Beatrix Novy: Die deutsche Willkommenskultur erschlafft - das wurde schon stehende Rede, als gerade mal die Bilder eines zweiten Schwungs von Flüchtlingen in die Medien kamen noch im Sommer. Aber das konnte nicht herbeigeredet werden: Das Engagement der Zivilgesellschaft ist immer noch nicht erschlafft, allerdings die Bedenken werden deutlicher. Denn so anhaltend hat sich keiner das Problem vorgestellt. Und warum eigentlich nicht? Man hätte es doch besser wissen können, was da kommt.
Das ist eine Begründung, mit der heute in der "Süddeutschen Zeitung" zwei Autoren, Aladin El-Mafaalani und Mark Terkessides, eine institutionelle Bündelung von Migrationsthemen fordern: Der wissenschaftlichen Forschung, der Expertise von Organisationen im Ausland, NGOs in Flüchtlingslagern zum Beispiel, dazu dann die Abteilungen des Innenministeriums, bei dem ja Themen wie Migration, Asyl, Integration, innere Sicherheit und so weiter zusammenkommen, was ja wirklich ein bisschen viel ist.
All das müsse man zusammenführen in einem eigenen Ministerium für Migration, aus als Weg zum Einwanderungsland Deutschland.
Stefan Luft ist Politikwissenschaftler an der Uni Bremen, Integrationsforscher, Verfasser von Büchern mit so wenig reißerischen Titeln wie "Integration von Zuwanderern". Ihn habe ich gefragt: Wäre denn so ein Ministerium zum Beispiel ein Weg, Wohnungen, Asylbescheide, Arbeitsplätze, alles das, was derzeit zu langsam geht, schneller herbeizuschaffen?
Stefan Luft: Die Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland wie andere liberale Staaten auch eine nicht konsistente, eine widersprüchliche Migrationspolitik betreibt, ist ja nicht auf die Tatsache zurückzuführen, dass wir noch kein Migrations- oder Integrationsministerium haben. Da spielen viele Aspekte eine Rolle, dass da viele Akteure unterwegs sind, die starke eigene Interessen verfolgen, beispielsweise die Wirtschaftsverbände, die ja auch über lange Phasen dieser großen Flüchtlingsbewegung in diesem Jahr immer signalisiert haben, der Arbeitsmarkt stehe offen und man könne den großen Teil dieser Menschen, die kommen, auch dort hinein integrieren.
Das hat etwas damit zu tun, dass liberale Staaten Rechtsstaaten sind und nicht eigenmächtig entscheiden können, wen sie aufnehmen, wen sie nicht aufnehmen. Ich habe da meine großen Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass alleine Strukturveränderungen auf dieser Ebene des Bundes große Verbesserungen bringen würden.
Das hat etwas damit zu tun, dass liberale Staaten Rechtsstaaten sind und nicht eigenmächtig entscheiden können, wen sie aufnehmen, wen sie nicht aufnehmen. Ich habe da meine großen Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass alleine Strukturveränderungen auf dieser Ebene des Bundes große Verbesserungen bringen würden.
Novy: Könnte es sogar sein, dass noch eine Behörde noch mehr zeitraubende Dienstwege, kurz nur eine Verlagerung der Probleme bedeuten würde?
Luft: Na ja, es ist zunächst mal die Vorstellung der beiden Autoren, dass die Zuständigkeiten und Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen zentral koordiniert werden sollen.
Das sehe ich mit dem Grundgesetz, mit dem Föderalismus und auch mit den Aufgaben, die die Kommunen haben und die ihnen auch garantiert sind, die Allzuständigkeit, das Eigenverantwortlichkeitsprinzip, das sehe ich zunächst mal als überhaupt nicht machbar an. Das würde sozusagen die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland grundstürzend verändern.
Das sehe ich mit dem Grundgesetz, mit dem Föderalismus und auch mit den Aufgaben, die die Kommunen haben und die ihnen auch garantiert sind, die Allzuständigkeit, das Eigenverantwortlichkeitsprinzip, das sehe ich zunächst mal als überhaupt nicht machbar an. Das würde sozusagen die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland grundstürzend verändern.
Novy: Was die Autoren sich aber doch eigentlich versprechen von einem Bundesministerium für Migration sind neue Leitbilder, die hier entwickelt werden sollen für die Einwanderungsgesellschaft. Kann ein Ministerium Diskurse steuern?
Luft: Das halte ich auch nur für sehr eingeschränkt möglich. Ob die Bundesrepublik Deutschland eine multikulturelle oder eine kulturoffene Gesellschaft ist, ist eine kontroverse Frage, die zur Polarisierung beiträgt. Wenn wir in den Städten, in denen wir Integrationsbeauftragte haben, die die Pluralität, die Interkulturalität, die Diversität und damit auch die Andersartigkeit der Menschen, die kommen, betonen, dann stellen doch empirische Studien fest, dass es keinerlei Hinweise darauf gibt, dass diese Institutionen das Klima vor Ort des gegenseitigen Vertrauens und der Bereitschaft zur Zusammenarbeit fördern.
Also muss auch hier zumindest vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten gemacht haben, doch eine gewisse Skepsis angebracht sein.
Novy: Haben traditionelle Einwanderungsländer explizit Einwanderungsministerien?
Luft: Es gibt in Kanada beispielsweise entsprechende Einwanderungsministerien. Es gibt in Frankreich, das ja auch eine sehr starke Einwanderung hat, auch Großbritannien, keine entsprechenden Ministerien.
Die Frage, ob politische Strukturveränderungen tatsächlich politisch-kulturelle Orientierungen von Gesellschaften verändern, überkommene Pfade auch des Denkens verändern, das ist sehr fraglich, und ganz offensichtlich haben die allermeisten Länder bisher von der Einrichtung solcher Ministerien abgesehen.
Die Frage, ob politische Strukturveränderungen tatsächlich politisch-kulturelle Orientierungen von Gesellschaften verändern, überkommene Pfade auch des Denkens verändern, das ist sehr fraglich, und ganz offensichtlich haben die allermeisten Länder bisher von der Einrichtung solcher Ministerien abgesehen.
Novy: Der Politologe und Integrationsforscher Stefan Luft war das.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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