie auf ihren Konten haben, verschenken, sondern dann werden die woanders geparkt, bei der Familie oder bei Freunden, und damit sind die geschäftlichen Interessen ja nicht weg. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man diese Konflikte auflösen will. Das ist schon ein sehr, sehr schwieriges Kabinett, was sich Herr Trump da zusammengesucht hat.
    "Wir als deutsche Politik müssen klar formulieren, was wir erwarten"
    Zerback: Jetzt haben Sie gerade China angesprochen. Das ist eine der großen außenpolitischen Fragen unserer Zeit, die auch die USA beantworten müssen. Wie ist das Verhältnis zu China, im Syrien-Krieg, Nahost, Ukraine-Konflikt, internationaler Terrorismus? - Jetzt wissen wir bislang ja noch nicht viel über den Politiker
    Tillerson, der ja bisher noch keiner ist. Wie wird er denn wohl zu diesen großen Fragen sich positionieren, was glauben Sie?
    Liebich: Ehrlich gesagt geht es mir da ganz genauso wie Ihnen. Als ich den Namen gehört habe, da wusste ich zwar, dass er ein wichtiger Unternehmer ist, aber trotz intensiver Recherche auch in Vorbereitung für unser Gespräch jetzt ist es mir nicht gelungen, von ihm außenpolitische Positionen ausfindig zu machen. Da haben wir das gleiche Problem wie mit Donald Trump auch. Wir haben ja im Wahlkampf schon die Situation gehabt, dass man nicht wusste, was ist eigentlich sein politisches Interesse, was hat er mit der Welt vor, und da sagt er völlig widersprüchliche Dinge. Da gibt es zwei Strategien drauf zu reagieren. In der Politik in Berlin treffe ich häufig auf die Strategie, die sagt, das wird schon alles nicht so schlimm, der wird eingehegt. Das wird man sicherlich jetzt zum Außenminister auch sagen. Da wird es Berater geben und der kann ja auch nicht alleine agieren. Es gibt ja auch den Kongress und Checks and Balances. Ich finde das schwierig. Wir haben dort jemanden, der US-Präsident ist, der ein Lügner ist, der ein Rassist ist, der ein Sexist ist, und ich glaube, es ist keine richtige Strategie, jetzt tiefzustapeln. Sondern ich finde, hier müssen wir als deutsche Politik unsere Anforderungen klar formulieren und sagen, was wir erwarten, und nicht warten, bis die USA entscheiden, und dann hinterherlaufen, was auch immer sie tun.
    Zerback: Was wäre das denn, was erwarten Sie?
    Liebich: Es gibt zum Beispiel in den letzten Jahren bei Obama einen Trend hin, dass man sich wieder mehr international abstimmt. Im Verhältnis zu George W. Bush war er ja jemand, der gesagt hat, wir bezahlen wieder unsere Beiträge in der UNO, wir haben ein Interesse an Gesprächen beispielsweise zum Klimawandel und wir wissen, hier hat man als USA alleine kaum was zu bestellen, wenn man sich mit der Welt nicht verständigt. Das was Trump bisher signalisiert hat, ist ja dieses Amerika zuerst. Ich glaube, das wird gar nicht mehr funktionieren. So eine Welt gibt es nicht mehr, in der selbst eine so große Macht wie die USA alleine agieren können. Was ich mir wünsche, ich kann ja nicht sagen, dass ich das erwarte, weil ich eher skeptisch bin, aber was ich mir wünsche ist, dass die USA verstehen, dass sie alleine gar nichts entscheiden können, sondern dass man in dieser Welt gemeinsam agieren muss.
    "Die Republikaner haben darauf gesetzt, dass man die Ukraine aufrüstet"
    Zerback: Bisher ist ja tatsächlich auch noch nichts entschieden. Ob es Tillerson in die Regierung schafft, das muss ja der Senat entscheiden bei solchen wichtigen Schlüsselposten. Und auch da ist man sich ja in der eigenen Partei schon unter den Republikanern nicht einig. Wird das die Partei, die Republikaner Trumps noch weiter spalten, was glauben Sie?
    Liebich: Ja ich bin da sehr gespannt. Ich habe es vorhin ja bereits angedeutet. Ich habe die Republikaner in den USA in den letzten Jahren eher als die Kraft erlebt, die in Fragen des Umgehens mit Russland eher eskaliert haben. Am Beginn des Konflikts zwischen Russland und Ukraine, und ich finde das Vorgehen Russlands, das will ich an der Stelle noch mal sagen, falsch und völkerrechtswidrig, aber die Vertreter der Republikaner haben ja darauf gesetzt, dass man die Ukraine aufrüstet, dass man dort mit harter Kante gegen Russland vorgeht, und es war eher Obama, der zum Unwillen der Republikaner gesagt hat, nein, hier sollen die Europäer versuchen, eine Verhandlungslösung zu finden, was ja mit Minsk mehr schlecht als recht auch gelungen ist. Wie man mit diesen Republikanern jetzt einen Weg finden will, wo alle annehmen, der neue Außenminister wird da einen anderen Weg suchen, das ist mir sehr, sehr schleierhaft. Ich glaube, da werden noch ordentlich die Fetzen fliegen.
    Zerback: Was ist denn Ihre Prognose? Wie wird sich das transatlantische Verhältnis unter Tillerson verändern, zur EU, zu Berlin?
    Liebich: Ich glaube, dass wir mit einem Präsidenten Trump - und den muss ich jetzt erst mal als Dreh- und Angelpunkt nehmen - ohnehin, und das war aus meiner Sicht schon länger überfällig, zu einer Situation kommen, wo wir in Deutschland und in der Europäischen Union eine eigenständigere Politik machen müssen. Ich glaube, es funktioniert nicht mehr so, dass die USA nach vorne marschieren und wir hinterhergehen. Es wird Dinge geben, wo Deutschland und die USA gleiche Interessen verfolgen, aber es wird Dinge geben, wo wir einander auch widersprechen. Wenn man einen Präsidenten hat, der sagt, ich leugne den Klimawandel, oder einen Außenminister, der sagt, ich leugne das zwar nicht, aber ich habe das Interesse, eher die fossilen Energien zu fördern, und wir als Bundesrepublik Deutschland da einen anderen Weg gehen, dann müssen wir das so klar formulieren und uns dann auf internationalen Konferenzen auch auseinandersetzen. Da bringt es nichts, auf alte Freundschaften zu setzen, sondern dann muss man sagen, was sind unsere gegenwärtigen Interessen, und dadurch wird das transatlantische Verhältnis anders, ich würde sagen erwachsener. Da kann man dann auch mal nein sagen.
    Zerback: … sagt Stefan Liebich. Er ist Bundestagsabgeordneter für Die Linke und ist Mitglied auch in der Atlantikbrücke. Besten Dank für das Gespräch.
    Liebich: Sehr gerne!
    //Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews