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DNA aus Steinzeit-Speichel
Kaugummi gibt Aufschluss über Skandinaviens Ureinwohner

Ein Kaugummi am Tatort ist für Forensiker ein Glücksfall: Die DNA-Analyse der Spucke verrät, wer am Ort des Verbrechens war. Mit derselben Methode gewannen Archäologen nun Einblicke in die Steinzeit: Gekautes Birkenharz half ihnen, die Besiedlungsgeschichte Skandinaviens nachzuzeichnen.

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Birkenrindenpech diente in der Steinzeit als Universalkleber. Um das Harz geschmeidig zu machen, wurde es vermutlich gekaut - und die DNA im Speichel darin konserviert. (Natalija Kashuba | Stockholm University)
Besonders appetitlich sehen sie nicht aus, die Kaugummis aus grauer Vorzeit. Sie sind etwa einen halben Finger lang, schwarz und haben deutliche Abdrücke von menschlichen Zähnen. Für die Forschung haben sich diese uralten Birkenrindenpech-Klumpen aber als echter Glücksfund erwiesen. Denn darin haben sich Reste von Spucke erhalten, die Anders Götherström und seine Kollegen von der Universität Stockholm nun analysiert haben.
"Wir haben in diesen Spuckeresten sehr viel menschliche DNA gefunden, die wir analysiert haben. Und so ist es uns gelungen, die ältesten Genome von Menschen zu entschlüsseln, die je in Skandinavien gefunden wurden. Diese frühen Siedler haben im Mesolithikum gelebt, also in der Mittelsteinzeit. Damals haben die Menschen Feuersteine an einem Schaft befestigt und als Werkzeuge gebraucht. Dabei haben sie Birkenrindenpech als Kleber benutzt und es vorher wahrscheinlich gekaut, um es aufzuweichen."
Zwei Jungs und ein Mädchen kauten das Birkenpech einst
Das Alter der Kaugummis aus Birkenrindenpech datierten die Forscher auf nahezu 12.000 Jahre. Weil die Zahnabdrücke darauf von Milchzähnen stammen, wissen die Forscher, dass sie von Kindern gekaut wurden. Deren Speichel und die darin enthaltene Erbsubstanz hat sich im Birkenpech über all die Jahre erhalten. Und so wissen die Forscher, dass die drei untersuchten Kaugummis von zwei Jungen und einem Mädchen ausgespuckt wurden. Vielleicht haben sie ihren Eltern dabei geholfen, Werkzeuge herzustellen. Vielleicht hatten sie aber auch einfach nur Spaß daran, Birkenpech zu kauen. Warum die Kinder dieses bitter schmeckende Material in den Mund nahmen, werden die Forscher vermutlich nie herausfinden. Doch die DNA der Kinder hat ihnen verraten, dass sich die Menschen im Osten Skandinaviens vor mindestens 12.000 Jahren mit Jägern und Sammlern aus dem Westen vermischt haben.
"Im Genom der Kinder haben wir relativ viel DNA von Menschen aus dem Westen Skandinaviens gefunden. Aber auch einen Einfluss der östlichen Gruppen. Und dies ist der erste handfeste Beweis dafür, dass diese beiden Gruppen sich begegnet sind."
Rückschlüsse auf Speiseplan und Mundbakterien
Die Spucke im Birkenpech verrät den Forschern aber nicht nur die genetische Identität jener, die einst darauf herum gekaut haben. In ihr sind auch die Bakterien nachweisbar, die einst in deren Mund gelebt haben. Außerdem konnten Forscher aus Kopenhagen anhand eines Birkenpech-Kaugummis den Speiseplan eines Mädchens rekonstruieren. Charakteristische Proteine darin verrieten ihnen, dass das Mädchen Ente und Aal gegessen hatte: Dank der im Birkenpech verewigten DNA wissen die Forscher, dass es zu einer Gruppe von Jägern und Sammlern gehörte und vor etwa 5.000 Jahren in Dänemark gelebt hat. Ihre Hautfarbe war eher dunkel, ihre Augen blau. Außerdem entdeckten die Forscher im konservierten Speichel bestimmte Bakterien, die Erkältungskrankheiten hervorrufen. Und damit ist klar: Prähistorische Kaugummis verraten den Forschern viel mehr über einen Menschen aus der Vorzeit, als seine Knochen oder Zähne. Außerdem werden sie häufiger entdeckt als sterbliche Überreste, meint Matthew Collins, Professor für Archäologie am Naturkundemuseum in Kopenhagen.

"Das ist für mich so aufregend: Wir finden solche Birkenpech-Klumpen eigentlich an jeder prähistorischen Fundstelle. In Irland, in England, in Skandinavien. Und mit der menschlichen DNA, die möglicherweise in dem Birkenpech konserviert ist, hätten wir eine völlig neue und bisher unbeachtete Quelle genetischer Information."
Auch Ötzi befestigte seine Pfeilspitzen mit Birkenpech
Ein weiterer Vorteil: Birkenpech war in der Steinzeit so etwas wie ein Universalkleber: Nicht nur Klingen oder Pfeilspitzen wurden damit befestigt. Die Menschen haben auch Holzgefäße und ihre Boote damit abgedichtet und Keramik geklebt.
Auch Ötzi befestigte seine Pfeilspitzen vor gut 5.000 Jahren damit. Falls die Menschen dieses Birkenpech routinemäßig gekaut haben, um es weicher zu machen, könnten Archäologen künftig völlig neue Einblicke gewinnen:
"Wir könnten dann herausfinden, wer ein bestimmtes Werkzeug hergestellt hat. Und wenn das funktioniert, könnten wir uns beispielsweise Speerspitzen von verschiedenen Fundstellen anschauen und miteinander vergleichen. Und anhand der DNA können wir vielleicht sagen: Diese Pfeile wurden von derselben Person hergestellt. Außerdem wurde Birkenpech nicht nur in der Mittelsteinzeit, sondern auch in der Jungsteinzeit genutzt. Und das heißt: Auch die Neandertaler haben es verwendet."

Tatsächlich sind die bislang ältesten gefundenen Spuren von Birkenpech 200.000 Jahre alt. Und damit bestehen für die Forscher reelle Chancen, künftig auch die Kaugummis von Frühmenschen zu finden.