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Diskussion um Gehaltsobergrenze im Fußball
Wie realistisch ein Salary Cap in der Bundesliga ist

Während der Bundesliga-Coronapause ist der Salary Cap von DFL und DFB ins Spiel gebracht worden. Dabei wissen die Fußball-Funktionäre eigentlich, dass eine solche Gehaltsobergrenze kaum einzuführen ist. Es sei denn, die Bundesliga geht voran - und akzeptiert die daraus resultierenden Konsequenzen.

Von Thorsten Poppe |
Spieler auf dem Platz, die Spieler sind nicht zu erkennen, da im Schatten
In der Bundesliga beträgt das durchschnittliche Jahresgehalt pro Spieler 1,75 Millionen Euro (picture alliance/augenklick/GES/Edith Geuppert)
Anfang Mai, noch bevor die Bundesliga ohne Fans den Spielbetrieb wieder begann, brachte Christian Seifert, der Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga DFL, eine Gehaltsobergrenze für Bundesligaspieler ins Gespräch: "Ich habe darüber selber mit dem UEFA-Präsidenten Alexander Ceferin gesprochen, dass das sicherlich Gespräche sein werden, die wir führen müssen. Und zwar in Europa auf gesamteuropäischer Ebene", sagte Seifert im ZDF-"Sportstudio".
"Karl-Heinz Rummenigge war der Erste, der vor Jahren versucht hat, einen Salary Cap einzuführen, wie es in Amerika heißt. Also eine Begrenzung der Löhne in Relation zum Umsatz der Clubs. Ähnlich wie das in den amerikanischen Profiligen gut funktioniert, das könnte in der Tat ein Ansatz sein. Bin auch sehr motiviert, dass im europäischen Kontext zu versuchen."
Wenn Regulierung, dann auf internationaler Ebene
Vor fast zehn Jahren hatte sich Karl-Heinz Rummenigge zusammen mit dem damaligen UEFA-Präsidenten Michel Platini in Brüssel eine Absage geholt. Von der Europäischen Union hieß es, eine Gehaltsobergrenze könne nicht in Einklang mit den Wettbewerbsgesetzen in Europa umgesetzt werden. Als jetzt in der Coronakrise vielen Vereinen finanzielle Schwierigkeiten drohten, hat man sich an diese Idee erinnert, gerade weil häufig selbst durchschnittliche Profis hohe Gehälter kassieren. In der Bundesliga beträgt das durchschnittliche Jahresgehalt pro Spieler 1,75 Millionen Euro.
Das ist natürlich kein rein deutsches Problem. Bernard Caiazzo, der Präsident der französischen Liga, stellt im ARD-"Weltspiegel" klar: "Es braucht Regulierung, und zwar auf internationaler Ebene. Wir verschwenden sonst Geld, wir bezahlen einfach zu viel. Vor allem auch für mittelmäßige Spieler."
Auf Anfrage des Deutschlandfunks äußert sich die EU-Kommission nicht zu der Thematik, und verweist unter anderem auf eine Beschwerde gegen das Financial Fairplay, die 2014 abgelehnt worden ist. Aber selbst falls seitens der EU eine solche Gehaltsobergrenze möglich wäre - die stärkste und reichste Liga Europas, die englische Premier League, spielt spätestens seit dem Brexit nach eigenen Regeln. Sie müsste also freiwillig bei einer solchen Lösung mitmachen. Doch das gilt als eher unwahrscheinlich.
"Die englische Liga steht in Konkurrenz mit der italienischen, diese in Konkurrenz mit der spanischen und der deutschen", erklärt Christoph Breuer von der Deutschen Sporthochschule Köln. "Sie konkurriert eben um das gleiche Talent. Eine nationale Salary-Cap-Lösung hätte somit nur den Effekt, dass ein Talent abwandert in andere Arbeitsmärkte, wo die Einkommensmöglichkeiten nicht begrenzt werden."
Bedeutet also: Nur wenn alle mitmachen, würde eine Gehaltsobergrenze also überhaupt Sinn machen. Diese Erkenntnis ist für den organsierten Profi-Fußball natürlich keine neue, auch nicht in der aktuell geführten Diskussion. Zumal sich in der Bundesliga nicht viel ändern würde, falls man eine prozentuale Obergrenze für Gehaltszahlungen orientiert am Umsatz in Höhe von 30 bis 40 Prozent einführen würde.
Spielerberater: Gehaltsobergrenze "schlichtweg idiotisch"
Marktführer FC Bayern gibt derzeit bei einem Umsatz von rund 750 Millionen Euro etwas mehr als 40 Prozent für Gehälter aus. Vizemeister Dortmund wendet bei einem Umsatz von 500 Mio. Euro etwas mehr als 140 Millionen Euro für den Lizensspielerkader auf. Das sind um die 30 Prozent vom Umsatz. Deshalb müsse man sich erst gar nicht auf diese Diskussion einlassen, meint der Spielerberater Jörg Neblung:
"Eine Gehaltsobergrenze einzuführen das ist schlichtweg idiotisch. Weil wir werden uns mit diesem Konzept komplett ins Abseits treiben, der freie Markt, der in der Welt existiert, wird dazu führen, dass wir alle Topspieler verlieren. Weil sie natürlich dann in England das Doppelte oder Dreifache verdienen können. Und wer kann es ihnen denn dann verdenken? Sie können eben einfach nicht alles regulieren. Der freie Markt ist das, was allem zu Grunde liegt, und der sollte auch tunlichst frei bleiben."
Jörg Neblung
Spielerberater Jörg Neblung: "Wir werden uns mit diesem Konzept komplett ins Abseits treiben" (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
Nationale Alleingänge bedeuten in diesem Fall: Abwanderung der Stars und besten Talente. Doch dieses Risiko solle man eingehen, meint Oke Göttlich, der Präsident des FC St. Pauli. Denn es gehe mehr als um sportlichen Erfolg, internationale Titel habe eine deutsche Vereinsmannschaft ohnehin schon lange nicht mehr gewonnen. Warum dann nicht einfach abspecken und umdenken, so Göttlich, der auch DFL-Präsidiumsmitglied ist, in der ARD-"Sportschau:
"Und die Frage, ob dass die nationale Liga machen kann. Ja, wer denn sonst? Wir sind diejenigen, die die Regel festlegen können, wer an unserem Wettbewerb teilnimmt - und wer nicht. Und wer unter welchen Bedingungen teilnimmt. Und es ist für mich immer unvorstellbar, dass wir uns sehr häufig damit rausreden: Oh aber, wenn die Engländer das nicht machen, dann können wir das auch nicht machen. Da werde ich langsam immer ein bisschen wilder!"
Falls Deutschlands Fußball-Funktionäre einen Salary Cap ernsthaft umsetzen möchten, bleibt wohl nur ein nationaler Alleingang. Damit wäre die Zeit der ganz großen Stars in der Bundesliga wohl beendet, es würde aber auch ein deutliches Zeichen an den Profi-Fußball weltweit senden.