Der rumänische Publizist Gabriel Andreescu galt vor der Wende als Regimegegner. Er hatte in westlichen Medien kritische Texte über das Ceausescu-Regime veröffentlicht und stand damit im Fokus der Securitate. Rund um die Uhr wurde er überwacht, zwischenzeitlich auch festgenommen und später aus Bukarest in eine Kleinstadt verbannt. Andreescu ist einer von zehn ehemaligen Dissidenten in Rumänien. Dass es so wenige waren, verwundert ihn nicht:
"Das ist kulturell begründet, denn in Rumänien gab es keine Tradition einer starken Zivilgesellschaft und damit auch nicht die Form der Solidarität wie in Polen. Dort war zudem die katholische Kirche ein wichtiger Ort für den Widerstand. Bei uns hat hingegen die orthodoxe Kirchenführung vollständig mit dem System kollaboriert."
Ein Securitate-Offizier, der auf Gabriel Andreescu angesetzt war, ist nach der Wende Parlamentarier geworden. Kein Einzelfall, sondern die Regel in Rumänien. Der Geheimdienst blieb zusammen mit der früheren Nomenklatura die Schaltstelle der Macht in Politik, Justiz und Wirtschaft. Seine Akte konnte Gabriel Andreescu bislang nicht einsehen. Mal hieß es, sie sei verbrannt, mal unauffindbar. Andreescu glaubt nur eines:
"In meinen Akten lassen sich viele Informationen über Leute finden, die heute Positionen in der Gesellschaft besitzen und die früher mit der Securitate zusammengearbeitet haben. Diese Leute werden ganz einfach geschützt. Denn der Geheimdienst beherrscht weiterhin das Spiel."
Nicht einmal ein Prozent der Securitate-Offiziere und Informanten ist bis heute enttarnt worden. Das ist zu wenig, um die Vergangenheit zu kennen, meint der Bukarester Schriftsteller Stelian Tanase. Prominent ist er auch, weil er eine wöchentliche Politshow im Fernsehen hat. Vor Jahren durfte er seine Akte einsehen, jedoch nur ein Sechstel davon. Der Rest blieb unter Verschluss. Unter den Spitzeln, die ihn in den 80er-Jahren observiert hatten, waren auch Schriftstellerkollegen:
"Manch Autor wurde zum Informant, um Bücher veröffentlichen zu dürfen. Oder um einen Job zu bekommen, einen Pass fürs Ausland. Die Securitate war eine Mafia, die einem gewisse Privilegien garantierte. Als ich die Akten sah, war ich überrascht, wie viele Informanten es unter den Autoren gab, mehr als ich mir vorgestellt habe."
Tanase hat seine Akte in einem Buch veröffentlicht. Damit wenigstens die Namen der Offiziere und Informanten bekannt werden. Konsequenzen aber hat das so gut wie keine. Das gilt für die Aktenaufarbeitung generell. An zwei Händen ist abzuzählen, wer als Politiker, Jurist oder Künstler nach der Enttarnung zurücktreten musste:
"Das ist sehr frustrierend. Es ist, als ob es keine Bedeutung hat, ob man im Leben moralisch ist oder nicht, korrekt ist oder nicht, ob man lügt oder nicht. Es zählen nur Erfolg, Geld, Macht, ganz gleich mit welchen Mitteln man sie erreicht, und damit bin ich nicht einverstanden."
Eine Diskussion um die Securitate-Verstrickungen hat auch der rumänische Schriftstellerverband lange vor sich her geschoben. 2005 wurde der Verbandspräsident als Spitzel geoutet, es kam zu einer monatelangen Generaldebatte. Am Ende sprachen sich die Schriftsteller nur für eine begrenzte Aufarbeitung aus. Stelian Tanase erstaunt das nicht:
"Der rumänische Intellektuelle wartet darauf, sich an die Macht zu verkaufen. Er arbeitet fleißig, um Botschafter, Minister oder Direktor zu werden. Er fühlt sich unsicher dabei, ein unabhängiger Intellektueller zu sein. Er will dem Staat dienen, einen Job haben. Das ist in allen Epochen so gewesen und eine rumänische Tradition."
Der Publizist Gabriel Andreescu ist auch nach der Wende für die Staatsmacht unbequem geblieben, weil er sich als Menschenrechtler engagiert. Er wird weiter Einsicht in seine Akte verlangen.
"Der Nobelpreis hat die Ex-Geheimdienstler verärgert, denn Herta Müller will, dass Licht ins Securitate-Thema kommt. Und es gibt eine Menge Leute, die das vermeiden wollen. Das Nobelkomitee hat Rumänien einen großen Dienst erwiesen, denn der Preis hält das Securitate-Thema auf der Tagesordnung."
"Das ist kulturell begründet, denn in Rumänien gab es keine Tradition einer starken Zivilgesellschaft und damit auch nicht die Form der Solidarität wie in Polen. Dort war zudem die katholische Kirche ein wichtiger Ort für den Widerstand. Bei uns hat hingegen die orthodoxe Kirchenführung vollständig mit dem System kollaboriert."
Ein Securitate-Offizier, der auf Gabriel Andreescu angesetzt war, ist nach der Wende Parlamentarier geworden. Kein Einzelfall, sondern die Regel in Rumänien. Der Geheimdienst blieb zusammen mit der früheren Nomenklatura die Schaltstelle der Macht in Politik, Justiz und Wirtschaft. Seine Akte konnte Gabriel Andreescu bislang nicht einsehen. Mal hieß es, sie sei verbrannt, mal unauffindbar. Andreescu glaubt nur eines:
"In meinen Akten lassen sich viele Informationen über Leute finden, die heute Positionen in der Gesellschaft besitzen und die früher mit der Securitate zusammengearbeitet haben. Diese Leute werden ganz einfach geschützt. Denn der Geheimdienst beherrscht weiterhin das Spiel."
Nicht einmal ein Prozent der Securitate-Offiziere und Informanten ist bis heute enttarnt worden. Das ist zu wenig, um die Vergangenheit zu kennen, meint der Bukarester Schriftsteller Stelian Tanase. Prominent ist er auch, weil er eine wöchentliche Politshow im Fernsehen hat. Vor Jahren durfte er seine Akte einsehen, jedoch nur ein Sechstel davon. Der Rest blieb unter Verschluss. Unter den Spitzeln, die ihn in den 80er-Jahren observiert hatten, waren auch Schriftstellerkollegen:
"Manch Autor wurde zum Informant, um Bücher veröffentlichen zu dürfen. Oder um einen Job zu bekommen, einen Pass fürs Ausland. Die Securitate war eine Mafia, die einem gewisse Privilegien garantierte. Als ich die Akten sah, war ich überrascht, wie viele Informanten es unter den Autoren gab, mehr als ich mir vorgestellt habe."
Tanase hat seine Akte in einem Buch veröffentlicht. Damit wenigstens die Namen der Offiziere und Informanten bekannt werden. Konsequenzen aber hat das so gut wie keine. Das gilt für die Aktenaufarbeitung generell. An zwei Händen ist abzuzählen, wer als Politiker, Jurist oder Künstler nach der Enttarnung zurücktreten musste:
"Das ist sehr frustrierend. Es ist, als ob es keine Bedeutung hat, ob man im Leben moralisch ist oder nicht, korrekt ist oder nicht, ob man lügt oder nicht. Es zählen nur Erfolg, Geld, Macht, ganz gleich mit welchen Mitteln man sie erreicht, und damit bin ich nicht einverstanden."
Eine Diskussion um die Securitate-Verstrickungen hat auch der rumänische Schriftstellerverband lange vor sich her geschoben. 2005 wurde der Verbandspräsident als Spitzel geoutet, es kam zu einer monatelangen Generaldebatte. Am Ende sprachen sich die Schriftsteller nur für eine begrenzte Aufarbeitung aus. Stelian Tanase erstaunt das nicht:
"Der rumänische Intellektuelle wartet darauf, sich an die Macht zu verkaufen. Er arbeitet fleißig, um Botschafter, Minister oder Direktor zu werden. Er fühlt sich unsicher dabei, ein unabhängiger Intellektueller zu sein. Er will dem Staat dienen, einen Job haben. Das ist in allen Epochen so gewesen und eine rumänische Tradition."
Der Publizist Gabriel Andreescu ist auch nach der Wende für die Staatsmacht unbequem geblieben, weil er sich als Menschenrechtler engagiert. Er wird weiter Einsicht in seine Akte verlangen.
"Der Nobelpreis hat die Ex-Geheimdienstler verärgert, denn Herta Müller will, dass Licht ins Securitate-Thema kommt. Und es gibt eine Menge Leute, die das vermeiden wollen. Das Nobelkomitee hat Rumänien einen großen Dienst erwiesen, denn der Preis hält das Securitate-Thema auf der Tagesordnung."