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DOK-Festival Leipzig
Umstrittener Film "Lord of the Toys" gewinnt

So politisch wie lange nicht war das Filmfestival DOK Leipzig. Eine Ochsentour für Demokratie in Italien räumte die meisten Preise ab. Gewonnen hat aber auch ein umstrittener Film über Dresdner Youtuber. Er lege mit präzisen Beobachtungen eine Jugendkultur und deren erschreckende Sprache offen, hieß es zur Begründung.

Von Mareike Wiemann |
    Das Logo des Filmfestivals DOK Leipzig
    Das Dokumentarfilmfestival DOK Leipzig hat am Samstagabend die Preise verliehen (Sebastian Kahnert/ZB/dpa )
    Sie leben im Jetzt, sie leben fürs Netz, und: ihnen ist komplett egal, ob das, was sie sagen, antisemitisch, sexistisch oder rassistisch ist.
    Regisseur Ben Yakov hat für seinen Film "Lord of the Toys" eine Clique von Dresdner Youtubern begleitet - und dafür nun beim Festival DOK Leipzig die Goldene Taube für den besten Deutschen Langfilm erhalten. Für die Schriftstellerin Helene Hegemann, in diesem Jahr Mitglied der Jury, war es eine einfache Entscheidung.
    "Einerseits ist der formal irritierend gut. Und andererseits ist man hier auf dem Festival mit vielen Filmen konfrontiert gewesen wo man merkt: die Filmemacher bewegen sich in ihrem eigenen Dunstkreis. Was ja völlig legitim ist, die eigenen Zusammenhänge zu erkunden und darüber einen differenzierten, intensiven Film zu machen. Aber diese differenzierte Intensität haben die Filmemacher von "Lord of the Toys" einfach hingekriegt, ohne sich mit sich selber zu beschäftigen."
    Kontroverse Diskussionen um "Lord of the Toys"
    Die Jury zeigte sich bei ihrer Entscheidung unberührt von den Diskussionen, die die Vorführungen des Filmes beim Festival begleitet hatten: Ein linkes Netzwerk hatte zu Protesten gegen "Lord of the Toys" aufgerufen, ein Festivalkino kurzfristig erwogen, den Film doch nicht zu zeigen, weil er rechten Inhalten eine Plattform gebe. Für Helene Hegemann fatale Reaktionen - der Regisseur verliere nie die kritische Distanz zu seinen Protagonisten, so die Überzeugung der Schriftstellerin.
    Über die anderen Gewinner des Abends wurde in Leipzig weit weniger diskutiert. Die Goldene Taube für den besten Internationalen Langfilm ging an den italienischen Wettbewerbsbeitrag "I had a Dream" von Claudia Tosi.
    Der Kampf zweier Politikerinnen für Demokratie in Italien
    Der Film ist eine Langzeitstudie, wie es sie selten heutzutage noch gibt. Die Regisseurin begleitet zwei italienische Politikerinnen über einen Zeitraum von zehn Jahren und zeigt dabei ihren Kampf gegen den Zerfall einer Demokratie. Ralph Eue, Leiter der Auswahlkommission von DOK Leipzig, zur Entscheidung der Jury:
    "Welche Ochsentour ist es eigentlich, wenn man versucht, Demokratie an der Basis versucht durchzusetzen. Das ist das, was der Film auf sehr unaufgeregte, routinierte, und engagierte Weise zeigt, und wo wir sehr, sehr damit einverstanden sind, dass der einen Preis gewonnen hat."
    Insgesamt wurden beim Festival in diesem Jahr 22 Preise in einem Gesamtwert von knapp 80.000 Euro vergeben. Der brasilianische Regisseur Ricardo Calil konnte den Nachwuchswettbewerb mit "Cinema Morocco" für sich entscheiden, ein Film über ein verlassenes Kino in Sao Paulo, das durch Migranten wieder zum Leben erweckt wird. Der Publikumspreis Leipziger Ring ging an die kenianische Aktivistin Beryl Magoko für ihr Selbstporträt. Sie engagiert sich gegen Genitalverstümmelung.
    Insgesamt zeigte sich DOK Leipzig in diesem Jahr so politisch wie lange nicht. Die aktuellen Konflikte im Land sind definitiv auf der großen Leinwand angekommen.