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Döring: Mütterrente wäre "großer Schluck aus der Pulle"

FDP-Generalsekretär Patrick Döring hält die merkelsche Idee der Mütterrente für unfinanzierbar. Erst im April habe es eine Mietrechtsnovelle gegeben, kritisiert er ein weiteres Wahlversprechen Merkels: "Ich weiß nicht, warum es dann von einer Regierungspartei wie der Union acht Wochen später neue Vorschläge geben muss", sagt er.

Patrick Döring im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Mehr Kindergeld, höhere Renten für Mütter, mehr Geld für die Lehrerausbildung und moderne Schulen, eine kräftige Finanzspritze für neue Straßen – viele Wohltaten stellt Angela Merkel für die Zeit nach einem Wahlsieg in Aussicht. Erwartbar, dass die Opposition all das als fragwürdige und durchschaubare Wahlgeschenke geißelt. Bemerkenswerter schon, dass auch Leute aus den eigenen Reihen, aus der eigenen Koalition in die wachsende Kritik einstimmen.

    - Am Telefon ist der Generalsekretär der FDP – einen schönen guten Morgen, Patrick Döring.

    Patrick Döring: Schönen guten Morgen, Herr Barenberg.

    Barenberg: Herr Döring, höhere Leistungen für Familien, höhere Renten für Mütter, mehr Geld, um Lehrer auszubilden, all das soll es nach dem Willen der FDP nicht geben?

    Döring: Nun, zunächst einmal steht Haushaltskonsolidierung im Mittelpunkt unserer Regierungszeit in den vergangenen vier Jahren und auch in den kommenden vier Jahren. Das ist die zentrale Lehre aus der Staatsschuldenkrise in Europa. Und wir haben uns verabredet, klare Schwerpunkte zu setzen. Und einer dieser Schwerpunkte ist auch der Abbau der kalten Progression und damit die steuerliche Entlastung der arbeitenden Mitte in Deutschland und dazu passen zusätzliche Sozialleistungsversprechungen kaum.

    Barenberg: Das heißt, mit Ihnen wird das nicht zu machen sein, sollten Sie nach der Bundestagswahl noch ein Wörtchen mitzureden haben?

    Döring: Wir sind der Kompass für wirtschaftliche Vernunft in dieser Koalition und deshalb kann man über einzelne Komponenten reden. Die Erhöhung der Kinderfreibeträge beispielsweise findet sich ja auch in unserem Programm. Das ist eine kluge familienpolitische Entscheidung. Dazu gehört aber dann auch, alle übrigen familienpolitischen Leistungen einmal zu evaluieren und zu schauen, ob die wirklich bei den Kindern und den Familien ankommen. Aber beispielsweise die Mütterrente ist ein so großer Brocken, dass es ja gute Gründe gibt, dass wir das in dieser Wahlperiode nicht mehr geschafft haben, denn ein zweistelliger Milliardenbetrag ist weder in der Rentenversicherung, noch im Bundeshaushalt frei verfügbar. Und da muss man dann fairerweise auch mal sagen, wo es herkommen soll. Beitragserhöhungen jedenfalls wären Gift für den Arbeitsmarkt.

    Barenberg: Das will ja auch die Union nicht. Vielmehr heißt es von dort, beispielsweise von Finanzminister Wolfgang Schäuble, man habe sich durch die gute Wirtschaftsentwicklung und durch höhere Steuereinnahmen einen kleinen finanziellen Spielraum erarbeitet. Warum lässt sich also Konsolidierung und Ausgaben in der Weise, wie sie der Kanzlerin vorschweben, nicht vereinbaren?

    Döring: Kleine Spielräume haben wir uns erarbeitet und die wollen wir ja auch gemeinsam klug nutzen. Aber bei Verbesserung der Rentenversprechungen für Millionen von Betroffenen in der deutschen Rentenversicherung muss man eben nicht nur die Einmalwirkung sehen, sondern dass dies Auswirkungen hat auf die Belastungen der kommenden zehn, 20, 30 Jahre. Das muss man dann auch seriös rechnen. Nach unserer Berechnung kommt man sehr schnell in der Folgewirkung auf einen zweistelligen Milliardenbetrag. Und das geht dann nur entweder, indem man innerhalb der Beitragssysteme umverteilt – das wäre fatal, denn die Beitragsmittel sind eigentumsähnliche Ansprüche der Bevölkerung. Und die andere Alternative sind mehr Steuerzuschüsse. Beides, glaube ich, passt nicht in unser Verständnis von sozialer Marktwirtschaft. Wir wollen weder die Beitragsmittel anderer entwerten, um andere besserzustellen, noch wollen wir zusätzliche Milliarden aus dem Bundeshaushalt in das Rentenversicherungssystem überführen, und deshalb ...

    Barenberg: Das heißt, Herr Döring, die Mütter müssen sich dann weiter mit den Ungerechtigkeiten, die es im Rentenwesen gibt, abfinden?

    Döring: Nein! Es gibt ja andere Möglichkeiten, das schrittweise zu verändern. Aber wie gesagt: So, wie ich jetzt den Text verstehe in dem Entwurf für das Unions-Programm, ist es gleich ein ganz großer Schluck aus der Pulle. Es gibt ja einen guten Grund, dass wir in dieser Wahlperiode allerhöchstens über die Lebensleistungsrente gesprochen haben, also Mindestrente nach 45 Versicherungsjahren. Alles in allem bleibt es dabei: Beitragserhöhungen, Steuererhöhungen, weitere Schulden sind Gift für die Konjunktur und sind auch wirtschaftlich unvernünftig und wir als Frreie Demokraten sind der Garant dafür, dass es dazu nicht kommt.

    Barenberg: Die Alternative wäre ja Einsparungen. Auch für die ist die FDP ja bekannt, dass sie da gerne Vorschläge macht. Und dann könnte man ja solche Prioritäten setzen, beispielsweise Investitionen in Lehrerausbildung oder in Schulen. Denn andernfalls müssen sich die Menschen ja damit abfinden, dass jedenfalls nach dem Willen der FDP die Schulen weiter so marode bleiben sollen, wie sie derzeit oft sind.

    Döring: Zunächst einmal gibt diese Koalition so viel Geld für Bildung und Forschung aus, wie keine vor ihr. Und das auch in Bereichen, wo der Bund nicht zuständig ist. Ich habe überhaupt nichts dagegen, die weiter ansteigenden Mittel im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung auch zugunsten verbesserter Lehrerausbildung zu akzentuieren. Das ist der einzige Etat, der planmäßig und verabredungsgemäß wächst. Das wäre ein Bereich, gegen den ja niemand etwas hat. Andere Prioritäten zu setzen, ist immer gut. Aber im Grundsatz sind die beiden großen Brocken, die wirklich bemerkenswert sind, die rentenpolitischen Vorstellungen, die große sozialpolitische Belastungen hervorrufen. Und natürlich auch die geplanten Markteingriffe im Wohnungsbereich, auch das mit der sozialen Marktwirtschaft nur schwer vereinbar. Wie gesagt: Umschichtung innerhalb vorhandener Etats sind immer möglich, dazu haben wir kluge Haushälter. Und wir haben mit dem Schwerpunkt auf Bildung und Forschung in dieser Wahlperiode gezeigt, dass diese Koalition Garant dafür ist, dass dort ausreichend investiert wird.

    Barenberg: Gut. Dann habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass die Vorschläge der Kanzlerin nicht einhellig oder nicht in Gänze auf Ablehnung bei der FDP treffen, sondern dass man da durchaus über das eine oder andere sprechen kann. Sprechen wir noch kurz über die Mietpreisbremse, die die Union ja jetzt lange nach der SPD auch für sich entdeckt hat. Warum lehnen Sie die eigentlich so konsequent ab, denn im Grunde müssten Sie ja auch dafür Sorge tragen, dass es bei diesen horrenden Steigerungen bei Neuvermietungen Änderungen gibt?

    Döring: Das tun wir ja. Wir haben ja zum 1. Mai das Mietrecht verändert und haben dort regionale Reaktionsmechanismen eingebaut. Die Länder können die Möglichkeiten der Mieterhöhungen begrenzen, immer dort, wo die Wohnungsmärkte anerkanntermaßen angespannt sind. Aber wir wissen auch, dass der Wohnungsmarkt in Cottbus ein anderer ist als in München-Schwabing, und deshalb wäre es fatal, hier eine bundesgesetzliche Lösung herbeizuführen. Denn eins ist auch klar: Die vorhandene Wohnungsnot in einigen Ballungsräumen, die wird nur gemildert, indem es Investitionen in Wohnräume gibt. Und die öffentliche Hand wird diese Investitionen nicht vollumfänglich und allein tätigen können. Und deshalb müssen wir ein Interesse daran haben, dass weiter investiert wird in die Sanierung vorhandener Wohnungen, aber auch in den Bau neuer Wohnungen. Und dazu muss man ein kluges Marktumfeld haben. Das haben wir mit der Mietrechtsnovelle geschaffen und deshalb rate ich uns allen zu Geduld und nicht zu Markteingriffen, die am Ende nur die Wohnungsnot verschärfen, anstatt sie abzumildern. Wir haben die Mietrechtsnovelle im April abgeschlossen. Ich weiß nicht, warum es dann von einer Regierungspartei wie der Union acht Wochen später neue Vorschläge geben muss.

    Barenberg: Zum Schluss noch, Herr Döring. Wenn sich jetzt schon so viele Differenzen auftun zwischen Union und FDP, wie können Sie dann noch für die Zeit nach der Bundestagswahl für eine Neuauflage werben?

    Döring: Zunächst sind die Freien Demokraten und die CDU/CSU unterschiedliche Parteien. Das ist ja auch aus gutem Grund so. Alles das ist nicht unüberwindlich in den Konflikten und das zeigt, dass wir im Detail auch leidenschaftlich diskutieren über den richtigen Weg für Deutschland. Aber der Kontrast, den Rot-Grün bietet, der ist doch viel größer. Rot-Grün verspricht, noch die Steuern exzessiv erhöhen. Wir streiten mit der Union über die sinnvolle Nutzung der von uns erwirtschafteten Spielräume. Das ist ein völlig anderer Vorgang und deshalb ist die gemeinsame Arbeitsbasis auch in den Detailfragen überhaupt nicht gefährdet. Denn eins eint uns: Wir wollen solide haushalten und wir wollen die Mitte der Gesellschaft dauerhaft nicht überbordend belasten, sondern entlasten. Und das ist das, was für die nächsten Wochen in der Auseinandersetzung zum politischen Gegner im Mittelpunkt stehen wird.

    Barenberg: ..., sagt der FDP-Generalsekretär heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Vielen Dank für das Gespräch, Patrick Döring.

    Döring: Danke sehr!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.