Es war eine Abstimmung mit den Füßen. Während in anderen Ländern des Ostblocks sich schon politische Veränderungen Bahn brachen, versuchte die DDR-Führung noch, die Zügel in der Hand zu behalten und die lange vorbereiteten Feiern zum 40. Jahrestag der Staatsgründung durchzuziehen. Doch im Spätsommer blieben einige tausend DDR-Bürger einfach in Ungarn oder in der damaligen Tschechoslowakei. Sie wollten von dort in den Westen.
Lösung mit Hilfe Moskaus
Am frühen Abend des 30. September 1989 war Hans-Dietrich Genscher in Prag eingetroffen. Der Bundesaußenminister war, was kaum einer wusste, gesundheitlich anschlagen. Dennoch hatte er die Reise nach New York auf sich genommen, um am Rande der UNO-Vollversammlung unter anderem mit Eduard Schewardnadse, dem Außenminister der Sowjetunion, über eine Lösung zu verhandeln.
"Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen..."
In Prag richtete er um genau 18:58 Uhr das Wort an die im Garten der deutschen Botschaft ausharrenden DDR-Flüchtlinge. Er sagte: "Liebe Landsleute, wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise ..." Der Rest des Satzes ging im Jubel der Menschen unter. Wie es zu diesem Ereignis kam, was es bedeuten könnte, darüber sprach Dettmar Cramer mit Hans-Dietrich Genscher.
Zu diesem "Dokument der Woche" haben wir 25 Jahre danach folgendes Interview mit Dettmar Cramer geführt.