"Ich glaube, der Zustand der Musikindustrie sorgt dafür, dass immer mehr Künstler Solisten und DJs werden. Einfach, weil es schwierig ist, in einer siebenköpfigen Rockband zu spielen - und mit dem schmalen Gewinn seine Familie zu ernähren und sein Haus abzubezahlen. Von daher sieht man auch immer öfter berühmte Rapper und R&B-Sänger auflegen. Wahrscheinlich denken sie, es wäre ein leichter Job und sie könnten damit eine Menge Geld verdienen."
Eine interessante Theorie – und eine, die vor Ironie und Sarkasmus trieft. Denn DJ Shadow ist das exakte Gegenteil von Calvin Harris, David Guetta oder Avicii. Er tritt nicht in Stadien auf, schmückt sich nicht mit Popstars und produziert auch nicht Tracks wie am Fließband. Das kleine, blasse Männchen mit der angewachsenen Baseballkappe ist ein DJ alter Schule, der in Klubs auflegt, auf seinem Label Nachwuchskünstler fördert und alle Jubeljahre ein Album mit eigenen Stücken vorlegt. Für "The Mountain Will Fall" hat er geschlagene fünf benötigt. Aus gutem Grund:
"Ich bin nicht besonders schnell, sondern brauche zwei, drei, vier, fünf Wochen für einen einzigen Track. Auf ein Album hochgerechnet, entspricht das locker anderthalb Jahren im Studio."
Pferdefuß eines Klangtüftlers
Geringe Effizienz - der Pferdefuß bei einem Klangtüftler, der gerne mit Samples aus dem Internet und einer 60.000 Alben umfassenden Plattensammlung arbeitet, der noch scratcht und loopt, und am liebsten lange, atmosphärische Instrumentalstücke bastelt. Die sind mal spacig, mal mystisch oder hypnotisch. Mit viel Bass, coolen Gitarrenlicks, Hip-Hop-Elementen, Jazz-Anleihen, aber ohne bekannte Vokalisten.
"Eines der Konzepte hinter dem Album besteht darin, dass es keine dieser typischen DJ-Platten werden sollte, die heute so populär sind und wo ein angesagter Rapper auf den anderen folgt. Es sollte vielmehr etwas Eigenständiges sein. Und ich wollte mich mit anderen Instrumentalisten austauschen. Keine Beat-Macher, sondern Leute, die musikalisch aus einem ganz anderen Kontext kommen."
Zu diesen Instrumentalisten zählt der Berliner Pianist Nils Frahm, mit dem das Stück "Bergschrund" entstand. Ein Begriff aus dem Alpinismus, der die Kluft zwischen wanderndem und festem Eis beschreibt. Und mit dem Coverartwork von "The Mountain Will Fall" korrespondiert, das einen unüberwindbaren Berg zeigt. Außerdem ist der britische Trompeter, DJ und Bandleader Matthew Halsall auf "Ashes To Oceans" vertreten. Laut Shadow das Stück, das die Philosophie des Albums auf den Punkt bringt:
"Matthew ist ein traditioneller Jazz-Künstler, aber er macht Musik, die sich sehr lebendig anfühlt. Und ich hatte die Vorstellung: Wenn wir zusammenarbeiten, könnte etwas entstehen, das ganz anders als sein bisheriges Werk ausfällt – und als meins. Insofern ist "Ashes To Oceans" mein Lieblingstrack auf dem Album. Einfach, weil er nichts mit dem zu tun hat, was Matthew sonst macht. Und auch für mich ist es sehr ungewöhnlich."
Kreativität statt Kommerz
Einfach mal etwas anderes probieren - ein Ansatz, mit dem sich DJ Shadow abgrenzen will. Mit dem er das Kreative und Künstlerische über das Kommerzielle stellt und Vorbildfunktion für den Nachwuchs einnimmt. Eben als leuchtendes Beispiel, dass man sich keinen Trends und Strömungen unterordnen muss. Dass man besser gegen als mit dem Strom schwimmt und sich so vielen Herausforderungen stellen sollte, wie eben möglich. Für den Mann aus San Jose eine ähnliche Mission wie die, die seine Vorbilder in den frühen 80ern verfolgten.
"Das erste Album, das ich je gehört habe, war "The Adventures Of Grandmaster Flash On The Wheels Of Steel". Das ist die Blaupause für alles. Es nimmt kleine Sachen, die jeder kennt, und macht daraus etwas vollkommen Neues. Das verkörpert für mich alles, was Hip-Hop ausmacht: Ein bisschen, von dem man weiß, was es ist. Einiges, von dem man keine Ahnung hat. Und alles auf kreative, unterhaltsame Weise zusammengesetzt."