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DLF-Sportgespräch
"Ein Gefühl, das süchtig macht"

Severin Freund gehört zu den besten Skispringern der letzten Jahre. Der Skisprung-Olympiasieger und -Weltmeister Severin Freund spricht im Sportgespräch über seine Comebackpläne, die Spitzensportreform und den perfekten Sprung.

    Skispringer Severin Freund bei einer Siegerehrung
    Skispringer Severin Freund. (picture alliance/dpa/Antonio Bat)
    Severin Freund arbeitet gerade an seinem Comeback. Nach einem Kreuzbandriss sieht er seinen späten Einstieg ins Vorbereitungstraining aber gelassen und seine Erfahrung als Vorteil: "Rückstand würde ich es nicht nennen. Aber ich habe den Vorteil, dass ich nicht mehr ganz jung bin und nicht mehr die vielen Sprünge brauche. Es wird auf jeden Fall wichtig sein, den Körper in den richtigen Zustand zu bringen, um dann, wenn man auf die Schanze geht, auch gleich handlungsfähig zu sein."
    Nachhaltigkeit statt bombastischer Bauten
    Durchaus kritisch sieht Freund die Vergabe der Olympischen Spiele nach Pyoengchang: "Eigentlich ist es ja schade, an Orte zu gehen, wo man etwas hinstellt und die Frage ist, ob das dann noch wahnsinnig genutzt wird. Immer nur größer, bombastischer, das ist das eine. Aber wir leben in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und ökologische Themen wichtiger werden und da wäre es schon an der Zeit, dass man über solche Sachen bei Olympischen Spielen nachdenkt."
    Und auch zu den Funktionären, zum IOC und den Skandalen der letzten Jahre, hat Freund eine kritische Haltung: "Was wir schade finden ist, dass es dem Sport zu schadet. Von uns macht keiner den Sport, weil er sagt, mein Ziel ist es, dass ich da auf einer Schanze stehe, die für viel Geld da hingestellt wurde und Teil von einem System ist, wo man weiß, dass es nicht 100% glatt läuft, wenn man es vorsichtig ausdrückt."
    Auch die aktuelle Debatte um die Spitzensportreform verfolgt Freund genau und erkennt die Sorgen und Probleme anderer Sportler. Einen möglichen Verzicht auf Fördermittel, weil er als Skisprungweltmeister selbst viele Sponsoreneinnahmen hat, steht Freund deshalb nicht ablehnend gegenüber: "Ich wäre da auf jeden Fall offen. Es ist ja nicht so, dass wir überleben könnten, wenn wir – rein theoretisch – alle anderen Sportarten weg rationalisieren würden. Wir brauchen ja alle einander. Bei der Sporthilfe gibt es das System, dass man einen Teil seiner Sponsoreneinnahmen zurückgibt. Generell finde ich sowas schon OK, weil im Endeffekt die Unterschiede nicht immer leistungsabhängig sind. Man kann ja nicht sagen, derjenige, der am meisten leistet, verdient auch am meisten."
    Ein fast perfekter Sprung über 245 Meter
    Freund hat in den letzten Jahren viele Sprungwettbewerbe absolviert. Sein Glaube an einen perfekten Sprung ist nach seinen Erfahrungen gering: "Wenn man einmal in das Gefühl hineingekommen ist, wie ein Sprung sich anfühlt, wenn er absolut läuft. Der perfekte Sprung ist sowieso diese Phrase, die oben drüber steht, die man in seiner Karriere extrem selten erreichen wird. Es ist aber trotzdem so, wenn man einmal dieses Gefühl hatte, dann ist es schon etwas, was süchtig macht. Dafür arbeitet man und deshalb ist man sehr genau, wie man arbeitet, um da wieder hinzukommen.
    Neben dem Ziel möglichst gelungene Sprünge zu absolvieren gilt es sich auch mental auf besondere Belastungen vorzubereiten. Freund sieht hier vor allem bei den Skiflugwettbewerben besondere Herausforderungen für die Skispringer: "Wenn man Skifliegen ist, dann ist man nach einem Wochenende richtig mitgenommen. Angst würde ich das nicht nennen. Angst ist für mich etwas, was lähmt. Aber es ist schon so, dass das Adrenalin, die Nervosität, die ganze Körperaktivität steigt deutlich an. Meine 245 Meter in Vikersund, da fährst du unten schon raus, der ganze Körper zittert und du brauchst erstmal ein paar Minuten, bis du wieder auf einem einigermaßen normalen Level bist."