Die Gazi Caddesi führt quer durch die Altstadt von Diyarbakir: Cafés und Läden entlang der Straße sind geöffnet; die Sonne scheint, Vögel zwitschern - ein friedliches Bild.
Allerdings: An manchen Häuserfassaden sind Einschusslöcher zu erkennen. Und wer von der Gazi Caddessi aus ins Gassengewirr der Altstadt abbiegen will, der stößt allenthalben auf meterhohe Beton-Barrikaden. Die Polizei hat das Viertel abgeriegelt, in dem monatelang geschossen und gekämpft wurde.
Genau dort, mitten im Altstadtviertel, hat Muhammed seine Wohnung. Seinen richtigen Namen möchte er lieber nicht nennen. Er fühlt sich rechtlos. Seitdem er im Januar vor den Kämpfen in seinem Wohnviertel flüchtete, durfte er nicht wieder hinein in den abgesperrten Teil der Altstadt:
"Du kannst nicht mal reingucken. Die haben alles mit Sichtblenden abgesperrt. Was hinter den Mauern passiert, weiß ich nicht."
Ob es seine Eigentumswohnung hinter der Absperrung überhaupt noch gibt oder ob sie in Trümmern liegt - Muhammed weiß es nicht.
Wahrscheinlich haben sie die Wohnungen zerstört, fürchtet Mohammed.
Flüchtlinge in der eigenen Stadt
Die Polizei hat in der vergangenen Woche einen kleinen Teil der abgesperrten Altstadt wieder freigegeben. Dort, wo einst Dutzende Familien in einem Gassengewirr lebten, klafft jetzt eine große Freifläche. Die zerschossenen Wohnhäuser wurden abgerissen; der Bauschutt abtransportiert. Weiter hinten, irgendwo außerhalb der Sichtweite, liegt das Viertel, in dem Muhammed wohnte; sein Viertel ist nach wie vor Sperrgebiet.
"Ich weiß nichts; sie geben keine Informationen."
Wie Muhammed geht es Tausenden in der Altstadt von Diyarbakir. Sie sind Flüchtlinge in der eigenen Stadt. Muhammed lebt jetzt mit seiner Frau und seinen drei Kindern am Stadtrand in einem öden Neubauviertel, wie er sagt. Immer wieder fährt Muhammed eine dreiviertel Stunde mit dem Bus in die Altstadt, um seine Freunde zu treffen.
Seine Freunde haben jetzt oft viel Zeit für einen Tee, denn viele von ihnen sind arbeitslos. Die Wirtschaft Diyarbakirs liegt am Boden.
"Ich habe trotzdem noch Hoffnung"
Sam hat früher Touristen durch Diyarbakir geführt - früher, vor gerade mal einem Jahr, als es hier noch aufwärts ging, als die türkische Regierung und die PKK über Frieden verhandelten.
Sam mag nicht beurteilen, wer die größere Schuld am wieder aufgeflammten Konflikt trägt: die PKK oder die türkische Regierung. Er schaut lieber nach vorn:
"Ich habe trotzdem noch Hoffnung. Ich hoffe, dass sie wieder verhandeln werden. Das ist meine Hoffnung. Wenn Du die Hoffnung verlierst, bist Du am Ende."
Doch Muhammed, der sich nach seiner Wohnung in der Altstadt sehnt, schüttelt den Kopf:
Ich glaub nicht, dass es besser wird, sagt er. Ich fürchte es wird noch sehr schlimm werden, sagt er, denn zu viele Hoffnungen wurden schon enttäuscht im kurdischen Südosten der Türkei.