"Den Bildschirm zur Verbrechensbekämpfung einzusetzen, das ist der Sinn unserer neuen Sendereihe 'Aktenzeichen XY … ungelöst', die ich Ihnen heute vorstellen möchte. Die Kriminalität wächst, sie wächst nach neuesten Zahlen ungefähr fünf Mal so schnell wie unsere Bevölkerung. Polizei und Gerichte werden mit der Entwicklung kaum noch fertig, immer mehr Straftaten bleiben unaufgeklärt."
Mit mahnenden Worten begann Eduard Zimmermann seine neue Sendung, es war der 20. Oktober 1967. Das Format, das die Zuschauer und Zuschauerinnen zur aktiven Mithilfe aufforderte, war das erste seiner Art in Deutschland, sogar weltweit.
Schon im darauffolgenden Jahr schlossen sich Österreich und die Schweiz der Sendung an, denn auch dort gab es viele unaufgeklärte Verbrechen.
Dokumentation und Erinnerung
Die Dokumentation "Diese Sendung ist kein Spiel" von Regina Schilling arbeitet ausschließlich mit Bildern und Originaltönen von damals, kein Fernsehredakteur, Polizist oder Experte kommt zu Wort. Das macht den Film sehr authentisch.
Die Doku ist einerseits eine kritische Analyse von "Aktenzeichen XY ... ungelöst", als auch eine Erinnerung der Regisseurin an ihre frühen Jugendtage. Denn so mancher allzu drastischer Einspielfilm habe die Fernsehzuschauer, vor allem aber auch Zuschauerinnen, verängstigt zurückgelassen.
Beginn in einer Zeit der Umbrüche
Die Sendereihe fiel in jene Zeit, in der es viele Umbrüche in der bundesdeutschen Gesellschaft gab: Studenten, Frauen und Homosexuelle forderten mehr Rechte und Freiheiten, es gab Fortschritte beim Abtreibungsparagrafen 218, Teile der Studentenbewegung radikalisierten sich und tauchten ab in den terroristischen Untergrund.
Überdies kam eine sozial-liberale Regierung an die Macht, die "mehr Demokratie wagen" wollte, wie Bundeskanzler Willy Brandt es ausdrückte.
Eduard Zimmermann, als eine Art Mahner und moralische Instanz, haderte erkennbar mit diesen Entwicklungen, warnte in seiner Sendung vor einem ausschweifenden Lebensstil, Drogen und wechselnden Sexualpartnern: "Meine Damen und Herren, das hat nichts mit dem Respekt vor der persönlichen Freiheit zu tun. Aber ich glaube, wir müssen so gut es geht, verhindern, dass jungen Menschen unter dem Mantel der Harmlosigkeit ein trügerisches Glück vorgegaukelt wird, das im völligen Ruin endet."
Kritk an den Moralvorstellungen
Die offiziellen Zahlen gaben Zimmermann recht: Es gab mehr Drogenopfer, und auch die Rate an Mordfällen, Raub- und Totschlagsdelikten war seinerzeit angestiegen. Trotzdem diskreditierte die Sendung ganze Bevölkerungsteile, so zumindest bewertet es Regina Schilling in ihrem Film.
Für Zimmermann moralisch zweifelhaft waren demnach etwa Frauen, die ungebunden lebten, oder Homosexuelle, die seine Sendung fast gänzlich in ein kriminelles Milieu rückte. Schon 1970 machte der damalige Südwestfunk eine sehr kritische Sendung zu "Aktenzeichen XY ... ungelöst", man lud Zimmermann ein und attestierte dem neuen Format, die Bevölkerung zu Paranoikern und Denunzianten umzuerziehen.
Arbeit an Format für SAT.1
Später, in den siebziger Jahren haderte Eduard Zimmermann erkennbar auch mit der Grünen Partei und Bewegung, einmal rückte er zwei Morde sogar in jene Ecke - die Täter könnten aus der radikalen Atomkraftgegnerbewegung kommen, behauptete er.
Regina Schillings Film spannt einen Bogen von 1967 bis zur letzten Sendung 1997, die Eduard Zimmermann moderierte, parallel entwickelte er sogar auch eine reißerische, ähnlich konzipierte Sendung für SAT.1 - heute wäre das undenkbar, bei beiden Sendern gleichzeitig zu arbeiten.
Bei aller Kritik, die die Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" in all den Jahren abbekam - zu konservativ und streng sei sie gewesen, so lauteten die Kritiken - sie gehört untrennbar zu jener Generation, die in den sechziger und siebziger Jahren geboren wurde. Diese setzte sich Freitagabends gerne dem Grusel des realen Verbrechens aus, denn die Sendung klärte nicht nur Verbrechen auf, sie war auch spannend.
"Diese Sendung ist kein Spiel" von Regina Schilling läuft am Donnerstag, 10.02. um 23.00 Uhr im ZDF und ist zeitunabhängig in der ZDF-Mediathek abrufbar.