Die Spiele des Turniers in Dänemark außer dem Finale seien damals nicht live im Fernsehen ausgestrahlt worden, sagte Handball-Experte Erik Eggers im Dlf. Gebannt habe er als neunjähriger Junge dann das Endspiel gegen die Sowjetunion vor dem Fernseher verfolgt, und sei dann völlig begeistert nur eine Woche später zu einem Handballverein gegangen.
Durch den damaligen Bundestrainer Vlado Stenzel sei die Intensität im Training deutlich erhöht worden, schilderte der damalige Spieler Heiner Brand. "Bei den Lehrgängen haben wir hart arbeiten müssen und haben den Abstand zu den großen Nationen etwas verkürzen können."
Von beiden wurde der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Bundestrainer Vlado Stenzel als Garant für den Erfolg ausgemacht. "Vlado Stenzel war schon eine Ausnahmeperson aus unserer Sicht", sagte Brand. Wir alle hatten natürlich verfolgt, welche Mannschaft er geformt hatte in Jugoslawien, die dann Olympiasieger geworden ist. Er war schon ein Diktator. Allerdings - das war natürlich aus seiner Sicht auch schlau gemacht - dass er eben auf die älteren, arrivierten Spieler verzichtet und auf uns junge Spieler gesetzt hat, die dann auch alles mitmachten und gerade in der Anfangsphase nicht so viel hinterfragt haben."
Trainer Stenzel war anfangs umstritten
Dabei war Stenzel in seiner Anfangszeit alles andere als unumstritten. "Das größte Problem war eigentlich, dass er Ausländer war. Man hatte beim DHB das Verständnis, dass man den Handball erfunden hatte. Aber dann kam da einer, der extrem selbstbewusst war und finanzielle Forderungen gestellt hat", sagte Eggers. Vor Stenzels Engagement war das Bundestraineramt ehrenamtlich und ohne Vergütung ausgeübt worden. "Stenzels Verpflichtung war eine Art Kulturbruch."
Stenzel habe von allen Spielern verlangt, dass jeder alles kann. Dementsprechend, habe man damals auch vom "totalen Handball" gesprochen, erklärte Eggers.
"Im Prinzip war er der erste Hallenhandballtrainer in Deutschland. Die anderen sind vom Feld- zum Hallenhandball rübergekommen", sagte Brand. "Er hat einige intelligente Kniffe gemacht. Er hat damals schon mit sogenannten Soziogrammen gearbeitet, es gab damals richtige Fragebögen. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass die einzelnen Typen in der Mannschaft sehr gut zueinander passten." Zugleich habe Stenzel den Trainern viel Selbstvertrauen gegeben, sodass sie auch selbst zeitweise dachten, sie seien unschlagbar. Brand räumte ein, dass er dies auch in einem Interview gesagt habe, dann aber gebeten habe, diese Aussage nicht zu senden.
"Sieg des Systems" war außerhalb der Vorstellungskraft
Nach dem Sieg habe sich zunächst nicht viel in seinem Leben geändert, so der ehemalige Handball-Bundestrainer. Er habe weiter studiert und im Verein weiter gespielt. Die Tragweite des Sieges sei ihm erst später bewusst geworden: "Wir haben das sicherlich mit Stolz wahrgenommen, dass wir gegen den Ostblock gewonnen haben, aber uns noch keine Gedanken gemacht, dass das auch ein Sieg unseres Systems war. Das war gar nicht in unserer Vorstellungskraft."
Erik Eggers sagte, der Sieg sei von der deutschen Sportpolitik "enorm gefeiert worden. Es war das Problem über schon ein ganzes Jahrzehnt gewesen, dass die DDR-Athleten oder auch andere osteuropäische Athleten überlegen waren gegenüber den westlichen Mannschaften." Die einzige Ausnahme sei der Fußball gewesen, der im Westen schon halbwegs professionell organisiert gewesen sei. "Insofern war dieser Handballsieg schon ein Signal." Auch wenn es vor allem Privatinitiativen von Stenzel gewesen seien, auf denen der Erfolg gefußt habe. Der Mythos 78 sei auch deshalb gewachsen, weil die Spieler immer in ihren Vereinen geblieben seien - das habe ein warmes Gefühl vermittelt und den Verdienst größer gemacht. Heute gingen Spieler als Legionäre dorthin, wo sie viel Geld verdienen.
Zu seiner eigenen Zeit als Bundestrainer sagte Brand: "Ich habe 2007 sicher noch nicht so von Nachwuchsarbeit profitiert, wie ich mir das gewünscht hätte." Teilweise seien mittelmäßige ausländische Spieler verpflichtet worden, sodass "unser Nachwuchs nicht in den Genuss kam, auch in der Bundesliga Erfahrung zu sammeln." Heute sei das wieder anders, Bundesligaspieler entwickelten sich relativ schnell zu Nationalspielern, so Brand.
Parallelen zwischen 1978 und heute
"Wir waren 1978 junge Spieler, aber auch schon Leistungsträger in Bundesligaspitzenmannschaften. Diejenigen, die 2016 Europameister geworden sind sind auch schon Leistungsträger in ihren Vereinen. Das ist auch Grundlage für den Erfolg in Nationalmannschaften. Das verfolge ich mit sehr viel Freude."
Zur Europameisterschaft in Kroatien, die am 13. Januar beginnt, sagte Eggers, die Mannschaft könne optimistisch sein, "weil das spielerische Potenzial vorhanden ist. Wenn man sich alleine umschaut, was im deutschen Rückraum unterwegs ist, sind das quasi paradiesische Verhältnisse."
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