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Diversität im Klassenzimmer
Unterrichten wird schwieriger

Die wachsende Diversität an Schulen führt dazu, dass die Arbeit von Lehrkräften immer anspruchsvoller wird. Kinder mit Förderbedarf, mit sprachlichen Schwierigkeiten oder verhaltensauffällige Schüler: Sie alle lernen ganz unterschiedlich. Auf einer Tagung in Frankfurt am Main wurde nach Lösungen gesucht.

Von Kim Horbach |
    Die Universität in Frankfurt am Main
    An der Goethe-Universität in Frankfurt am Main wird darüber diskutiert, wie Lehrkräfte mit Diversität in Schule und Unterricht umgehen sollten (picture-alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
    Vor einem Universitätsgebäude stehen Lehrerinnen und Lehrer in Grüppchen zusammen, viele mit einem Becher Kaffee in der Hand. Antje Spahn fährt sich mit der Hand durch die kurzen dunklen Haare. Sie unterrichtet an einer integrierten Gesamtschule und ist mit einer Kollegin zur Tagung nach Frankfurt gekommen. Sie sagt: Die Aufgaben und Belastung steigen von Jahr zu Jahr – mit der wachsenden Diversität.
    "Es kommt alles zusammen: Es sind auf der einen Seite Kinder, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind. Dann sind’s verhaltensauffällige Kinder, die man eigentlich immer hat. Und dann kommen jetzt die Inklusionskinder auch dazu, die in der Klasse mit dabei sind. Und man hat einfach das Gefühl, dass man nicht allen Kindern gerecht wird und das ist einfach eine Schere, die unwahrscheinlich weit auseinandergeht."
    Herausforderung Inklusion
    Ein großes Thema unter den Lehrern hier heute: die Inklusion von förderbedürftigen Kindern. Helen Stevens ist noch nicht lange Lehrerin, erzählt sie – jetzt loszulegen, wo an vielen Schulen die Inklusion noch in den Kinderschuhen steckt, sei für sie eine Herausforderung. Und viele Kollegen versuchten auch, den Anforderungen gerecht zu werden:
    "Zum Beispiel Schularbeiten. Also, teilweise drei verschiedene Schularbeiten zu schreiben für eine Klassenarbeit – es ist fast unmöglich!"
    Nicht nur Inklusion stellt die Lehrer vor neue Herausforderungen. Jeder zehnte Schüler ist Ausländer, für viele ist Deutsch nicht die Muttersprache. Auch Antje Spahn kennt das Problem:
    "Das ist auch schwierig, weil man erstmal rausfinden muss: Auf welchem Leistungsstand sind die Kinder? Dann verstehen die natürlich überhaupt nicht, was ich will, die Kinder können sich mir nicht mitteilen. Die Gespräche mit den Eltern gestalten sich schwierig, dass man’s teilweise mit Handy über Translater macht – also es ist schon nicht so einfach."
    Lehrer brauchen Hilfestellung
    Die Lehrerinnen und Lehrer, die heute zur Tagung gekommen sind, haben eigentlich gerade Ferien. Viele erhoffen sich von den Workshops konkrete Hilfestellungen, um der Diversität in ihren Klassen gerecht zu werden. In einem der Arbeitsräume begrüßt Maike Enders die rund 20 Teilnehmer ihres Workshops.
    "Ich begrüße Sie ganz herzlich, schön dass Sie da sind!"
    "Individuell lernen – gemeinsam arbeiten", so lautet ihr Konzept, das sie vor rund 10 Jahren erarbeitet hat. Die Grundschullehrerin aus Gießen hat darüber ein Buch geschrieben und sagt: Der sogenannte gleichschrittige Unterricht sei das Problem. Alle Schüler lernen das gleiche, haben dieselben Lernwege zur Verfügung und dieselbe Zeit. Den Unterricht individueller zu gestalten, könne da eine Lösung sein, sagt Enders.
    "Inklusion und Integration bedeutet, dass der Lehrer mehr Zeit braucht für diese Kinder. Wenn ich den Kindern Mitbestimmung zugestehe über ihren eigenen Lernweg, dann arbeiten die selbstständig, dann helfen die sich untereinander. Und dann hab ich als Lehrer viel mehr Zeit dafür, mit besonders bedürftigen Kindern – ob das jetzt sprachlich ist oder kognitiv – mich mit denen sehr intensiv zu beschäftigen."
    Unterschiede nicht ignorieren
    Nach Enders Konzept dürfen die Schüler zum Beispiel mitbestimmen, wie lange sie sich mit einem Thema beschäftigen, ob sie in Gruppen lernen und auch, wann sie soweit sind, einen Leistungsnachweis abzugeben. Lehrer müssten Unterstützung von der Politik einfordern, findet Enders – aber auch innerhalb der geltenden Schulgesetze könnten sie den Unterricht so individualisieren.
    "Man kann diese Unterschiedlichkeiten nicht ignorieren und plattmachen. Nicht die Kinder müssen sich ändern – die können sich nicht ändern, die sind unterschiedlich! Sondern: Was wir ändern müssen als Lehrer ist der Unterricht!"