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DIW-Studie
Zuwanderung kurbelt das Wirtschaftswachstum an

Die Zuwanderung von Arbeitskräften hat positive Effekte auf das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Das ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung mit Blick auf die Zuwanderung aus anderen EU-Ländern. Der rege Zuzug ist vor allem auf die gute Lage am Arbeitsmarkt zurückzuführen.

Von Mischa Ehrhardt |
    Bauarbeiter auf einer Baustelle
    Im Schnitt kamen seit 2011 jährlich rund 700.00 Menschen aus EU-Ländern nach Deutschland, um hier zu arbeiten (imago/Rothermel)
    0,2 Prozent haben EU-Ausländer in den vergangenen Jahren zum Wirtschaftswachstum hierzulande beigetragen, haben die Wirtschaftsforscher in ihrer Studie errechnet.
    "Anders gesprochen, wäre die Zuwanderung nicht gewesen, wäre die Wachstumsrate im Durchschnitt der letzten Jahre um 0,2 Prozent niedriger gewesen", sagt Studienautor Marius Clemens. Der Grund für den regen Zuzug ist vor allem die gute Lage am Arbeitsmarkt hierzulande, verglichen mit anderen Ländern der EU. So kamen seit 2011 von den insgesamt rund fünf Millionen EU-Bürgern viele aus osteuropäischen Staaten. Doch auch aus Ländern Südeuropas – etwa aus Italien, Spanien oder Griechenland. Diese Länder sind durch besonders tiefe Krisen gegangen, es herrscht dort hohe Arbeitslosigkeit vor allem unter jungen Menschen.
    "Es gibt auch noch andere Wanderungsgründe, zum Beispiel familiärer Zuzug, aber wir sehen in unserer Modellschätzung, dass ein relativ großer Anteil, mehr als die Hälfte, wegen der guten Arbeitsmarktsituation in Deutschland zugewandert sind."
    Auf positiven Konsumeffekt folgt der Integrationseffekt
    Der Studie zu Folge kamen seit 2011 jedes Jahr im Schnitt gut 700.000 Menschen aus Ländern der EU nach Deutschland. Grundlage für diese Bewegungen ist die so genannte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Sie ermöglicht es Arbeitnehmern in der EU, grundsätzlich in anderen Ländern zu den gleichen Bedingungen wie die einheimische Bevölkerung zu arbeiten. Seit 2011 gilt die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit auch für die 2004 beigetretenen EU-Länder, seit 2014 außerdem für Rumänen und Bulgaren und seit 2015 für Kroaten. Auch Flüchtlinge können das Wirtschaftswachstum anfeuern. So geschehen mit der Einwanderung der vielen Bürgerkriegsflüchtlinge ab dem Jahr 2015. Stefan Mütze, Volkswirt bei der Landesbank Hessen-Thüringen, Helaba:
    "Wir haben auf jeden Fall bei der Zuwanderung immer erst einmal einen positiven Konsumeffekt, das haben wir 2015 und 2016 gesehen. Und wir haben – mit Zeitverzug – einen Integrationseffekt; das heißt, diese Menschen werden sich eine Arbeitsstelle suchen und dann auch positive Effekte auf das Bruttoinlandsprodukt haben".
    Ökonomische Effekte treten mit Verzögerung auf
    Andere Forschungsergebnisse zeigen aber auch: Viele dieser ökonomischen Integrationseffekte treten mit einiger Zeit Verzögerung auf. Denn zunächst müssen Flüchtlinge die Sprache lernen und manchmal auch Bildungsdefizite ausgleichen, um hier einen Arbeitsplatz zu finden.
    "Sie kommen vorwiegend aus Gegenden, wo die Schulausbildung nicht so gut ist, das heißt sie haben einen Nachholbedarf und vor allem können sie die deutsche Sprache häufig nicht oder nur unzureichend. Und hier muss man natürlich investieren, Sprachkurse anbieten und das geschieht ja auch. Das dauert nur. Schnelle Erfolge sind hier nicht zu erwarten, das wird einige Jahre dauern", sagt Stefan Mütze.
    Da haben es EU-Ausländer einfacher: Sie machen sich oft erst auf den Weg in ein anderes Land, wenn sie dort eine Arbeitsstelle gefunden haben. So können sie sich häufig auch vorbereiten, indem sie die Sprache ihres Ziellandes lernen. Das zeigen auch die Zahlen des DIW: So betrug 2017 die Erwerbsquote von Deutschen gut 70 Prozent, bei den zugewanderten EU-Bürgern waren es 4 Prozent mehr. Angesichts des Fachkräftemangels hierzulande fordern die Forscher, weitere Zuwanderung aus EU-Ländern zu erleichtern – etwa durch einfachere Verfahren bei der Anerkennung von Qualifikationen.