Im Durchschnitt entscheiden sich in Deutschland jedes Jahr etwa 100.000 Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch. Abtreibung ist zwar in der Bundesrepublik normalerweise rechtswidrig. Sie wird aber nicht bestraft, wenn sie in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen stattfindet und die Frauen sich vorab beraten lassen. Dieser politische Kompromiss ist 20 Jahre alt und hatte damals eine erbitterte Diskussion über Lebensschutz und Frauenrecht befriedet.
Jetzt aber wird wieder über Abtreibung gestritten. Es geht um Paragraf 219a, der besagt, dass für einen Schwangerschaftsabbruch nicht geworben werden darf. Im vergangenen Herbst war eine Ärztin aus Gießen zu einer Geldstrafe verurteilt worden, weil sie auf ihrer Internetseite darüber informiert hatte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornimmt. Nun steht Paragraf 219a zur Debatte, am Donnerstag muss sich der Bundestag damit beschäftigen.
Bis vor kurzem spielte das Werbungsverbot für Abtreibungen eigentlich gar keine Rolle; die Gießener Ärztin war die erste, die überhaupt nach diesem Paragrafen verurteilt wurde. "Es sind christlich motivierte Abtreibungsgegner, die gezielt nach solchen Ärzten suchen und sie anzeigen", sagt DLF-Redakteurin Christiane Florin. Das sei ein relativ neues Phänomen. "Die Verurteilung der Gießener Ärztin ist für diese Gruppen ein Erfolg."
Grüne, Linkspartei und Sozialdemokraten wollen den Strafrechtsparagrafen reformieren oder ganz abschaffen. Umstritten ist das Thema vor allem in den Unionsparteien. Das Argumentationsmuster der Lebensschützer laute: "Eine Partei, die Abtreibung erlaubt, kann nicht christlich sein", so Christiane Florin. Das Werbungsverbot für die Abtreibung berühre also, "was als konservativ-christliches Profil der CDU" bezeichnet wird.