Der Blick des Großvaters wird plötzlich ganz leer. Er sitzt im Wohnzimmer und starrt vor sich hin. Seine Enkelin hat ihm gerade gesagt, dass sie nach Deutschland ziehen will. Sie, geboren und aufgewachsen in Israel, will in seine alte Heimat ziehen. In das Land von Nazis und Holocaust, aus dem er einst fliehen musste. "Nein", sagt der 97-Jährige zu seiner Enkeltochter Gil. "Du ziehst auf keinen Fall nach Deutschland."
"Ich glaube nicht an Deutschland. Sie waren schlecht. Und sie blieben schlecht. Und sie werden schlecht bleiben."
"Warum ausgerechnet Deutschland?"
In den vergangenen Jahren sind Tausende Israelis nach Deutschland gezogen. Viele von ihnen die Enkelkinder von Überlebenden des Holocaust. Ausgerechnet Deutschland. Wie reagieren die Großeltern auf diese Entscheidung? Und wie fühlen sich die Enkelkinder? Der Dokumentarfilm "Back to the Fatherland" sucht nach Antworten auf diese Fragen. Die Enkelin des 97-jährigen Gil Levanon ist eine der Filmemacherinnen. Zusammen mit der Österreicherin Katharina Rohrer begleitete Levanon Israelis, die nach Deutschland und Österreich gezogen sind. Dan Peled zum Beispiel, ein Künstler, der vor fünf Jahren nach Berlin kam. Seine Großmutter Lea stammt aus Wien. Sie floh vor den Nationalsozialisten, als sie 14 Jahre alt war.
Dan Peled:"Ja, ich wusste eigentlich, dass sie sich unwohl fühlt, wenn ich nach Deutschland gehe. Aber: Sie hat nichts gesagt."
Lea Peled: "Ich habe nichts gesagt, aber ich war nicht begeistert. Warum ausgerechnet in Deutschland?"
Dan Peled: "Aber jetzt können wir uns auf Deutsch unterhalten. Das ist schon etwas, oder?"
Lea Peled: "Wir können auch Ivrith sprechen."
Hebräisch also. Und da ist er wieder: der nachdenkliche, vermeintlich leere Blick einer Holocaustüberlebenden. Was genau in ihr vorgeht, das behält sie für sich.
Sehnsucht nach Berlin
Gil Levanon, die Autorin des Films und Enkelin eines Überlebenden des Holocaust, weiß, dass sie ihrem Großvater wehtut. Sie könnte auch nach Rom oder Barcelona ziehen. Die Sehnsucht nach Berlin ist jedoch stärker.
"Ich glaube wirklich, dass es eine unbewusste Verbindung nach Deutschland gibt. Am Ende des Tages kommt meine Familie von dort. Meine DNA hat in Europa Jahrhunderte verbracht. Ich spüre eine Anziehung. Es ist komisch darüber zu sprechen, nach allem, was damals geschehen ist. Ich sollte mich in Deutschland nicht wohlfühlen. Aber dann gibt es diese Momente, wo ich denke: Wow, in diesem Café sieht es genauso aus, wie in dem Wohnzimmer meiner Großmutter."
Tiefe Liebe zwischen Großeltern und ihren Enkeln
Gil Levanons Großeltern hatten vielleicht nie die Absicht, bei ihrer Enkeltochter Sympathien für Deutschland zu wecken. Und doch haben sie es getan. Viele Jeckes, wie deutsche Juden in Israel genannt werden, haben deutsche Gewohnheiten nie abgelegt. Gil Levanon bleibt dabei: Sie will nach Berlin ziehen.
"Es ist nicht einfach. Aber ich muss mein Leben leben. Am Ende ist mein Opa weicher geworden. Da hat er gesagt: Wenn Du glücklich bist, bin ich es auch."
"Back to the Fatherland" zeigt die Traumata, die die Shoah in israelischen Familien ausgelöst hat. Vor allem zeigt er jedoch die tiefe Liebe zwischen Großeltern und ihren Enkeln. Eine Liebe, die bei Gil Levanon die Sehnsucht nach Deutschland ausgelöst hat. Eine Liebe, die dazu führt, dass die Großeltern ihre Enkel ziehen lassen.