Der Bundestag kann sehr groß und unübersichtlich sein: Am ersten Tag, als die Jung-Abgeordneten sich erst mal auf die Suche nach ihren Büros machen, irren sie durch gläserne Gänge. Die fünf Parlamentarier im Film von Nancy Brandt sind zwischen 25 und 32 Jahre alt. Die Welt verändern? Das wollen sie schon, ein bisschen zumindest:
"Ich möchte in vier Jahren erreicht haben, gute, inhaltliche Arbeit zu leisten."
"Wichtig ist, im Wahlkreis präsent zu sein, dass man Zeichen und Spuren hinterlassen kann."
"Ich hoffe, dass ich in vier Jahren wiedergewählt bin, das ist für die politische Laufbahn das Wichtigste."
"Ich wollte mich von klein auf engagieren, die Welt verbessern, vielleicht auch diesen etwas naiven Anspruch, die Gesellschaft gerechter zu machen..."
Der Film "Die Gewählten" schlägt den Bogen von der ersten angespannten Rede im Bundestag, über die kleinteilige Arbeit im Wahlkreis bis hin zur Zitterpartie der Bundestagswahl 2013. Die fünf Jungpolitiker sind oft genauso wie man sie sich im Klischee vorstellen würde: Der Linke, die Grüne und die SPD-Abgeordnete eher idealistisch, die beiden Abgeordneten von CDU und FDP eher cool und karriereorientiert. War das Zufall? Regisseurin Nancy Brandt:
"Also ich hab zumindest nicht bewusst danach recherchiert, es gab damals ein Heft nach der Wahl 2009, wo alle 622 Angeordneten drin waren, mit Kurzbiografien und dann habe ich wirklich Internetcasting gemacht und hab geschaut, wie kommen die rüber, und bin zu denen hingefahren und es haben erstaunlicherweise alle ja gesagt und haben sich auf dieses Abenteuer eingelassen."
Von den Erfolgen sieht man wenig
Eine Stärke des Films ist es, dass er Politik weder glorifiziert noch runtermacht. Er zeigt, was ist. Wenn etwa die Jungpolitiker in unzähligen Sitzungen, Kommissionen, Versammlungen um ihre Positionen kämpfen, dann merkt man als Zuschauer: Als Politiker braucht man Sitzfleisch und Durchhaltevermögen. Das Bohren dicker Bretter braucht eben Zeit. Das ist dennoch spannend anzusehen, weil der Schnitt einiges an Leerlauf auffängt.
Ein Manko des Films ist, dass er nur wenig von den politischen Erfolgen der Abgeordneten zeigt, etwa dass die Grüne Agnes Krumwiede den Mindestlohn für Künstler als Fraktionsforderung durchbekommen hat:
"Mein erster Antrag - bin ich furchtbar stolz drauf, wirklich. Man braucht schon irgendwelche Ideen, die seriös sind, wo es auch der Regierung es schwerfällt, sie abzuschlagen, und es ist ihnen schwergefallen."
Der Film zeigt auch Kurioses: So ist Agnes Krumwiede 2010 durch ihr gutes Aussehen über Nacht in den Medien zur "Miss Bundestag" geworden. In einem Video-Clip schaute ihr Jürgen Trittin lang und intensiv nach - geboren war das Phänomen "Agnes und ihre Beine". Was dann folgte war eine schmierig-sexistische Kampagne, bei der sogar seriöse Medien mitmachten, erinnert sich Nancy Brandt:
"Aber selbst die Süddeutsche Zeitung, selbst wirklich seriöse Zeitung haben nur noch über Trittins Blick und ihren Hintern berichtet oder was weiß ich, das war schon echt krass, da habe ich sehr mit ihr mitgelitten auch."
Das Ende ist für manche wenig ruhmreich
Danach hatte sich Agnes Krumwiede wochenlang erst mal sehr verschlossen, erzählt Nancy Brandt - wohl verständlich nach solchen Erlebnissen.
Doch was bleibt von vier Jahren Politik im Bundestag? Wenn die Jungabgeordneten erzählen, kommt im Film eine gewisse Ernüchterung zum Vorschein:
"Ja, ich bin dicker geworden..."
"Ich war vielleicht am Anfang einen Tick zu stürmisch im Sinne von 'Ich bin jetzt hier und mach das alles'."
"Ich will trotzdem noch die Welt retten und besser machen, ich wüsste aber, man nimmt nicht den ganz geraden Weg, es ist eben im Detail schon relativ komplex."
"Engagiert kompetent, verlässlich, ich finde, das muss ein Politiker sein."
Das Ende ist für manche wenig ruhmreich: Sebastian Körber, der FDP-Abgeordnete muss wieder in seinen Beruf als freier Architekt zurück und auch Agnes Krumwiede schafft es wegen eines ungünstigen Listenplatzes nicht wieder in den Bundestag.