Archiv

Dlf-Sportgespräch
"Die Strukturen gehören kräftig umgemischt"

Nicola Werdenigg, ehemalige österreichische Skifahrerin, hat im vergangenen November eine Lawine ins Rollen gebracht. Sie sprach erstmals darüber, dass sie als junge Skifahrerin vergewaltigt wurde. Im österreichischen Nationalsport wird seitdem über Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe diskutiert.

Nicola Werdenigg und Chris Karl im Gespräch mit Andrea Schültke |
    Chris Karl und Nicola Werdenigg beim Voice-Dialogforum zu sexualisierter Gewalt
    Nicola Werdenigg als aktive Skirennläuferin in den siebziger Jahren. (dlf/schueltke)
    Vierzig Jahre liegt die Karriere von Nicola Werdenigg zurück. In den Siebzigern startete die Österreicherin im Ski-Weltcup und schaffte es mehrmals aufs Podest. Lange Zeit nach ihrer aktiven Karriere berichtete sie über das, was abseits der Piste passierte: "Ich wurde mit 16 von Mannschaftskollegen vergewaltigt. Das war wohl der Auslöser für diesen Schneeball, der zur Lawine wurde. Es fiel das Wort ‚Vergewaltigung‘ und damit war klar, dass etwas Handfestes passiert ist."
    Mit "diesen Schneeball" meint Werdenigg eine Debatte, die den österreichischen Skisport seit einem halben Jahr fest im Griff hat. Laut Werdenigg konnten sich die Sportfunktionäre im Alpenland nicht vorstellen, dass jemand so etwas anspricht. Sie habe damit ein Tabu gebrochen. "Mit diesem Schneeball habe ich sie im Genick getroffen. Sie haben nicht gedacht, dass dieses Thema im Zusammenhang mit dem Skisport in Österreich angesprochen werden könnte."
    Werdenigg suchte sich eine Mitstreiterin
    Werdenigg sollte Namen nennen. Damit sollten ihrer Ansicht nach die rehabilitiert werden, die nicht beteiligt waren. Doch die 59jährige blieb bei ihrer Linie. Sie sagte nur gegenüber der Staatsanwaltschaft aus. Damit war das Anliegen des Verbands schnell erledigt.
    Für ihren Kampf gegen Missbrauch hat sich die ehemalige Weltklasse-Skifahrerin eine Mitstreiterin gesucht. Zusammen mit Chris Karl, Psychologin und Expertin für Prävention sexualisierter Gewalt im Sport, strebt sie nachhaltige Veränderungen an.
    Problem ist immer noch aktuell
    Laut Karl ist das Problem auch heute noch aktuell: "Bisher gab es einzelne Fälle und die wurden als Einzelfälle abgetan. Doch durch die Lawine ist mehr als die Spitze des Eisbergs zum Vorschein gekommen. Bedauerlicherweise sind diese Vorfälle nicht nur in der Vergangenheit passiert, sondern passieren in unserer Zeit noch genauso. Der Sport begünstigt solche Vorfälle."
    Die Metoo-Debatte habe etwas ausgelöst und auch der Vorstoß von Nicola Werdenigg, so Karl, weil erstmals der heilige Sport in Österreich betroffen war.