Die ehemalige Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke kann die Aufregung um Kühnerts Thesen verstehen: "Es ist natürlich vor der Europawahl jetzt eine Diskussion, die die Parteiführung sicher nicht gewünscht hätte, aber ich persönlich habe großes Verständnis für Kühnerts Überlegungen."
Juso-Chef Kevin Kühnert hatte mit einem Interview in der Wochenzeitung "Die Zeit" für Empörung gesorgt. Sein Vorschlag, Wohnbesitz zu beschränken, provoziert auch innerparteilich Kritik. Die Hysterie in der eigenen Partei sei nicht überraschend, so Gaschke: "Es geht der SPD besonders schlecht. Jetzt ist die Panik vor der Europawahl sehr groß." Man mache sich angesichts der Lage, in der sich die SPD befinde, auf eine unerfreuliche Situation gefasst. "Ich glaube allerdings, dass mehr Diskussion mittelfristig der SPD mehr helfen würde, weil wir dann wieder mehr Leute mit ihr verbinden würden", sagt die SPD-Politikerin und Publizistin.
"Der Juso-Vorsitzende darf diese Meinung sehr wohl sagen"
Gaschke glaubt allerdings nicht, dass der von Kühnert vorgeschlagene demokratische Sozialismus die Lösung für das Wohnungsproblem in Deutschland sei. "Aber wenn die SPD eine Lösung für das Wohnungsproblem hätte, würde sie das zweifelsohne attraktiv machen"
Es nütze jedoch mehr, über diesen Ansatz zu sprechen, als gar keine Zielvorstellungen bzw. kein Bild von einer Gesellschaft als Ganzes zu haben. Gaschke glaubt, dass die SPD viel gelassener mit der Thematik umgehen würde, wenn sie insgesamt in einer besseren Verfassung wäre. "Man muss nicht der Meinung des Juso-Vorsitzenden sein, aber der Juso-Vorsitzende darf diese Meinung sehr wohl sagen."
Ob aus Kühnerts Vorschlägen nun eine grundsätzliche Debatte entstehe, bleibe abzuwarten, meint Gaschke. "Ich bin etwas skeptisch, weil wir auch in einer Zeit leben, die Debatten sehr schnell hochzieht." Das Thema sei jedoch nachhaltig. Die Aufregungen um Kühnerts Thesen erklärt sich Gaschke auch durch den Mangel an "interessanten linke Positionen". "Hier geht es jetzt um ein Thema, das einfach sehr viele Leute betrifft." Insgesamt werde die Debatte der SPD am Ende wahrscheinlich mehr nutzen. "Ich glaube, dass sie nur wieder auf die Beine kommt, wenn sie insgesamt wieder mehr und intelligenter diskutiert."