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Dlf-Sportgespräch mit Joshua Kimmich
"Man hat gemerkt, dass es auch ohne Fußball geht"

Für Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich ist der Fußball, wie auch der Sport wichtig für die Gesellschaft, aber nicht essenziell. Der Fußball sei mehr von den Menschen abhängig als andersherum, sagte Kimmich im Deutschlandfunk-Sportgespräch. Die Absage der EM im Sommer bezeichnete er als "Segen".

Joshua Kimmich im Gespräch mit Philipp Nagel |
Der Bayernspieler Joshua Kimmich beim Spiel gegen Red Bull Salzburg.
Joshua Kimmich betont das finanzielle Privileg der Fußballprofis in der Corona-Pandemie (www.imago-images.de)
Ein gutes Jahr messe er immer daran, ob er verletzungsfrei durch eine Saison komme. Doch am 7. November hatte sich Fußball-Nationalspieler und Bayern-Profi Joshua Kimmich im Spiel bei Borussia Dortmund eine Verletzung am Außenmeniskus des rechten Knies zugezogen. Zwischenzeitlich war von einer langen Ausfallzeit die Rede – vor rund einer Woche ist er nun wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen. Trotz der schnellen Genesung trübe die Verletzung das mit Blick auf den Champions-League-Titel der Münchner sportlich ansonsten perfekte Jahr 2020 zum Ende hin, sagte Kimmich im Deutschlandfunk-Sportgespräch.
"Haben finanzielles Privileg, andere haben Existenzängste"
Neben dem Sportlichen berichtete Kimmich dem Deutschlandfunk aber auch von seinen Ängsten, die er im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hat. Er habe als junger Mensch zwar nicht so viel Sorge vor dem Virus: "Aber gerade bei den eigenen Eltern und Großeltern hat man natürlich Angst, dass die sich infizieren können und das auch anders ausgehen kann. Gerade diese Ängste um die eigene Familie sind auf jeden Fall da." Gesamtgesellschaftlich betrachtet sieht Kimmich eine gewisse Unsicherheit – gerade jetzt, wo die Fallzahlen wieder stiegen:
"Es hat ja nicht nur den Fußball getroffen, sondern alle Menschen. Da hat man diese Angst schon gespürt. Wir haben ja ein gewisses finanzielles Privileg, viele sitzen zu Hause und haben Existenzängste. Jetzt machen die Schulen und Kindergärten wieder zu. Ich weiß nicht, wie das alle Eltern managen wollen, wenn man weiterhin arbeiten gehen muss."
Fußball sei ohne Fans und Gesellschaft nicht möglich
Mit Blick auf die leeren Stadien während der Pandemie fand der 25-Jährige klare Worte. Zwar sei der Fußball wie auch der Sport generell weiterhin wichtig für die Gesellschaft: "Aber trotzdem hat man schon gemerkt, dass es auch ohne Fußball geht. Und wir merken auch, dass der Fußball ohne die Fans, ohne die Gesellschaft eben nicht geht. Wir sind mehr von den Menschen da draußen abhängig, als andersherum. Deswegen wünscht man sich die Fans auch zurück."
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Kimmich äußerte sich auch zur aktuellen Diskussion um die deutsche Nationalmannschaft und Bundestrainer Joachim Löw. Rein sportlich gesehen habe die Nationalmannschaft eine Entwicklung genommen, die keinem gefalle: "Wir haben es nicht geschafft, eine gewisse Konstanz zu entwickeln und unser Talent auf den Platz zu bekommen." Er stelle derzeit fest, dass die Nationalmannschaft seit der WM 2018 sehr negativ wahrgenommen werde. "Ich glaube, wenn wir wieder einen guten Fußball anbieten, dass auch die Art und Weise stimmt, dass das der einzige Weg ist, wieder eine Einheit zu schaffen." Nach dem von Löw angestoßenen Umbruch müsse sich die Mannschaft noch finden.
"Segen, dass die EM verschoben wurde"
Vor diesem Hintergrund nahm der in Rottweil geborene Nationalspieler den Bundestrainer in Schutz. Der habe im Gegensatz zu einem Vereinstrainer nicht die Möglichkeit, regelmäßig zu trainieren und zu spielen: "Der macht einen Umbruch und sieht uns dann ein Jahr nicht während Corona. Das ist in einem Verein natürlich einfacher." Trotzdem merke auch er, dass dem DFB-Team die Zeit davonlaufe.
Ilkay Gündogan (l) aus Deutschland jubelt mit Joshua Kimmich über sein Tor zum 0:1. 
Joshua Kimmich (r.) ist seit 2016 deutscher Nationalspieler. (Federico Gambarini/dpa )
Kimmich hält jedoch mit Blick auf die abgesagte Fußball-Europameisterschaft in diesem Jahr fest: "Im Endeffekt war es ein Segen, dass die EM verschoben wurde. So wie wir gespielt haben, wäre das in diesem Sommer schwierig geworden." Ob das mit den aus der Nationalelf ausgebooteten Bayern-Profis Thomas Müller und Jerome Boateng anders gelaufen wäre? "Für mich sind das die besten Spieler Deutschlands. Aber der Bundestrainer muss da entscheiden."
Kimmich fühlte sich im Hamsterrad
Zum Ende lässt Joshua Kimmich im Deutschlandfunk-Sportgespräch auch etwas tiefer in seine Sportlerseele blicken. Gerade während der Corona-Pandemie habe es immer wieder Tage gegeben, an denen er sich sagte: "Jetzt möchte ich mal dem ganzen Hamsterrad entkommen. Du spielst alle drei Tage, alle drei Tage wirst du bewertet. Alle drei Tage musst du abrufen. Man hat schon auch Tage, wie alle anderen auch, an denen man sagt: Heute habe ich eigentlich keinen Bock." Trotz dieser Bedenken möchte Kimmich mit dem FC Bayern noch eine Ära prägen und hält es aktuell für realistischer, dass er mit seinem Verein in dieser Saison das Triple verteidigt, als mit der Nationalmannschaft den EM-Titel im kommenden Jahr einzufahren.