Die Euphorie, die im Sommer 1997 um Jan Ullrich herrschte, sei mit der Euphore einer Fußball-WM vergleichbar gewesen, sagt Ole Zeisler, einer der Autoren von "Deutschland. (K)ein Sommermärchen". Zusammen mit Ben Wozny hat Zeisler für den Norddeutschen Rundfunk (NDR) eine Dokumentation über Ullrichs Sieg bei der Tour de France produziert.
Vor und nach Ullrich hat kein Deutscher mehr das wichtigste Radrennen der Welt gewonnen. Doch angesichts des internationalen Radsport-Drogensumpfes, speziell in Ullrichs Team Telekom, hat diese Sternstunde einen bitteren Nachgeschmack bekommen.
"Man muss sich selbst Eurphoriebremsen setzen"
Das besondere an der Dokumentation ist, dass sie ohne Sprecher auskommt. "Wir wollten den Zuschauer ein bisschen mit dem Wissen von heute alleine lassen", sagte Zeisler. "Es ist eine Herausforderung , aber auch eine Motivation, nur mit Bildern von damals zu arbeiten und dieses Gefühl herauf zu beschwörden, das jeder hatte, der es verfolgt hat. Aber dann muss man sich selbst wieder Euphoriebremsen setzen. Das war die Intention."
Neben dem Originalkommentar von damals kommen unter anderem auch Ullrichs damalige Helfer Rolf Aldag und Uwe Bölts zu Wort, beide geständige Dopingsünder. Die Idee zu dem Film kam Zeisler, als er sich den Antritt von Ullrich auf der zehnten Etappe noch einmal ansah. "Ich dachte: 'Krass. Da saß ich auch irgendwo vor dem Fernseher und habe gedacht, das ist Sporthistorie.' Und so gebar die Idee, einen Film zu machen mit all diesen Zwischentönen, die bewusst gesetzt sind, um zu zeigen, dass es einen noch irgendwie mitnimmt, mit dem Wissen auch von Ullrichs persönlicher Geschichte."
Perspektive von Ullrich fehlt
Ullrichs Perspektive selbst haben die Macher des Films bewusst weggelassen, "weil wir auch auf keinen voyeuristischen Zug aufspringen wollten", sagte Zeisler. "Es ist ja ein krasser Absturz gewesen", sagte Zeisler mit Bezug auf jüngere Schlagzeilen in der Boulevardpresse um Ullrich, bei denen unter anderem die Bedrohung einer Prostituierten im Raum stand. "Wir wollten nur Triggerpunkte setzen, warum das mit so einem Menschen passieren kann, der empfänglich für so etwas ist und über den mit 23 viel zu viel scheinbar hereingebrochen ist, was er gar nicht bedienen konnte."
Zeislers persönliche Haltung zur Tour 1997 ist gespalten. "Ich kann mich an den Bildern immer noch ergötzen, muss aber auch sagen: Da ist ein Schatten für mich. Ich kriege das noch halbwegs hin zu sagen: Das war nicht ok, speziell weil so lange gelogen wurde und weiter so viel Mist produziert wurde."