Das Ziel bei der Leichathletik-WM in London sei in jedem Fall die Goldmedaille, so Röhler. Der Erfolg hänge aber auch immer von der Tagesform ab. "Es geht um die äußeren Bedingungen und es geht auch darum, dass da mindestens fünf Gegner auf der Bahn stehen, die mir in jedem anderen Wettkampf gefährlich werden können. "
Erst kürzlich hatte sein Teamkollege Johannes Vetter mit 94,44m einen neuen deutschen Rekord aufgestellt. "Das ändert an der Einschätzung der eigenen Leistung des Wurfes wenig. Das war der Start dieses 'limitless' Denken irgendwie", so der Olympiasieger von Rio. Mit diesem Wurf habe die gesamte weltweite Speerwurf-Community reagiert und gesagt: "Schaut mal her, was da für ein Potential in Deutschland steckt im Speerwurf."
"Unser Körper wird zum Katapult"
Vetter und Röhler hätten nun das gemeinsame Ziel, dieses Potential weiter auszubauen und sich gegenseitig auf diesem Level "weiter hochzuschaukeln. Ich bin mir sicher, dass das auch passieren wird. Auf diesem Level wolle man sich einfach eines Tages zur Legende machen. Das ist das, was mich antreibt. Andererseits setze ich mir dafür keine kurzfristigen Ziele. Das ist ein ganz, ganz langfristiger Traum, das eines Tages zu erreichen genauso wie es mein Olympiasieg war. Auf der Reise befinde ich mich: immer herauszufinden, wie weit kann ich selber werfen."
Die Physik des Speerwerfens spielt dabei natürlich ein besondere Rolle: "Unser Körper wird zum Katapult", erklärt Röhler im Sportgespräch. "Wenn es ein Rechtswerfer ist, so wie ich, dann ist der rechte Fuß wie unser Gaspedal. Von dort kommt alle Energie aus dem Anlauf. Und der linke Fuß, das ist das Typische für Speerwerfen, das ist das Stemmbein. Das Stemmen hat jeder beim Ballwerfen auch schon mal getan. Möglichst ist das Bein fest arretiert im Boden, deswegen wünschen wir uns auch immer diese nicht rutschige Anlaufbahn, damit da keine Energie verloren geht. Das Knie wird möglichst auch nicht gebeugt, sonst geht auch wieder Energie verloren. Und das Zeitfenster zwischen: rechter Fuß, sprich Gaspedal, drückt und linker Fuß erreicht den Boden, das wollen wir minimieren, um den Impuls zu vergrößern. Alles andere, was dann noch wichtig ist, ist die technische Präzision, um den Speer auf den Weg zu bringen."
Gefühl für technische Präzision
Doch um einen Speer weit zu werfen, reichten nicht nur Kraft und Schnelligkeit, so Röhler - man brauche auch viel Gefühl. "Das unterscheidet den Topwerfer vom Durchschnittswerfer. Es gibt tausende Durchschnittswerfer auf der Welt, die mehr Kraft haben als der Olympiasieger, die vielleicht schneller sind als der Olympiasieger. Aber sie schaffen es nicht, den Speer auf die richtige Flugbahn zu bringen. Das ist die technische Präzision, sprich das Gefühl, dass man braucht, um erfolgreich zu sein in der Sportart."
An ein Doping-Problem im Speerwurf glaubt Röhler allerdings nicht: "Wir sind zu technisch versiert, um da ein großes Problem haben zu können, auch in der Zukunft. Was man für das Gefühl tun kann, das weiß ich nicht. Das müssen mir dann schlaue Ärzte und Wissenschaftler sagen. Wir sehen uns nicht in der Gefahr, dass unsere Sportart in großem Maße beeinflusst wird." Es gebe nachweislich wenig Fälle im Speerwerfen, betont Röhler. Wir sind zu gefühlsmäßig und präzisionsdeterminiert, als dass da einer mit Anabolika und Co., mit den klassischen Methoden da etwas verbessern könnte."
Entwicklungspotenzial in den Medien
Mit Blick auf die Medienpräsenz seiner Sportart, sieht Röhler noch Luft nach oben: "Dass wir uns weiterentwickeln müssen, ist ganz klar. Wir sehen es im Speerwerfen. Wir docken uns immer mehr dem Actionsport an. Wir erscheinen modern, wir haben selber Videos produziert. Das kommt super an, die Medien reagieren sehr gut." Trotzdem müsse man dem olympischen Kern treu bleiben: "Es wird bei uns gemessen, es gewinnt der Beste, es ist der Kampf Mann gegen Mann. Diese Grundzüge sollten wir bei all den Überlegungen beibehalten."
Ausbaufähig sei auch die Unterstützung für die Trainer, kritisierte Röhler im DLF-Sportgespräch. "Ohne Trainer wird es keine erfolgreichen Athleten geben. Da können wir Talente suchen, wie wir wollen. Die müssen sehr professionell trainiert werden." Bis vor kurzem sei er für seinen Trainer noch ein Hobby gewesen. "Man erwartet von Trainern, dass die am Wochenende auf dem Platz stehen und dass sie unter der Woche trainieren. Und wenn sie dann noch Urlaub nehmen müssen, um Trainingslager zu bestreiten mit ihren Athleten, dann ist das eine sehr, sehr harte Arbeitssituation. Klar erwartet man die Leidenschaft und nur mit der Leidenschaft geht es auch. Die Leute findet man. Aber ich finde, dass Leidenschaft nicht zur Ausbeutung führen darf."
"Es geht beim Sport schon noch ums Gewinnen."
Kritik übte der Speerwerfer auch an der aktuellen Entwicklung in der Kinderleichtathletik. Röhler wünscht sich in diesem Bereich einen stärkeren Leistungsgedanken: Ich hab es geliebt, wenn gemessen wurde und ich hab auch geheult, wenn ich nur Vierter war. Aber ich hab das verstanden und es hat mir sehr geholfen, Leistung einzuschätzen und das zu respektieren. Wenn am Ende jeder als Sieger nach Hause geht, sehe ich das als gefährlich an. Es ist moralisch sehr sehr schön, wenn alle sich lieb haben und jeder als Sieger nach Hause geht. Das ist wunderbar. Aber ich finde, es geht beim Sport schon noch ums Gewinnen."
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