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Dokumentation Obersalzberg
"In Pullach war Martin Bormann die Nummer eins"

Die Dokumentation Obersalzberg eröffnet ihre Winterausstellung: Unter dem Titel "Trügerische Idylle - Pullach und der Obersalzberg" zeigt sie die Geschichte von zwei Täter-Orten des NS-Regimes. Das verbindende Glied zwischen Pullach und dem Obersalzberg sei Hitlers Vertrauter Martin Bormann gewesen, sagte Kurator Albert Feiber im Deutschlandfunk.

Albert Feiber im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich |
    Eine Besucherin in der NS-Dokumentationsstelle Obersalzberg
    Eine Besucherin in der NS-Dokumentationsstelle Obersalzberg (picture-alliance/ dpa - Peter Kneffel)
    Burkhard Müller-Ullrich: Der Obersalzberg ist ein Gruselort deutscher Vergangenheit. Hier ließ Hitler sich sein Privatparadies bauen, Hermann Göring und Martin Bormann besaßen Häuser, und nach dem Krieg stellte sich die Frage, was auf diesem Nazi-Boden wohl entstehen sollte. Bis vor knapp 20 Jahren hielt die US-Armee das Gelände besetzt, doch dann übernahm der Freistaat Bayern als Rechtsnachfolger der gerade genannten Grundeigentümer und ließ ein Dokumentationszentrum bauen. Dort gibt es Ausstellungen zu sehen, für die Albert Feiber vom Münchner Institut für Zeitgeschichte verantwortlich ist, und jetzt gerade wurde die neue Winterausstellung mit dem Titel "Trügerische Idylle – Pullach und der Obersalzberg" eröffnet. Herr Feiber, Obersalzberg ist klar, aber was hat es mit Pullach auf sich? Das ist ja ein Vorort im Süden von München und uns eher bekannt als Sitz des Bundesnachrichtendienstes.
    Albert Feiber: Das ist richtig und der Bundesnachrichtendienst sitzt genau auf den Liegenschaften in den Gebäuden des sogenannten Sonnenwinkels, der im Dritten Reich auch bekannt war unter dem Namen Martin-Bormann-Siedlung. Und Martin Bormann ist auch in der Person das verbindende Glied zwischen dem Obersalzberg und Pullach. Am Obersalzberg hat Martin Bormann seit 1935 in etwa das alte Dorf Obersalzberg ausgelöscht und zum Führersperrgebiet umgebaut, im Auftrag und im Namen von Adolf Hitler. In Pullach war Martin Bormann die Nummer eins. Hier hat er für seinen Stab in der Parteikanzlei in München im braunen Haus und den Führerbauten und Verwaltungsbauten im Parteiviertel in München eine Wohnsiedlung errichtet. Und das Ganze kumuliert sehr schön in einem Schreiben von Martin Bormann von 1937, in dem er mitteilt, dass sein Wohnsitz bis auf Weiteres Obersalzberg bei Berchtesgaden ist. Seine Münchener Adresse sei eben Pullach, Heilmannstraße, und am besten sei er postalisch zu erreichen über das braune Haus.
    "Die Dokumentation Obersalzberg bekommt einen Neubau"
    Müller-Ullrich: Das ist natürlich wie bei allen Geschichtsausstellungen relativ schwierig museal zu gestalten, stelle ich mir vor. Sie haben ja gerade vom Foto eines Schreibens gesprochen. Was sind das? Nur Dokumente, nur Abbildungen von einst und jetzt, oder was können Sie vorzeigen?
    Feiber: Diese Winterausstellung ist in der Bunkeranlage zu sehen, in der wir eine große Kaverne - so nennt man die Bunkerräume - zu einem Sonderausstellungsraum umfunktioniert haben, und da können wir aus klimatischen Gründen eigentlich nur mit Reproduktionen arbeiten. Wir zeigen Fotos, Dokumente, aber auch Tondokumente, wo über die Zeit berichtet wird.
    Müller-Ullrich: Das ist jetzt die Winterausstellung. Jetzt gibt es aber eine Dauerausstellung, die sich auch im Laufe der Zeit verändert hat und weiter verändern soll. Woraus besteht die? Aus Grundbucheinträgen?
    Feiber: Nein. Die Dokumentation Obersalzberg bekommt einen Neubau, wo die Ausstellungsfläche sich auch fast verdreifacht gegenüber der jetzigen Dauerausstellung, und in dieser neuen Dauerausstellung wollen wir sehr viel musealer arbeiten als bisher. Das heißt, wir wollen mit Originalobjekten, mit dreidimensionalen Objekten arbeiten. In unserer Sammlung befinden sich derzeit relativ wenige derartige Gegenstände. Bis vor ein paar Jahren war das auch eigentlich sehr umstritten, ob man mit Objekten museal bei NS-Ausstellungen arbeiten kann. Aber wir denken, dass wir, um das zu entmystifizieren, auch mit Objekten arbeiten müssen.
    Müller-Ullrich: Hitler hat ja schon sehr früh ein Verhältnis zum Obersalzberg gehabt. Er hat dort auch einen Teil von "Mein Kampf" geschrieben.
    Feiber: Richtig. Hitler hat zusammen mit anderen lokalen NS-Größen Dietrich Eckart, einer der frühen Förderer Hitlers und der NSDAP, am Obersalzberg besucht und sich dann, wie er später sagt, sofort in die Landschaft verliebt. Tatsache ist, dass Hitler dann regelmäßig seit 1923 immer wieder auf den Obersalzberg kam und Berchtesgaden und der Obersalzberg für Hitler ein Rückzugsort vor der Öffentlichkeit war, wo Hitler immer wieder die NSDAP-Führungsriege zu sich beorderte, um wichtige Entscheidungen zu verfassen.
    "Die Wiege des gehobenen Tourismus im Berchtesgadener Land"
    Müller-Ullrich: Jetzt gibt es ja bei Ihnen gewissermaßen schräg gegenüber Ihres Dokumentationszentrums ein Luxushotel. Das hat gerade den Pächter gewechselt und ist etwas bajuwarischer geworden in der Anmutung. Wie arbeiten Sie und arbeiten Sie überhaupt irgendwie mit denen zusammen? Früher, glaube ich, musste dort in jedem Zimmer so ein Geschichtsheft zur Aufarbeitung der Vergangenheit ausliegen. Ist das auch noch so?
    Feiber: Der Obersalzberg war, wenn man so will, die Wiege des gehobenen Tourismus im Berchtesgadener Land und es war Mitte, Ende der 90er-Jahre sehr stark umstritten, ob man an so einem historisch belasteten Ort wie dem Obersalzberg normalen Tourismus machen kann. Und deshalb war die Frage, ob man da ein Luxushotel bauen kann, äußerst umstritten und das führte dann dazu, dass in den Anfangsmonaten des neu eröffneten damaligen Interconti der Begleitband zur Dokumentation Obersalzberg in jedem Zimmer auflag. Wir arbeiten mit dem heutigen Kempinski konstruktiv zusammen. Das heißt, wenn gewünscht wird, bekommen die Gruppen, die Besucher vom Kempinski auch mal Sonderführungen durch die Dauerausstellung. Das Personal wird von uns informiert, dass sie um die Besonderheit des Ortes wissen und gegebenenfalls dann richtig reagieren können.
    Müller-Ullrich: Das Dokumentationszentrum Obersalzberg und seine Aktivitäten - Albert Feiber vom Münchner Institut für Zeitgeschichte hat sie uns erläutert. Er ist der Kurator der dortigen Ausstellung.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.