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#DJsForPalestine
Einseitige Kritik an Israel

Unter dem Hashtag #DJsForPalestine rufen einflussreiche Musiker aus der elektronischen Musikszene zu einem Boykott gegen den Staat Israel auf. Dahinter stecke eine zweifelhafte Agenda, sagte Raphael Smarzoch im Dlf.

Raphael Smarzoch im Gespräch mit Adalbert Siniawski |
    Palästinensische Demonstranten mit Plakate, die sich auf die BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) beziehen.
    Boykott, Desinvestition und Sanktionen lautet das Motto der weltweiten Bewegung (EPA / Abed al Haslhamoun )
    Adalbert Siniawski: Scharfe Israelkritik und Boykott-Aufrufe, ist auch in der Musikszene immer stärker Thema. Nach dem Wirbel um die BDS-Kampagne rund um das Pop-Kultur-Festival in Berlin und die Ruhrtriennale, gibt es eine neue Anti-Israel-Bewegung. Diesmal rufen seit letzter Woche Mitglieder der elektronischen Musikszene unter dem Hashtag #DJsForPalestine zum Boykott auf. Darunter sind recht einflussreiche Protagonisten: wie Ben UFO, The Black Madonna, Four Tet, Caribou oder Laurel Halo.
    In den sozialen Medien schreiben sie: "Solange die israelische Regierung ihre brutale und anhaltende Unterdrückung des palästinensischen Volkes fortsetzt, respektieren wir ihre Forderung nach einem Boykott Israels als Mittel des friedlichen Protestes gegen die Besetzung." Die Aktion ist von der Palästinensische Kampagne für den akademischen und kulturellen Boykott Israels (kurz PACBI) initiiert. Sie steht im engen Kontakt zur BDS-Bewegung. Mein Kollege Raphael Smarzoch hat sich näher mit dem Hashtag #DjsForPalestine beschäftigt. Worum geht es da genau?
    Raphael Smarzoch: Dieser Hashtag #DJsForPalestine ist eigentlich ein alter Hut. Es kann als Nachfolger der Hashtag-Aktion #ArtistsforPalestine aufgefasst werden, die genau denselben Aufruf, den Sie gerade zitierten, bereits vor einigen Monaten durch die sozialen Medien schleuste. In dem Fall waren es aber Kulturschaffende im Allgemeinen, Schriftsteller und Künstler beispielsweise - unter dem neuen Hashtag sammeln sich dezidiert Protagonisten aus dem Umfeld der elektronischen Popmusik.
    Aus dem Umfeld der elektronischen Popmusik
    Siniawski: Verfolgen beide Bewegungen denn identische Ziele?
    Smarzoch: Ja, ihr Ziel ist es auf das Leid der Palästinenser aufmerksam zu machen, deren Hauptverursacher angeblich Israel ist. Und infolgedessen möchten sie Israel boykottieren und damit auch von der Weltgemeinschaft isolieren.
    Letztendlich steckt dahinter eine sehr zweifelhafte Agenda. Man muss sich fragen: Wem ist mit so einer Aktion überhaupt geholfen, die jeglichen Dialog verweigert. Sicherlich nicht den Palästinensern im Gaza-Streifen, sondern den reaktionären Kräften vor Ort.
    Interessant ist auch, dass die Aktivisten, denen es angeblich um Menschenrechtsverletzungen an Palästinensern geht, nicht die schwierige Lage palästinensischer Flüchtlinge in Jordanien oder Syrien anklagen. Am 24. April dieses Jahres flogen syrische und russische Kampflugzeuge Angriffe auf das palästinensische Flüchtlingscamp Jarmuk in Damaskus, das sie mit Sprengstofffässern bombardierten. Darüber schweigen die selbsternannten DJs for Palestine leider.
    Siniawski: Sie haben die Spuren des Hashtags im Internet verfolgt. Kann man denn schon abschätzen, welchen Erfolg die Befürworter von #DJsForPalestine mit ihrer Aktion haben? Wie kommt diese Aktion zum Beispiel hier in Deutschland an?
    Smarzoch: Diverse Clubs etwa das About Blank in Berlin oder das Institut für Zukunft in Leipzig distanzieren sich von der Aktion. Sie sprechen von strukturellem Antisemitismus, der sich hier unter dem Vorwand der Israelkritik breitmacht.
    Einseitige Perspektive
    Siniawski: Ist diese Kritik berechtigt? Ist das tatsächlich so, sind die #DJsforPalestine sowie die BDS-Bewegung antisemitisch?
    Smarzoch: Zunächst einmal sind diese Boykottbewegungen durchaus problematisch, weil sie ihre Kritik ausschließlich auf Israel richten. Sie boykottieren und isolieren ausschließlich Israel. Und bereits diese einseitige Perspektive auf einen jahrelangen und komplizierten Konflikt sollte hellhörig machen, dass hier etwas nicht stimmt.
    Israel ist die einzige multi-ethnische Demokratie dort vor Ort mit einer freien Presse, in der es möglich ist, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
    Das ist in Ländern wie der Türkei, China oder Russland nicht möglich. Perfide ist, dass die DJs und Produzenten, die sich unter diesem Hashtag formieren offenbar keine Probleme damit haben, in diesen Ländern aufzutreten. Laurel Halo zum Beispiel. Sie spielte in China und Russland. Würde sie ihren Protest ernst nehmen, dürfte sie dort nicht auftreten.
    Also, es geht den Befürwortern dieser Boykottaufrufe nicht um eine Kritik an den politischen Protagonisten Israels, sondern es ist letztendlich eine antijüdische Haltung, die da zum Ausdruck kommt. In letzter Konsequenz scheinen viele Boykott-Befürworter - glaubt man ihren Statements - Israel sogar sein Existenzrecht absprechen zu wollen.
    Siniawski: Ist den Leuten das aber überhaupt klar?
    Boykotte "Teil des Problems"
    Smarzoch: Viele werden sicherlich unter Zugzwang stehen, an dieser digitalen Protestbewegung teilzunehmen. Und sie ist ausschließlich digital. Solidaritäts-Dj-Sets von queeren Techno-Produzenten wie Black Madonna, um eine andere Unterstützerin dieser Kampagne herauszugreifen, wird es sicherlich nicht im Gaza-Streifen geben. Das wäre nämlich ein lebensgefährliches Unterfangen wegen der dort wirkenden radikal-islamischen Kräfte, zu denen übrigens auch der BDS Verbindungen aufweist.
    Man sollte sich also auch die Frage stellen, wen man da überhaupt unterstützt und auch endlich die in diversen linken Kreisen vorherrschende fatale Romantisierung des Terroristen als Freiheitskämpfer thematisieren.
    In Zeiten, in denen antijüdische Übergriffe in Deutschland keine Seltenheit mehr sind, gewisse Rapper öffentlich antijüdisch agitieren und trotzdem mit Preisen ausgezeichnet werden, besorgte Bürger in Chemnitz auf die Straße gehen und ein jüdisches Restaurant demolieren, sind Boykottaufrufe gegen Israel sicherlich keine Form von progressiver Politik, sondern Teil des Problems.