Joe Biden hatte am 20. Januar gerade sein Amt als 46. Präsident der USA angetreten, da griff er auch schon zum Schreiber und unterzeichnete einige so genannte Executive Orders. Eine dieser Verfügungen besagt, dass es verboten sei, Menschen aufgrund ihrer Geschlechts-Identität oder sexuellen Orientierung zu diskriminieren.
Für den Präsidenten seien Transgender-Rechte Menschenrechte, sagt die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki. Zudem glaube Biden daran, dass Kinder nicht diskriminiert werden und imstande sein sollten, Sport treiben zu können.
Konkret geht es darum, dass transidentitäre Mädchen im High School- oder College-Sport gegen biologische Mädchen oder Frauen antreten dürfen. So wie Andraya Yearwood. Die 19-jährige Sprinterin unterzieht sich seit Jahren einer Hormontherapie und läuft seit 2017 gegen Frauen. Dem Fernsehsender MSNBC sagt sie:
"Es bedeutet mir so viel, als Frau zu laufen, das Geschlecht, mit dem ich mich identifiziere. Ich kann einfach ich selbst sein und ich kann erfolgreich sein - und zwar so, wie ich mich einfach fühle."
"Mississippi Fairness Act" schließt Trans-Frauen aus
Ein mutiger Schritt, sagen einige - andere empfinden es als diskriminierend. Zum Beispiel Alanna Smith, Zehnt-Klässlerin und Leichtathletin an einer High School im Bundesstaat Connecticut. Sie meinte bei Fox News:
"Es ist wirklich enttäuschend, wenn wir biologische Frauen jeden Tag viele Stunden trainieren, nur um Zehntelsekunden besser zu werden - und du dann trotzdem vor dem Rennen schon weißt, wer gewinnt."
Die Angelegenheit ist längst eine politische geworden. Und Biden’s Verfügung hin oder her - es ist Sache der einzelnen Bundesstaaten, ob sie es Trans-Frauen erlauben, gegen biologische Frauen anzutreten. Die einzige Möglichkeit, die das Weiße Haus hat: Finanzmittel kürzen oder einbehalten, sollten Schulen sich querstellen.
In 26 Bundesstaaten wird derzeit debattiert. Die konservativen Republikaner sehen die Frauenrechte in Gefahr. Deshalb hat Mississippis republikanischer Gouverneur Reeves kürzlich den "Mississippi Fairness Act" unterzeichnet. Das Gesetz, so Reeves, stelle sicher, dass junge Frauen "nicht dazu gezwungen würden, gegen biologische Männer anzutreten."
"Wir erlauben Vorteile im Sport"
Die Demokraten, wie Anna Eskamani, die im Repräsentantenhaus von Florida sitzt, sehen das Vorgehen der Republikaner als Panikmache auf Kosten von Trans-Frauen:
"Es ist gefährlich für die Gerechtigkeit quer übers Land, dass einige Fälle gezielt von den konservativen Medien aufgebauscht werden, um eine Dynamik gegen Trans-Frauen zu erzeugen."
Joanna Harper lebt seit einigen Jahren in England, verfolgt die Thematik in ihrer amerikanischen Heimat aber genau. Harper ist Doktorandin an der Loughborough University - und beschäftigt sich seit Jahren mit trans- und intersexuellen Athletinnen im Sport. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk betont sie:
"Es gibt einige Vorteile, die Trans-Frauen haben. Im Durchschnitt sind sie größer, schwerer und stärker. Das sind nun mal Fakten. Und damit müssen wir uns einfach befassen. Aber: wir erlauben Vorteile im Sport."
Geringere Grundkraft als Männer
Im Baseball treffen Pitcher, die mit links werfen, auf Offensivspieler, die mit rechts schlagen. Ein sinnvolles Duell, findet Joanna Harper. Als Gegenbeispiel führt sie die Gewichtsklassen im Boxen an. Es würde keinen Sinn machen, so Harper, einen Schwergewichtsboxer gegen einen aus dem Fliegengewicht antreten zu lassen - da hier der größere, schwerere und schlagkräftigere Athlet jedes Mal gewinnen würde.
Und deshalb hebt die Expertin hervor, was aus ihrer Sicht wichtig ist. Die Frage laute nicht, ob Transgender-Frauen einen Vorteil haben, sondern ob es nach der Hormontherapie aussagekräftige Wettkämpfe gegen biologische Frauen geben könne. Für ihre jüngste Publikation haben Harper und ihre Kolleginnen und Kollegen deshalb Trans-Frauen untersucht, die keine Sportlerinnen sind:
"Sie hatten eine geringere Grundkraft als biologische Männer. Beim Handgriff zum Beispiel waren sie bereits vor der Hormon-Therapie 14 Prozent schwächer. Das ist erklärbar. Trans-Frauen würden eher hungern, um wie ein Model auszusehen, als Muskeln zuzulegen, um Athletinnen zu werden."
Geringer Kraftverlust durch die Therapie
Auch wenn die Probanden keine Athletinnen waren, seien laut Harper trotzdem wichtige Erkenntnisse gemacht worden:
"Innerhalb von drei, vier Monaten war der Hämoglobin-Wert vom männlichen Wert auf ein weibliches Level gesunken. Das ist wichtig zum Beispiel für Ausdauersport. Andererseits hatten wir bei Trans-Frauen nur einen sehr geringen Kraft-Verlust während des Untersuchungszeitraums von einem Jahr, bis hin zu, gelegentlich, drei Jahren."
Über die Aussage der Republikaner, dass der Frauen-Sport durch Transgender-Athletinnen in Gefahr sei, kann Harper nur schmunzeln - und verweist auf ein einfaches Beispiel. Seit 2011 erlaubt es der Dachverband für College-Sport, NCAA, Trans-Frauen, nach einer Hormon-Therapie an Wettkämpfen teilzunehmen.
"Wenn Trans-Frauen wirklich den Sport dominieren, warum haben sie das in zehn Jahren nicht in der NCAA geschafft?"