Eine Entscheidung zugunsten der Turn-Nationalmannschaft machte Andreas Toba im vergangenen Jahr bei den Olympischen Spielen berühmt. Toba stürzte im Qualifikationswettkampf der Mannschaften bei seiner Bodenübung schon auf der ersten Bahn. Die Diagnose war niederschmetternd: Kreuzbandriss.
Doch Toba entschied, dennoch am Pauschenpferd zu turnen um der Mannschaft möglichst viele Punkte für das Erreichen des Finals mitzugeben. Toba turnte stark und wurde anschließend als "Hero de Janeiro" bekannt. Mit einem Jahr Abstand erzählt er im Deutschlandfunk, wie es ihm damals und seitdem ergangen ist.
"Wie eine Ewigkeit"
"Ich bin ein bisschen liegengeblieben. Das hat sich wie eine Ewigkeit angefühlt, bis denen vermitteln werden konnte, dass ich mir da wehgetan habe", sagt Andreas Toba über den Moment nach seiner fatalen Landung beim Bodenturnen.
"Ich muss ganz ehrlich sagen, in dem Moment – ich hatte keinen großen Schmerzen, sondern habe halt gemerkt, dass da was geknackt hat. Und dann dachte ich mir so: 'Es tut eigentlich nicht so dolle weh, aber es ist ein ganz komisches Gefühl.' Und ich dachte: 'Wenn das etwas Kleines ist, hast du dich jetzt richtig schön blamiert.'"
"Komplett Herr der Lage"
Direkt nach dem Sturz wartete Toba auf eine Untersuchung. "In dem Moment habe ich überlegt: 'Ok, das nächste Gerät wäre jetzt das Pauschenpferd. Pauschenpferd habe ich eigentlich die besten Voraussetzungen, um der Mannschaft ordentlich zu helfen, also sehe ich zu, ob ich das hinkriege oder nicht.' Dann bin ich von der Liege runter, habe versucht ein bisschen zu gehen, das ging alles", erzählt Toba. "Dann kam der Arzt rein, da saß ich natürlich wieder brav auf der Liege, ich habe gesagt: 'Also, ich glaube, das Kreuzband ist durch, aber ich kann turnen.'"
Bei der anschließenden Pauschenpferdübung, bei der er den Deutschen viele Punkte für den Finaleinzug sicherte, fühlte sich Toba sogar relativ gut. "Ich war extrem konzentriert, von da her war ich komplett Herr der Lage."
Kein Held
Der Name "Hero de Janeiro" ist ihm allerdings nicht ganz geheuer. "Ich selbst würde nicht sagen, dass ich ein Held bin. Weil ich ganz normal gehandelt habe. So wie ich finde, das es ein Sportler machen sollte."
Auf seiner Website steht sein "Titel" dennoch. Einfach, weil er damit bekannt wurde. "Wenn Sie nach draußen gehen und zehn Leute fragen: 'Kennen Sie Andreas Toba, den Turner?' Dann werden Ihnen wahrscheinlich zehn Leute sagen: 'Nee.' Vielleicht sagt einer: 'Ok, ja' – aber eher nicht. Wenn Sie nach "Hero de Janeiro" fragen oder nach dem Turner, der das Kreuzband gerissen hat, dann kann jeder damit was anfangen. Es gehört zu mir. Das war im Grunde mein Spitzname."
Guter Zeitpunkt
Und Toba findet sogar, dass er mit seiner Verletzung Glück gehabt hat. "So blöd sich das anhört, aber die Verletzung, die Zeit, in der das passiert ist und das ganze Drumherum, das hätte nicht besser laufen können. Wäre es früher passiert, hätte ich den Wettkampf gar nicht mehr turnen können. Wäre es später passiert, hätte es niemanden interessiert."
Da kann er auch mit der Kritik an seiner Entscheidung leben. "Die Diskussion wird bleiben, das wird sich auch nie ändern. Weil irgendwer wird immer sagen: 'Warum macht ihr sowas, für wen?' Aber das sind dann auch meistens die Menschen, die so etwas noch nie erlebt haben und die so eine Verantwortung auch noch nie Anderen gegenüber getragen haben."
Langes Leiden
Toba hatte inzwischen drei OPs und eine Entzündung im Knie. Er ist sich aber sicher, dass das nichts mit seiner Übung am Pauschenpferd zu tun hat. "Die ganze Tortur, die danach gefolgt ist, das lag nicht an meinem Handeln. Es lag daran, dass ich zum Teil einfach nur Pech hatte."
Umso mehr freut er sich auf die Weltmeisterschaften in Montreal Anfang Oktober. "Nationalmannschaft turnen ist schon was ganz besonderes für jeden. Und darauf freue ich mich am meisten", sagt Toba. Die Entscheidung, in einem solchen Wettbewerb mit der Nationalmannschaft auch verletzt weiterzuturnen, würde er jederzeit wieder so treffen wie in Rio.