"Widerstand." "Diese Belagerung durch Polizei und Staatsschutz erinnert uns natürlich an die Deutsche Demokratische Republik. Dazu gibt es ein schönes Märchenbuch und dieses Märchenbuch heißt Grundgesetz."
Wir kennen solche Bilder aus den Nachrichten: jetzt vor Flüchtlingsunterkünften, vor ein paar Monaten bei PEGIDA-Demonstrationen: Junge Polizisten in Konfrontation mit Neonazis und Rechtspopulisten.
Das ist der Ernstfall und eine der eindringlichsten Szenen in diesem Film. Die Filmregisseurin Marie Wilke zeigt in ihrer Langzeitdokumentation "Staatsdiener" jetzt die Welt der Polizei aus Sicht junger, angehender Polizisten. Die Regisseurin betont zugleich, dass es keinerlei Zensur durch die Institutionen gab.
Sie begleitet fünf Polizeischüler während ihrer Ausbildung. Die Inszenierung ist dabei betont keine journalistische: Nicht alle Fragen werden beantwortet; manches bleibt offen, wenig wird erklärt. Orientiert hat sich Wilke vor allem an den Institutionenportraits des berühmten Frederick Wiseman, des Großmeisters des "Direct Cinema".
Eine ruhige, distanzierte kühle Kamera verbleibt ganz in der Beobachterhaltung, einen Kommentar in Worten gibt es nicht. Statt Stationen chronologisch abzuhaken, bietet der Film Fragmente und Impressionen, kleine Mosaiksteine, die sich mit der Zeit zu einem Gesamtbild fügen.
Dilemma von Ideal und Realität
So lernt man als Zuschauer Menschen kennen, nicht Uniformträger. Wilkes Film bricht mit Vorurteilen: Wir sehen zwar Prügelvideos der Bereitschaftspolizei, die zur internen Schulung dienen, begegnen manchen autoritären Verhaltensweisen, wir beobachten aber auch die kritischen Reaktionen der jungen Nachwuchspolizisten.
"Das ist halt auch diese Angst vor Repressionen. Man denkt ja dann immer: Dann hab ich 'ne Anzeige laufen, dann bin ich im Beförderungsstopp, und wenn da dann für andere der nächste Stern kommt, bin ich halt da draußen." Die jungen Leute sollen an der Polizeischule lernen, sich für Recht und Gesetz einzusetzen und geraten dabei oft an die Grenze des Erlaubten und in ein Dilemma von Ideal und Realität. Zu beneiden sind diese Nachwuchspolizisten nicht.
Welche Motivation hinter der Berufswahl, Polizist werden zu wollen, steckt, das bleibt allerdings im Vagen. Wilke zeigt keine Interviews, sie will nichts erklären. Wilke zeigt, wie man eigentlich zum Polizisten wird. Und was passiert, wenn Polizei auf gesellschaftliche Realität trifft. Nur die selbstgestellte Frage: Wie sehr kann ein Mensch überhaupt zum Staat werden? die beantwortet sie nicht wirklich, sondern beschränkt sich auf Antwortversuche. Vielleicht war es auch anders gar nicht möglich.
Gelegentlich ist der Film lustig, etwa wenn man die allzu-menschliche Unsicherheit der Schüler erkennt, denen im Training polizeitypische Verhaltensweisen noch nicht so leicht fallen, und die Polizeischüler zu hart oder zu lasch reagieren.
Polizeiarbeit ist oft Sozialarbeit
"Ein paar Schritte zurück bitte" - "Was wollen Sie denn überhaupt von mir?" - "Sie bleiben jetzt da stehen. Wir führen jetzt 'ne Intitäts ... 'ne Identitätsfeststellung durch." Oder wenn geübt wird, wie man mit Schutzschildern eine Formation bildet: "Polizeikette, Gebrauch Einsatzstab frei - Und wir schlagen gegen das Schild."
Oft genug aber ist alles auch deprimierend, denn Wilke zeigt auch durch die Brille der Polizei ein Bild des ganzen Landes: "Ich bin doch zuhause hier, ich bin zuhause hier" - "Jetzt bleiben Sie doch mal ruhig! Mann!" Das Deutschland, in dem die Polizei für Recht und Ordnung sorgt, ist nicht nur politisch radikal und oft rechts. Es ist auch voller Tristesse, Depression, Verwahrlosung. Oft ist Polizeiarbeit die von Sozialarbeitern.
Wilkes präzises und nicht ideologisch gefärbtes Dokumentarportrait zeigt, worauf die künftigen Staatsdiener vorbereitet werden. Wilke erschließt so ein bislang fast völlig unbekanntes Terrain. Dass sie durch solche Konfrontationen und ihr humanes, neugieriges Portrait der fünf jungen Polizisten letztendlich auch Sympathie für die Institution weckt, das macht diesen hervorragenden Film nicht nur menschlich, sondern, wenn man so will, selbst zu einem Stück Dienst am Staat.