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Dokumentarfilm über Conny Plank
"Sehr viel Produktionsarbeit fand am Küchentisch statt"

Kraftwerk, Eurythmics, Gianna Nannini - sie alle haben in Conny Planks Studio im kleinen Wolperath bei Köln Musik aufgenommen. Mit David Bowie hätte er gerne gearbeitet, erinnert sich sein Sohn Stephan Plank im Dlf. In einem neuen Dokumentarfilm erforscht er die Arbeit seines Vaters.

Stephan Plank im Gespräch mit Anja Buchmann |
    Stephan Plank bei den Dreharbeiten mit David Stewart
    Stephan Plank (r.), der Sohn des Produzenten Conny Plank, bei Dreharbeiten mit Musiker David Stewart von Eurythmics (Edition Salzgeber)
    Anja Buchmann: Kingston – Havanna – Liverpool, so David Stewart von den Eurythmics, sind Metropolen, in denen spannende Musik produziert wurde. Und dann musste er auf einmal noch einen sehr kleinen Ort hinzufügen: Wolperath. Das Dorf im Bergischen, Nähe Köln, wo der Musikproduzent Conny Plank sein Studio auf einem alten Bauernhof hatte. Der Mann, der Platten produziert hat von Kraftwerk, NEU!, Cluster, Eurythmics, Brian Eno, Gianna Nannini, Scorpions, DAF, Devo, Humpe & Humpe, Ultravox und, und, und. Heute Abend feiert der Film "Conny Plank – The Potential of Noise" auf der Kölner c/o pop internationale Premiere. Autor, Co-Regisseur und Produzent ist Stephan Plank, der Sohn des 1987 verstorbenen Produzenten. Schönen guten Tag Herr Plank!
    Stephan Plank: Ja, guten Tag.
    Buchmann: Herr Plank, wie war Ihr Bild von ihrem Vater vor dem Film und auch vor den Recherchen und Interviews? Waren das für Sie zwei Persönlichkeiten, zum einen der Vater, zum anderen der Produzent?
    Plank: Ja, es gab so eine diffuse Unterscheidung. Es gab Papa und dann diese Überperson, die von allen immer beschrieben wurde als der Produzent Conny Plank. Man war neugierig auf ihn.
    Buchmann: Und diese beiden Persönlichkeiten haben Sie zunächst nicht ganz übereinander bekommen, aber nach Abschluss des Films dann mehr?
    Plank: Zumindest verstehen gelernt. Es ging mir ja darum herauszufinden, wie er gearbeitet hat und was er überhaupt getan hat, weil man als 13-jähriger Junge und davor nicht Gespräche führt wie: "Sag mal Papa, wie arbeitest du eigentlich? Wie machst du das?"
    Conny Plank tanzt mit seinem Sohn Stephan auf dem Arm
    Conny Plank tanzt mit seinem Sohn Stephan auf dem Arm (Edition Salzgeber/Christa Fast)
    "Ich wollte in jedem Fall ein Korrektiv dabei haben"
    Buchmann: Ist es schwierig einen Dokumentarfilm zu machen? Also sagen wir mal so: Es ist grundsätzlich vielleicht schwierig einen Dokumentarfilm zu machen über Künstler, wenn man selbst auch Fan des Künstlers oder der Künstlerin ist, da eine kritische Distanz auch notwendig ist. Wenn es dann auch noch der eigene Vater ist, ist die Hemmschwelle dann noch größer?
    Plank: Sagen wir, man ist sich der Situation bewusst, was für mich auch eine klare Entscheidung zum Co-Regisseur war, weil ich in jedem Fall ein Korrektiv dabei haben wollte. Und mit Ret Caduff habe ich jemanden gefunden, dem ich sehr vertraue.
    Buchmann: Der Film beinhaltet viele Interviews mit Künstlern, die sie besucht haben. Sie sind bis in die USA gereist. Es gab viele Aussagen von Klaus Meine von den Scorpions, von Gianna Nannini und anderen, die alle so ein bisschen übereinstimmend sagten: "Conny Plank hat die Persönlichkeit, der Musiker, der Band hervorgerufen, die Identität geschärft." Wie würden Sie sagen hat er das gemacht?
    Plank: Ich glaube, indem er sie dazu gebracht hat, authentisch über ihre Gefühle in der Musik zu kommunizieren. Es ist ganz faszinierend, dass es viele Künstler gab, die bei meinem Vater angekommen sind, die gesagt haben, sie wollen englisch singen.
    "In der Musik geht's um Authentizität"
    Buchmann: Zum Beispiel auch Gianna Nannini.
    Plank: Oder Rita Mitsouko. Und mit denen hat er dann gesprochen: Ich finde eure Musik ganz toll, aber ich glaube, ihr solltet in eurer Muttersprache singen, weil in der Musik geht es um Authentizität, und du hast immer eine höhere Barriere zu überspringen, wenn du versuchst es nicht in deiner Muttersprache zu tun. Und er hat sie einfach dazu bewegt, sich selbst zu finden.
    Buchmann: Was ja keine einfach Sache ist. Das klingt jetzt so lapidar. Er hat sie dazu bewegt, sich selbst zu finden. Wie hat er das gemacht? Er hat irgendwie ihr Vertrauen auch gewonnen, hat dann vielleicht auch die familiäre Atmosphäre in Wolperath auf dem Land. Zum Teil zusammenwohnen mit der Familie. Ultravox war ja sogar mal fast drei Monate da. Hat das auch dazu beigetragen, da quasi Vertrauen aufzubauen?
    Plank: Vertrauen aufzubauen und mit den Menschen über ihre Musik zu sprechen. Ich glaube, sehr viel der Produktionsarbeit meines Vaters hat tatsächlich am Küchentisch stattgefunden, wo er auf die Musiker gehört hat, in sie reingehört hat und sie dazu gebracht hat, selber zu ihrer Musik zu reflektieren.
    Buchmann: Was ja den Gründer von Mute-Records auch mal ein bisschen an den Rande des Wahnsinns getrieben hat, weil er bei der Aufnahme von DAF auch zugegen war und er erst mal sehr verunsichert war, weil ihr Vater einfach in erster Linie mit den Musikern gesprochen hat und die sich untereinander ausgetauscht haben und er dachte: Wann fangen wir denn endlich mal an?
    Wir haben noch länger mit Stephan Plank gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Plank: Ja, es war sehr lustig, das von ihm erzählt zu bekommen, weil es so dramatisch war. Daniel Millar hatte sich tatsächlich das Geld zusammengeliehen, um das erste Album für Mute zu produzieren. Das sollte mit DAF und meinem Vater stattfinde. Daniel hatte sich mit meinem Vater auf drei Tage geeinigt, die sie zusammenarbeiten würden, und die ersten beiden Tage wurde quasi nur gesprochen. Und Daniel schildert das im Film so schön, weil es immer dramatischer wurde. Er dachte: Ich mache alles richtig, das ist mein Lieblingsproduzent, das ist die Band die ich toll finde und jetzt gehen wir zusammen ins Studio und dann fangen sie an zu reden. Und er war so: "Wann fangt ihr denn an?" Und Conny hat gesagt: "Ja, ich stelle hier noch ein paar Sounds ein." Und am nächsten Tag wieder über Musik gesprochen und nichts aufgenommen. Und Daniel war so: "Oh Gott, jetzt habe ich die Kohle versenkt. Das war's." Aber am dritten Tag sind sie dann ins Studio gegangen am Nachmittag und haben das ganze Album aufgenommen.
    "Muss er singen oder kann er singen?"
    Buchmann: Dann ja auch sehr erfolgreich. Also ihr Vater stand ja auch für stilistische Vielfalt. Es gab elektronische Avantgarde, Crowd Rock, New Wave, Rock-Pop, Hip-Hop, sogar ein bisschen Schlager war dabei. Was war für ihn das Auswahlkriterium, welche Bands er da produziert hat?
    Plank: Ich kann mich nur daran erinnern, wie mein Vater morgen am Küchentisch saß und wir hatten Berge von Demo-Tapes da. Und dann hat er immer Demo-Tapes angemacht, und wenn was gut war, haben mehrere Leute darüber gesprochen. Eine der Fragen, die mein Vater gestellt hat war: Muss er singen oder kann er singen? Und wenn er nur singen konnte, war es eigentlich belanglos und nicht interessant. Aber wenn er singen musste, dann war das: Okay, jetzt müssen wir uns damit auseinandersetzen.
    Buchmann: Und Bono von U2 war für ihn vielleicht einer, den hat er ja abgelehnt, der nicht singen musste, sondern singen konnte?
    Plank: Möglicherweise.
    Stephan Plank, Sohn des legendären Produzenten Conny Plank am 09.07.2015 im Studio von Deutschlandradio Kultur
    Stephan Plank, Sohn des legendären Produzenten Conny Plank am 09.07.2015 im Studio von Deutschlandradio Kultur (Deutschlandradio Kultur / Oranus Mahmoodi)
    Buchmann: Also, sie wissen nicht ganz genau, warum er ihn abgelehnt hat?
    Plank: Sagen wir so, ich habe erlebt, wie die bei uns in der Küche gesessen haben und über die Produktion gesprochen haben. Und dann hat mein Vater mitgeteilt, dass er es sich überlegen wollen würde. Ein, zwei, drei Tage später war das Loreley-Festival und da sind wir hingefahren, weil U2 da spielen sollte. Und dann waren wir rechtzeitig da, U2 geht auf die Bühne und Bono stellt sich hin und sagt: "Willkommen, unser neuer Produzent Conny Plank!" Und mein Vater hat sich umgedreht und ist gegangen.
    Buchmann: Okay, das war ihm schon zu selbstherrlich?
    Plank: Na ja, er hatte ja gesagt, er wolle darüber nachdenken.
    "Er hätte bestimmt gerne mit Bowie gearbeitet"
    Buchmann: Ja genau. Und er hat es dann direkt als Faktum hingestellt. Aber David Bowie. Da fragt man sich: Warum hat er den abgelehnt?
    Plank: Ich glaube, mein Vater brauchte etwas, womit er kommunizieren konnte, und einen Geisteszustand, wo er andocken konnte. Ich glaube, er hätte bestimmt gerne mit Herrn Bowie gearbeitet, nur der war zu diesem Zeitpunkt in einem anderen Geisteszustand.
    Buchmann: In einem anderen Geisteszustand?
    Plank: Vielleicht was mit Betäubungsmitteln zu tun hat.
    Buchmann: Ah, okay. Wobei der Einsatz von Betäubungsmitteln in dem Studio ja durchaus immer mal wieder praktiziert wurde.
    Plank: Sicherlich, es gibt halt Grenzen. Die Bowie-Jahre in Berlin sind ja mit besonders harten Drogen in Verbindung gebracht, die bei uns zu Hause keine Anwendung fanden.
    Buchmann: Stephan Plank, der Sohn des Produzenten Conny Plank, im Corsogespräch. Der Dokumentarfilm "Conny Plank – The Potential of Noise" hat heute um 20 Uhr auf der c/o pop Premiere; ab 28. September kommt er in die Kinos.
    Ich habe noch etwas länger mit Stephan Plank gesprochen – unter anderem über die Arbeit und Bedeutung von Produzenten damals und heute. Unsere XL-Version finden Sie – wie die anderen Beiträge und die gesamte Sendung - auch in der "Dlf Audiothek"-App. Einzelheiten zur App auf deutschlandfunk.de/dlfaudiothek.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.