Markus Bock ist Gründer des Vereins "Sport gegen Depression". Er hat selbst erlebt, welche Wirkung Sport bei einer psychischen Erkrankung hat. Valentin Markser ist ehemaliger Handballprofi, Psychiater und Kuratoriumsmitglied der Robert-Enke-Stiftung. Professor Jens Kleinert leitet die Abteilung Gesundheit und Sozialpsychologie an der Deutschen Sporthochschule Köln und befasst sich wissenschaftlich mit dem Thema Sport und Depression.
Laufende Selbsthilfegruppe
Markus Bock betonte, wie sehr der Sport ihm half, eine Struktur über Wochen zu schaffen. Der Einstieg sei die große Kunst. Doch dann "sind zwei Stunden und acht Kilometer rum und die Menschen sind erschrocken, was sie alles geschafft haben." Dabei würden sich die Menschen über das Thema austauschen, als "laufende Selbsthilfegruppe".
Eine Hürde sei, dass man aus der Therapie nach Hause komme und den Alltag alleine strukturieren müsse. Die zweite Hürde sei es, jemanden finden, der beim Sport mitmache. Man müsse zudem äußern, dass man Depressionen habe. Die dritte Hürde sei das Losgehen zu Fremden, und mit denen etwas zu unternehmen. Für ihn sei wichtig, dass er keine Rennen gewinnen werde. "Aber ich kann für mich eine ganze Menge tun."
Steigerung des Selbstwertgefühls durch Sport
Jens Kleinert bestätigte, dass der Sport eine stimmungsaufhellende Wirkung habe. Erfolgserlebnisse würden vermittelt, Patienten erleben sich als selbstwirksam, also als jemand, der etwas schaffen kann. Das führe zu einer Steigerung des Selbstwerts. Die Regelmäßigkeit sei dabei wichtig, und dass Sport als selbstverständlicher Teil im Alltag integriert ist. Dabei sei nicht entscheidend, ob zwei oder vier Mal pro Woche Sport getrieben werde, am besten aber in betreuter Form.
Valentin Markser fügte hinzu, dass die Lebenserwartung bei Depressionen um sieben bis elf Jahre verkürzt sei, und dies nicht wegen Suizid, sondern aufgrund des metabolischen Syndroms, Antriebslosigkeit, Insulinresistenz und Diabetes. Aus diesen Gründen sollte seiner Ansicht nach jeder Patient Sport- und Bewegungstherapie verschrieben bekommen. Grundsätzlich, so Markser, sei eine Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen wichtig, sowie mehr Information und Aufklärung.
Förderung von Sport günstiger für Kassen als chronische Erkrankungen
Wichtig wäre, fügte der Psychiater hinzu, dass die Krankenkassen die Leistungen zahlten. Dies sei "viel billiger als teure chronische Erkrankungen zu finanzieren".
Jens Kleinert plädierte für Gruppen analog zu Herzsportgruppen, in denen der Übungsleiter erfahren sei mit den Krankheitsbildern. Wichtig sei, dass Ziele angemessen gesteckt werden: Menschen mit depressiven Störungen dürften nicht zu viel von sich verlangen. Heute werde nicht nur Ausdauersport, sondern auch Krafttraining empfohlen, da dort sehr fein korrigiert werden könne, wohin man will.
Genießen "das entscheidende Ziel"
Aber wenn zu wenig betreut werde, bestehe die Gefahr von Misserfolgen und das Risiko, die depressive Problematik zu verstärken. Kleinert sagte: "Entscheidend ist, dass jemand was findet, was Freude macht. Genießen ist das entscheidende Ziel."
Was den Leistungs- und Spitzensport betrifft, sagte der Wissenschaftler, dass in Sachen Depressionen ähnliche Häufigkeitsraten vorlägen wie in der Gesamtbevölkerung. Dort könnten die hohen Erwartungen psychischen Druck auslösen. Er fasste zusammen: "Spitzensport macht nicht gesünder, aber auch nicht kranker."
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