20.000 interne "Memos" schrieb er in sechs Jahren Pentagon, intern "Snowflakes" genannt, "Schneeflocken". Aber so schnell wie diese schmelzen die Produkte von Donald Rumsfelds Diktierwut nicht dahin.
Ein Faktenfetischist und einer, der Wortspiele liebt. Wie das berüchtigte, das dem Dokumentarfilm von Errol Morris seinen Namen gibt.
"There are known knowns. There are known unknowns. There are unknown unknowns. But there are also unknown knowns..."
Donald Rumsfeld am 12. Februar 2002 bei seiner berühmtesten Pressekonferenz, bei der er über das "Unknown Known" philosophiert.
Der Film rekonstruiert Rumsfelds Leben als Politiker und zeigt etwa, dass dieser sich schon früh mit dem CIA-Direktor George Herbert Bush verbündete, dem späteren Präsidenten Bush der Ältere und dass er zu klug war, um sich von Richard Nixon in den Watergate Skandal verwickeln zu lassen.
Intelligenz und süffisanter Sarkasmus
Der Schwerpunkt des Films liegt auf Rumsfelds Zeit als Verteidigungsminister. Nie wolle er verantwortlich sein für ein Desaster wie "Pearl Harbour", einen Überraschungsschlag, der die eigene Seite auf dem falschen Fuß erwischt - aus einem "Mangel an Fantasie", wie er es formulierte. Dann kam der 11. September 2001. Aus dieser Erfahrung, diesem Trauma heraus muss man Donald Rumsfeld erklären, um sein Handeln zu verstehen.
Intelligenz und süffisanter Sarkasmus, auch eine gewisse Selbstironie, die nur für sehr dogmatische Feinde Amerikas überraschend sein dürfte, charakterisieren Rumsfeld, so wie er in diesem Film erscheint. Auch ansonsten weicht das Bild, das Morris zeichnet, sehr stark von Rumsfelds Image ab, das ihn auf einen stur-verbissenen neokonservativen Ideologen reduziert. Man erlebt stattdessen einen hochintelligenten Mann, der mit sich im Reinen ist, zu seiner Politik steht und sie auch dort, wo sich der europäische Betrachter innerlich sträubt, erstaunlich schlüssig begründen kann. Und der sich zugleich in vielen Momenten überraschend selbstkritisch zeigt. Vor allem aber hat Rumsfeld überraschend großen Charme.
"I've had this discussion with my friend John Episade, and next time when he's here you can have this discussion with him" - Lachen
Den Regisseur mag das wohl selbst am meisten überrascht haben. Errol Morris gelang vor zehn Jahren mit "The Fog of War" das genaue Porträt und eine Entlarvung von Robert McNamara, der als Ex-Verteidigungsminister unter Präsident Johnson für die Eskalation des Vietnamkriegs und Flächenbombardements, Napalm und "Agent Orange" verantwortlich war. Diesmal mag der Regisseur etwas Ähnliches erhofft haben. Aber wer Enthüllungen erwartet, Geständnisse oder plumpe Ausreden, der wird enttäuscht.
Denn Rumsfeld ist bereit, einzelne Fehler und Misserfolge zuzugeben. Er ist aber auch bis heute überzeugt, in den meisten Fällen das aus seiner Sicht Richtige getan zu haben. Neben einer guten Argumentation weiß er sich ansonsten gut darzustellen. Er vermeidet Fehler, er bleibt zurückhaltend, lauert auf Fragen mehr, als dass er dem Fragesteller entgegenkommt.
Errol Morris ist zwar ein erklärter Kritiker der Bush-Administration und hat mit seinem Film "SOP - Standard Operating Procedure" die erschütternden Details und moralischen Abgründe des Abu-Ghraib-Skandals akribisch rekonstruiert. Hier nun hat er hat einen unvoreingenommenen, angenehm unparteiischen Film gedreht.
Man kann Morris allerdings vorwerfen, ein wenig der Wirkung von Rumsfelds Charme erlegen zu sein - in manchen Momenten hätte er schärfer nachfragen und naheliegende Einwände formulieren können.
Etwas plump, aber nicht falsch
Kenntnisse über die Geschichte der US-Politik seit Vietnam erleichtern das Verständnis des ambitionierten Films. Die Suche nach Erklärungen gelingt in Maßen. Morris lässt Rumsfeld sprechen und seine Weltsicht ausbreiten, in der Hoffnung, dass dieser sich selbst entlarven könnte. Dagegen montiert er - etwas plump, aber nicht falsch - Statistiken mit Zahlen der Toten und der Kriegskosten.
O-Ton: "Unknown knowns - I think you are probably, Errol, chasing the wrong rabbit here."
Man sollte von Politikern, auch von intelligenten, aber vielleicht nicht erwarten, dass sie zu ihren eigenen Historikern taugen. Da bürdet Errol Morris seinem Filmgegenstand zu viel auf.