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DJ Nadav Neeman
"In Berlin bekommt man mehr Aufmerksamkeit"

Der israelische DJ Nadav Neeman aus Tel Aviv legt aus Anlass des deutsch-israelischen DJ-Austauschs im Kreuzberger Klub "Prinz Charles" auf. Berlin, so sagt er im Corso-Gespräch, sei "sehr inspirierend." "Es ist ein Ort, an dem man wachsen kann."

Nadav Neeman im Corso-Gespräch mit Adalbert Siniawski |
    Der israelische DJ Nadav Neeman bei seinem Besuch in Berlin.
    Der israelische DJ Nadav Neeman bei seinem Besuch in Berlin. (Deutschlandradio / Adalbert Sinawski)
    Adalbert Siniawski: Nadav Neeman, wie wird die Party heute Abend im Berliner Klub Prince Charles ablaufen, was haben Sie vorbereitet?
    Nadav Neeman: Ich habe noch nichts vorbereitet. Ehrlich gesagt, hast Du mich gerade hier am Computer erwischt, als ich gerade dabei war, die Musiktitel und Sounds herauszusuchen. Ich bin der erste DJ heute Abend. Ich denke, ich werde die Party langsam beginnen, sehen, wie die Gäste reagieren, und dann weiß ich, wie es weitergeht.
    Siniawski: Wie würden Sie Ihre Musik beschreiben?
    Neeman: Ich spiele viele verschiedene Sachen, aber in letzter Zeit vor allem Hip Hop, Funk und Soul. Auf den Punkt gebracht: Mit geht es um Spaß. Ich spiele vor allem positive Titel. Ich will nicht zu künstlerisch sein oder mein eigenes Ding durchziehen. Ich will den Leuten auf der Tanzfläche Freude bereiten und ihnen auch etwas Neues zeigen. Beides kann man gut verbinden.
    Siniawski: Sie werden nicht nur auflegen, wie ich gelesen habe, sondern auch ihre Lieblingsalben vorstellen und über die Klubkultur in Tel Aviv sprechen.
    Neeman: Ja, ich habe ganz viel Musik im Sinn: Stücke, die mich inspiriert haben, hinter denen sich eine Geschichte verbirgt. Titel, die mit meinem Leben zu tun haben und ein paar israelische Klassiker. Ich darf aber nur fünf Songs heraussuchen, über die ich reden werde - dabei ist das Repertoire unendlich!
    Siniawski: Als Sie zu ersten Mal von dem deutsch-israelischen DJ-Austausch "Charles & Alma" gehört haben, warum wollten Sie da mitmachen?
    Neeman: Zunächst mal wollte ich, wie alle DJs, im Ausland auflegen, andere Partygänger und Locations kennenlernen - gerade hier in Berlin, weil ich hier so viele Freunde habe. Es macht sehr viel Spaß, in Berlin zu sein.
    Siniawski: Unterscheiden sich die Berliner Klubkultur und die Partygänger von denen in ihrer Heimatstadt Tel Aviv?
    Neeman: Ehrlich gesagt: Von den Orten, die ich gesehen habe - wie Oslo, New York und Paris - sind sich Berlin und Tel Aviv am ähnlichsten. Die Stimmung, die Feiernden, auch der Musikgeschmack und die Klubkultur sind sehr ähnlich. Es gibt eine gute Verbindung zwischen den beiden Städten. In Tel Aviv kannst Du die ganze Woche rund um die Uhr ausgehen, selbst montags kann man gut Party machen. Am Wochenende wird es natürlich noch verrückter. Und so ist es ja auch in Berlin. Allerdings gibt es hier größere Locations als bei uns.
    Siniawski: Der DJ-Austausch findet statt aus Anlass des 50-jährigen Jubiläums der deutsch-israelischen Beziehungen, das wir im Deutschlandradio begehen. Wie nah oder wie fern sind sich die Israelis und die Deutschen, was meinen Sie?
    Neeman: Das ist eine sehr schwierige Frage. Aber jedes Mal, wenn ich Deutschen in Israel begegne, sind sie dort sehr willkommen, man sorgt sich gut um sie. Auf der anderen Seite leben viele Israelis in Berlin, viele Künstler und Freunde von mir. Ihnen geht es hier wirklich gut. Ich finde, die Beziehungen sind sehr intensiv - vor allem unter den jungen Leuten.
    Siniawski: Aber ist es so, dass man dann auch über die schwierige gemeinsame Geschichte spricht, ist das immer ein Thema?
    Neeman: Ehrlich gesagt, nicht so sehr. Nein. Nicht, dass ich etwas zurückhalten wollte oder so. Denn in meiner Familie gibt es zwei Holocaust-Überlebende, meine Großeltern stammen ursprünglich aus Polen und Rumänien. Aber: die Zeit geht weiter. Heute ist alles anders - es sind andere Menschen, andere Meinungen und Mentalitäten. Das alles hat sich geändert. Was vorbei ist, ist vorbei. So ist es.
    Siniawski: Sie haben es gerade erwähnt: Viele junge Israelis reisen nach Deutschland, besonders nach Berlin, um das Nachtleben zu entdecken, aber auch die Geschichte. Es gibt eigene Restaurants, kulturelle Veranstaltungen und Klubs speziell für Juden. Auch wenn es einzelne Überfälle, oft von Muslimen, auf jüdische Touristen gibt - so scheint Berlin doch ziemlich beliebt bei den jungen Leuten zu sein. Haben Sie eine Erklärung dafür?
    Neeman: Künstler haben es schwer, denn sie müssen von ihrer Kunst leben. Zum einen ist das Leben in Berlin günstiger als in Tel Aviv. Zum anderen bekommt man hier mehr Aufmerksamkeit für seine Kunst und mehr Aufträge. Außerdem ist die Stadt sehr inspirierend - du gehst raus und siehst viel mehr Künstler als in Tel Aviv. Es ist ein Ort, an dem man wachsen kann. Aber es ist auch so, dass die israelischen Künstler, die nach Berlin gezogen sind, die Nase voll haben von dem, was in Israel los ist. Und das kann ich verstehen.
    Siniawski: Vor einiger Zeit haben junge Leute in Tel Aviv Protestcamps errichtet, um gegen die hohen Mieten und Lebenskosten zu demonstrieren. Wie ist die Situation für die junge Generation derzeit - sehen Sie Fortschritte?
    Neeman: Nein, ich denke nicht. Es ist verrückt, wenn man die Situation mit anderen Orten in der Welt vergleicht. Ich sehe kaum eine Chance für junge Israelis, eine Wohnung in Tel Aviv zu kaufen. Aber so ist es mittlerweile auch hier. Jemand hat mir erzählt, dass auch die Mieten in Berlin steigen. Aber im Vergleich dazu ist es in Tel Aviv noch verrückter.
    Siniawski: Vor einiger Zeit ist der junge Israeli Naor Narkis in Deutschland und in Israel ziemlich bekannt geworden. Er hat ein Foto von einem Supermarktbon im Netz gepostet, darauf war ein Schokopudding für 19 Cent gedruckt - offenbar ein Spottpreis im Vergleich zu Israel. Sein Kommentar unter dem Bild lautete: "Wir sehen uns in Berlin." Kennen Sie diese Geschichte?
    Neeman: Ja, natürlich kenne ich diese Geschichte, auch das Foto. In Israel ist das mittlerweile ein beliebter Spruch. Wenn jemand etwas Schlechtes über das Leben in Israel schreibt, sei es in der Kultur oder in der Politik, dann antwortet jemand darauf: "Also: Ab nach Berlin." Das hört man oft bei Facebook oder auf der Straße. Es ist ein Witz - aber auch ziemlich ernst gemeint.
    Siniawski: Was müsste sich denn ändern, damit sich die Situation für Menschen wie Sie, die Musiker und Künstler, verbessert?
    Neeman: Die Kulturverantwortlichen in Israel sollten sich mehr öffnen und versuchen zu helfen. Vielleicht Förderungen auf den Weg bringen. Oder die Steuerlast für Künstler, Klubs und Galerien senken, solche Dinge.
    Siniawski: Kürzlich hieß es in den Nachrichten, dass der US-amerikanische und jüdische Musiker…
    Neeman: …Matisyahu …
    Siniawski: … genau, Matisyahu, wurde kürzlich vom Raggae-Festival Rototom Sunsplash in Spanien ausgeladen, weil er es abgelehnt hatte, wie von den Festivalveranstaltern - übrigens nur von ihm - gefordert, eine Erklärung abzugeben, in der er das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat anerkennt. Nach einem Proteststurm wurde es ihm schließlich doch erlaubt zu spielen. Wie ist das bei Ihnen? Müssen Sie als DJ auch solche politische Aussagen treffen, wenn Sie auf Tour sind?
    Neeman: Bis jetzt hat das niemand von mir verlangt. Ich denke, ich bin noch nicht prominent genug, um danach gefragt zu werden. Ich bin immer offen und möchte mit anderen DJs und Leuten, die nicht so genau wissen, was los ist, über solche Sachen sprechen. Ich glaube, es ist vier Jahre her, als ich hier in Berlin auf einer Feier war und ich draußen mit einem anderen DJ gesprochen hab. Er fragte mich, woher ich denn komme. Ich sagte: Tel Aviv. Und dann hat er schwierige Fragen über die israelische Politik gestellt. Ich sagte ihm: Hör mal, ich bin eher links von der Mitte eingestellt. Ich versuche viel zu ändern, mehr als Du es kannst! Und was den Boykott von Matisyahu angeht: Ich glaube, damit erreicht man eher das Gegenteil von dem, was man glaubt, erreichen zu wollen. Sowas stärkt nur die Abwehrhaltung in Israel und macht das Land weniger offen. Ich finde es seltsam, Kunst - egal in welcher Form - zu boykottieren. Ich glaube, er wollte wirklich nur auftreten und war ziemlich verstört, dass die Festivalmacher ihn ausladen wollten, nur weil er Jude ist. Ich freue mich, dass sie ihn am Ende seine Sache haben machen lassen.
    Siniawski: Mit welchen Gedanken gehen Sie auf die Party "Charles & Alma" heute Abend? Was ist Ihr Wunsch?
    Neeman: Auch wenn nur eine kleine Zahl von Leuten tanzen sollte, wäre das für mich genug. Ich glaube, es wird eine tolle Atmosphäre. Ich freue mich, dass verschiedene Leute zusammenkommen. Wir wollen eine Party steigen lassen und die Leute für Tel Aviv, auch als Musikstadt, begeistern - sie neugierig machen. Und vielleicht kommen Sie dann in meinem Klub Kuli Alma vorbei - oder in den anderen Locations, natürlich.