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Diversität in der Wissenschaft
"Niemand will eine Quotenfrau sein"

An den Universitäten in Deutschland sind gerade mal 23 Prozent aller Professuren mit Frauen besetzt. Das sei ein klassisches Muster, je höher in der Hierarchie, desto weniger Frauen, sagte die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger im Dlf. Das läge auch an der Familienfeindlichkeit der Hochschulen.

Barbara Stollberg-Rilinger im Gespräch mit Anja Reinhardt |
Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger
Die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger leitet seit 2018 das Wissenschaftskolleg in Berlin (Wissenschaftskolleg zu Berlin)
"Ich würde sagen, dass ich sehr viel Glück hatte und dass ich wenig Hindernisse in den Weg gelegt bekommen habe", so Barbara Stollberg-Rilinger, die seit 2018 als erste Frau überhaupt das Wissenschaftskolleg in Berlin leitet. Dort können sich Wissenschaftler ein Jahr lang ohne Verpflichtungen einem selbst gewählten Projekt widmen. Sie selbst hat als Fellow dort vor ein paar Jahren ihre preisgekrönte Biographie über die Habsburger-Herrscherin Maria Theresia geschrieben. Ihr selbst, so Stollberg-Rilinger, habe es durchaus genützt, dass sie eine Frau sei- Es habe aber strukturelle Probleme gegeben, die sich bis heute nicht geändert hätten, zum Beispiel in Sachen Kinderbetreuung.
Frauen aktiver und gezielter ansprechen
Frauen seien aus Gründen der Sozialisation immer noch zurückhaltender als Männer, wenn es um die Karriere ginge - dann verhandelten sie zaghafter. Das beobachte sie auch als Leiterin des Wissenschaftskollegs: Frauen verhandelten sowohl mit ihren Universiäten als auch mit ihren Familien weniger entschlossen als ihre männlichen Kollegen. "Von 40 Einladungen sind wir vielleicht bei zehn Frauen erfolgreich", so Stollberg-Rilinger. Eine ausgeglichene Gender-Balance ließe sich nur erreichen, indem man mehr Frauen anspräche und aktiver nach ihnen suche. Eine Initiative wie an der Technischen Universität Eindhoven, wo wissenschaftliche Positionen in den nächsten fünf Jahren nur noch mit Frauen besetzt werden sollen, halte sie allerdings für problematisch. "Niemand will eine Quotenfrau sein."
Historische und allgemeine Relativität von Diversität
Diversität bedeute aber auch, in Regionen und in Disziplinen nach Wissenschaftlern zu suchen, die unterrepräsentiert seien. Dazu müsse man Netzwerke aufbauen, um Ansprechpartner zu haben. "Es gibt genügend qualifizierte Leute in anderen Weltregionen, man muss sie eben nur finden!" Dadurch gäbe es auch eine Zunahme an Perspektiven; und das sei wichtig für die Wissenschaft. Als Historikerin wehre sie sich allerdings dagegen, wenn aus heutiger Perspektive Figuren wie Maria Theresia im Sinne einer Gendertheorie instrumentalisiert würden. "Ich glaube es ist sehr wichtig, dass man sich der historischen und allgemeinen Relativität von Diversität bewusst ist. Zu verschiedenen Zeiten in der Geschichte und in verschiedenen Gesellschaften sind eben verschiedene Merkmale der Diversität strukturell wichtig."